WorldCom, Fed-Sitzung... US-Börsen bleiben gelassen
26.06.2002, 22:15 UhrDie US-Notenbank hat entschieden: die Zinsen bleiben unverändert. Nicht anderes hatten die Börsianer im Vorfeld erwartet - somit gab es an den Märkten keine größeren Reaktionen. Die US-Börsen waren jedoch bereits zuvor durch die Nachrichten über einen Bilanzskandal beim Telekom-Konzern WorldCom deutlich ins Minus gedrückt worden - der befürchtete "sell out " blieb an den US-Börsen allerdings aus. Und im späten Handel konnten die US-Börsen sogar noch ins Plus drehen -- zumindest teilweise: Die Nasdaq legte 0,4 Prozent auf 1.429 Punkte zu, der Dow Jones ging bei 9.120 Zählern praktisch unverändert aus dem Handel.
Die US-Notenbank (Fed) hatte wie erwartet die Leitzinsen auf dem niedrigsten Stand seit 40 Jahren gelassen und wie nach der vergangenen Zinssitzung die Risiken zwischen Inflation und Konjunkturschwäche als ausgeglichen bezeichnet. Die Nachfrage ziehe an, aber der Grad der Erholung sei weiterhin ungewiss, hieß es in der Stellungnahme. Der entscheidende Zielsatz für Tagesgeld beträgt damit weiter 1,75 Prozent. Die meisten Experten rechnen angesichts der gedämpften Inflationsrisiken un der schleppenden Konjunkturerholung frühestens im November mit einer Zinserhöhung.
Für deutlich mehr Bewegung sorgte hingegen WorldCom. Der US-Telekomkonzern hat am Dienstag nach Börsenschluss Falschbuchungen über nahezu vier Milliarden Dollar eingestanden. Der mittlerweile gefeuerte Finanzchef Scott Sullivan habe in den vergangenen fünf Quartalen Aufwendungen falsch als Kapitalanlagen verbucht und so einen größeren Cash Flow als tatsächlich vorhanden ausgewiesen, teilte WorldCom mit. Ohne diese Fehlbuchungen hätte WorldCom im Gesamtjahr 2001 und auch im ersten Quartal 2002 einen Nettoverlust verbucht. Die Ergebnisse für das erste Quartal 2002 sowie das Jahr 2001 würden nun berichtigt, hieß es weiter. Die Aktie wurde vom Handel ausgesetzt.
Dieser zweite Bilanz-Skandal nach Enron habe das Vertrauen der Anleger in die Unternehmensführung der US-Konzerne tief erschüttert, so ein Händler. Das halte nicht nur die Anleger zurück, die auf einen Aufschwung an den Märkten gewartet hätten sondern treibe die noch investierten Anleger aus den Märkten.
Selbst US-Präsident George W. Bush äußerte sich besorgt über die WorldCom-Bilanzierung. Der US-Präsident bezeichnete die Berichte über Fehlbuchungen als ungeheuerlich und kündigte umfassende Ermittlungen an. Trotz der Sorgen der Investoren wegen der Bilanzierungspraktiken von US-Unternehmen "ist unsere Wirtschaft stark", sagte er und fügte hinzu, der Aktienmarkt sei derzeit nicht so stark wie er sein könnte.
Sorgen um mögliche Kreditausfälle im Zuge der WorldCom-Nachrichten belasteten nach Händlerangaben die Bankaktien. Die Papiere von J.P. Morgan Chase verloren rund 4,4 Prozent auf 31,49 Dollar. Citigroup-Aktien gaben rund 5,4 Prozent auf 37 Dollar nach.
Nach Börsenschluss hatte es bereits schlechte Nachrichten von dem US-Halbleiterhersteller Micron Technologies gegeben. Das Unternehmen hat auf Grund des Preisrückgangs bei Speicherchips im dritten Quartal überraschend einen Verlust von 4 Cent je Aktie eingefahren. Analysten hatten für das abgelaufene Quartal durchschnittlich mit einem Gewinn je Aktie von 6 Cent gerechnet. Die Aktie gab3,8 Prozent auf 19 Dollar nach.
Der weltgrößte Taschencomputer-Hersteller Palm hat im vierten Geschäftsquartal wegen der anhaltend schwachen Nachfrage nach seinen Organizern im Taschenformat einen Verlust von 5 Cent je Aktie erwirtschaftet. Analysten hatten im Schnitt mit einem Fehlbetrag von 2 Cent je Aktie gerechnet. Für die Papiere ging es knapp 6 Prozent auf 1,50 Dollar nach unten.
Der Telekommunikations-Konzern 3Com hat im abgelaufenen vierten Quartal einen Verlust von 7 Cent je Aktie verbucht. Im Vorjahr hatte noch ein Minus von 1,52 Dollar je Aktie in den Büchern gestanden. Analysten hatten mit einem Verlust von 2 Cent je Anteilsschein gerechnet. Die Aktie legte 22 Prozent auf 4,90 Dollar zu.
Zahlen gab es auch von dem Frühstückflocken-Hersteller General Mills. Das Unternehmen hat im abgelaufenen Quartal einen Gewinneinbruch auf 15 Cent je Aktie nach 50 Cent im vergleichbaren Vorjahreszeitraum hinnehmen müssen. Als Grund nannte General Mills vor allem einmalige Kosten im Zusammenhang mit der Übernahme von Pillsbury. Die Aktie konnte sich im Verlauf erholen und legte 3,5 Prozent auf 44,36 Euro zu.
Positives hatte AOL Time Warner zu vermelden. Der US-Medienkonzern hat Marktspekulationen zurückgewiesen, das Unternehmen plane eine Korrektur seiner Ergebnisprognose. Der Konzern beabsichtige nicht, eine Ergebniswarnung auszugeben, sagte eine Sprecherin. Die Aktie verlor dennoch 11,5 Prozent auf 13,63 Dollar.
Quelle: ntv.de