"Das könnte ernster werden" US-Anleger fürchten den Krieg
27.08.2013, 22:21 Uhr
"Selbst der sehr gute Ifo-Index in Deutschland vermag die Stimmung nicht entscheidend zu drehen".
(Foto: dpa)
Die drohende Eskalation in Syrien, der US-Haushaltsstreit und die Sorgen um Italien: An der New Yorker Wall Street bleibt Börsianern am zweiten Handelstag der Woche wenig Grund für Optimismus. Die Wall Street knickt deutlich ein.
Die Ausweitung des Syrien-Konflikts hat den Handel an der Wall Street belastet. Zudem kehrten die Schuldenobergrenze und der US-Haushaltsstreit zurück ins Bewusstsein der Anleger. Sorgen bereitete den Experten auch die politische Zerreißprobe in Italien. Lediglich von Konjunkturseite kamen ermutigende Signale.
Der Dow-Jones-Index der Standardwerte notierte 1,1 Prozent schwächer bei 14.776 Punkten. Der breiter gefasste S&P-500 verlor gut 1,6 Prozent auf 1630 Zähler. Der Composite-Index der Technologiebörse Nasdaq fiel um fast 2,1Prozent zurück auf 3578 Stellen. Bereits am Vorabend hatten Sorgen vor einer Zuspitzung des Syrien-Konflikts die Stimmung an der Wall Street belastet.
Ein stützender Impuls erreichte die Märkte gut 90 Minuten nach dem Start: Die Stimmung der US-Verbraucher hellte sich überraschend etwas auf. Das Barometer für die Konsumlaune stieg im August um 0,5 auf 81,5 Punkte, wie das Conference Board zu seiner monatlichen Umfrage mitteilte. Im Vorfeld befragte Analysten hatten mit einem Rückgang auf 79,0 gerechnet. Der Vormonatswert wurde zugleich um 0,7 Zähler auf 81,0 Punkte nach oben revidiert.
Während die Verbraucher ihre künftige Lage besser einschätzten als zuletzt, sahen sie ihre jetzige Situation nicht mehr ganz so optimistisch wie im Juli, als dieses Teilbarometer ein Fünf-Jahres-Hoch erreicht hatte. Der Konsum macht etwa 70 Prozent der US-Wirtschaftsleistung aus. Die Entwicklung des Verbrauchervertrauens wird deshalb von Ökonomen und Anlegern genau verfolgt.
Investoren zögen eine Ausweitung der Syrien-Krise mittlerweile stärker in Betracht als bislang, sagte Gordon Charlop, Geschäftsführer von Rosenblatt Securities. Marktanalystin Kim Forrest von Fort Pitt Capital Group ergänzte: "Das könnte ernster werden als die Konfliktherde Iran und Irak, weil Russland mit im Spiel ist, und das kompliziert die Dinge ungemein."
Tiffany liefert gute Zahlen
Die politische Instabilität in Italien belastete laut Händler Matt Basi von CMC Markets zusätzlich die Stimmung. "Selbst der sehr gute Ifo-Index in Deutschland vermag die Stimmung nicht entscheidend zu drehen", sagte Basi. "Es bedarf aktuell nicht viel, um Risiken vom Tisch zu nehmen. Denn die Drosselung der Anleihekäufe durch die Fed ist weiter unklar."
Bei den Einzelwerten standen unter anderem die Aktien von JC Penney im Blickfeld der Anleger: Die Papiere des Einzelhandelskonzerns gaben um 1,3 Prozent nach. Der Hedgefonds-Manager William Ackman, bislang mit seinem Fonds Pershing Square größter Aktionär des Einzelhändlers, hatte angekündigt, sein komplettes Aktienpaket an JC Penney auf den Markt werfen zu wollen.
Pershing-Square-Chef Ackman reagierte damit offensichtlich auf den gescheiterten Versuch, das JC-Penney-Management umzubauen. Ackman hatte sich Anfang des Monats aus dem Board von Penney zurückgezogen, nachdem es ihm nicht gelungen war, Änderungen im Management durchzusetzen.
Ackmans Hedgefonds hielt ein Paket von 17,7 Prozent an dem Unternehmen und hat dieses zunächst an die Citigroup für 12,90 Dollar je Aktie verkauft. Die Bank will die Titel an Investoren weiter verkaufen. Im vorbörslichen Handel fiel der Kurs von JC Penney um rund 2 Prozent zurück.
Der Kurs von Tiffany legte dagegen zunächst um 0,9 Prozent zu, brach dann aber um fast 1,0 Prozent ein. Der Juwelier steigerte dank guter Geschäfte in China seinen Gewinn und hob seine Prognose an. Tiffany hat die Analysten damit Beobachtern zufolge zum zweiten Mal ausgetrickst. Nachdem das Unternehmen schon für das erste Quartal eine Gewinnwarnung ausgegeben hatte, die sich dann als unnötig erwies, äußerte der Juwelier auch für das zweite Quartal pessimistische Erwartungen, um sie dann doch zu übertreffen.
US-Haushaltsstreit kehrt zurück
Das Umsatzwachstum litt jedoch unter einer überraschenden Schwäche des US-Geschäfts. Auf dem amerikanischen Kontinent stagnierten die Umsätze, auch wenn der Flagship-Store des Unternehmens ein Wachstum verzeichnete. Die Bruttomargen verzeichneten jedoch ein solides Plus, weil der Kostendruck nachließ und Anfang des Jahres Preiserhöhungen durchgesetzt worden waren. Nach der zweiten positiven Ergebnisüberraschung in diesem Jahr traut sich Tiffany endlich, die Jahresziele zu erhöhen. Die Aktie hat seit Jahresbeginn um gut 42 Prozent zugelegt.
Im Hintergrund tauchte unterdessen ein fast schon vergessenes Schreckgespenst aus dem US-Staatshaushalt wieder auf: Einem Medienbericht zufolge stoßen die Vereinigten Staaten bereits im Oktober erneut an ihre gesetzlich verankerte Schuldenobergrenze. Falls sich Demokraten und Republikaner im US-Kongress nicht rechtzeitig einigen, drohen erneut automatische Kürzungen der Staatsausgaben. In früheren Fällen war es dabei bereits wiederholt zu einer beidseitigen Blockadehaltung gekommen, die nicht nur den Handelsverlauf an der Wall Street erheblich beeinträchtigt hatte.
Ein Verkaufssignal kam aus der Pharmabranche: Acura Pharmaceuticals hat mit einem Schmerzmittel in Phase II keine statistisch relevanten Ergebnisse erzielt. Beobachter gehen davon, dass dies zum Beispiel über den Umweg der Umsatzschätzung auch den Aktienkurs belasten dürfte.
Wall Street blickt nach Rom
In Italien macht sich der Koalitionskrach rund um die Parlamentszugehörgkeit Silvio Berlusconis am Kapitalmarkt in Form steigender Finanzierungskosten bemerkbar. Bei der Emission einer italienischen Nullkuponanleihe verlangten Investoren eine höhere Rendite als bei der vorangegangenen Auktion, obwohl die Risikobereitschaft in den vergangenen Wochen spürbar zugelegt hatte. Die Rendite bei der zweijährigen Staatsanleihe kletterte auf 1,871 von zuletzt 1,857 Prozent.
Die fragile Regierungskoalition steht Beobachtern zufolge "auf Messers Schneide": Die Mitte-Rechts-Partei des früheren Ministerpräsidenten und verurteilten Steuerbetrügers Silvio Berlusconi hatte am Wochenende mit einem offenen Bruch der Regierungskoalition von Ministerpräsident Enrico Letta gedroht, sollten Vertreter der Koalition für einen Parlamentsausschluss Berlusconis nach seiner Verurteilung stimmen.
Roubini erwartet Umschuldung
"Die Stabilität der italienischen Regierung steht auf der Kippe. Dadurch werden notwendige Reformen auf die lange Bank geschoben", urteilte die DZ-Bank. Für die Volkswirte von RBC Capital Markets macht die Koalition mit steigender Tendenz einen äußerst fragilen Eindruck. Vorgezogene Neuwahlen seien solange keine Option, wie Berlusconis Partei PdL mit schlechten Karten in eine solche Wahl ginge. Der bekannte US-Ökonom Nouriel Roubini hatte am Vortag in der italienischen Tageszeitung "La Repubblica" erklärt, die politische Instabilität steigere das Risiko einer Umschuldung für Italien.
Am Rohstoffmarkt profitierte der Ölpreis von der Entwicklung in Syrien. Die Eskalation des Konflikts, bei dem mutmaßlich auch Giftgas eingesetzt wurde, weckte Angst vor einem Übergreifen auf die Ölförderländer des Nahen Ostens. Das Barrel Leichtöl der Sorte WTI verteuerte sich auf 108,91 Dollar und damit auf den höchsten Stand in diesem Jahr. Am Montag kostete das Barrel WTI zum Settlement noch 105,92 Dollar.
Der Preis für Gold hat die Marke von 1400 US-Dollar nachhaltig überwunden. Die Feinunze kostete knapp 1416 Dollar. Am Devisenmarkt waren Fluchtwährungen wie der Yen gefragt. Für einen Dollar wurden nur noch 97,08 Yen gezahlt. Am Montag kostete der Dollar noch deutlich mehr als 98 Yen. Die sinkende Risikobereitschaft der Anleger ließ den Euro nachgeben. Er ging mit 1,3387 Dollar um. Im Tageshoch waren es 1,3390 Dollar.
Am Vorabend hatten Anzeichen für einen Militärschlag gegen Syrien den US-Aktienmarkt ins Minus gedrückt: Nach einem über weite Strecken freundlichen Verlauf war der Dow-Jones-Index 0,43 Prozent schwächer bei 14.946,46 Punkten aus dem Handel gegangen. Für den marktbreiten S&P-500-Index ging es um 0,40 Prozent auf 1656,78 Punkte bergab. An der Technologiebörse Nasdaq sank der Nasdaq-100-Index um 0,05 Prozent auf 3122,67 Punkte.
Zunächst hatten überraschend deutlich gesunkene Auftragseingänge für langlebige amerikanische Wirtschaftsgüter Hoffnungen geschürt, dass die US-Notenbank Fed sich mit einer Drosselung ihrer Anleihekäufe noch etwas Zeit lassen wird. Doch dann sorgten Aussagen von US-Außenminister John Kerry für einen Stimmungsdämpfer. Nach seinen Worten sind die USA so gut wie überzeugt, dass das Regime in Damaskus Giftgas eingesetzt hat. Die Kriegsdrohung wird US-Anleger auch am Dienstag begleiten: Die Anzeichen für einen unmittelbar bevorstehenden, kurzen Militärschlag haben sich über Nacht verdichtet.
Quelle: ntv.de, mmo/DJ/dpa/rts