Konjunkturdaten vs. Xerox US-Börsen gespalten
28.06.2002, 22:15 UhrDie US-Börsen haben nach einem sehr freundlichen Start einen Teil ihrer Gewinne im Tagesverlauf wieder abgegeben. Die Anleger zeigten sich hin- und hergerissen: auf der einen Seite die positiven Daten zum US-Verbrauchervertrauen, andererseits ließ Xerox neue Sorgen um Bilanzierungsprobleme von US-Unternehmen aufkeimen. Der Dow Jones rutschte zum Handelschluss sogar noch mit 0,3 Prozent ins Minus und schloss bei 9.239 Punkten, die Nasdaq verteidigte hingegen die Pluszone und legte 0,4 Prozent auf 1.466 Zähler zu.
Mit Xerox hat ein weiteres Unternehmen Unregelmäßigkeiten bei seiner Bilanzführung zugegeben. Wenn man immer wieder geschlagen wird, tut es nach einer Weile nicht mehr so weh - so beschrieb ein Händler kurz vor Börsenbeginn die Stimmung an der Wall Street.
Meldungen über ungenaue oder falsche Bilanzen würden die Märkte immer im Nerv treffen, so ein anderer Händler. Allerdings schienen die Börsen nach Enron und WorldCom bereits eine gewisse Schmerzlosigkeit entwickelt zu haben. Zudem sei bereits lange bekannt gewesen, dass es bei Xerox Unstimmigkeiten in den Bilanzen gegeben habe.
Nur zwei Tage nach dem Bilanzskandal beim US-Telekomkonzern WorldCom fachte ein Zeitungsbericht über angeblich falsche Buchungen bei dem Druckerhersteller Xerox die Sorgen der Anleger über unsaubere Bilanzpraktiken bei US-Konzernen weiter an. Eine Buchprüfung von Xerox habe ergeben, dass in den vergangenen fünf Jahren mehr als sechs Milliarden Dollar Umsätze falsch verbucht worden seien, berichtete das Wall Street Journal. Die US-Wertpapier- und Börsenaufsicht SEC ermittelt bereits seit 2000 gegen Xerox. Bei einem Vergleich im April habe die SEC den Betrag für die Jahre 1997 bis 2000 auf drei Milliarden Dollar geschätzt, so der Bericht. Eine Prüfung, die sich auf 2001 bezog, habe jedoch neue Buchführungsprobleme entdeckt. Eine Xerox-Sprecherin kündigte unterdessen eine Umsatzreduzierung "von weniger als zwei Milliarden Dollar" für den Zeitraum 1997 bis 2001 an. Die Aktie brach knapp 13 Prozent auf 6,57 Dollar ein.
Von der Konjunkturseite gab es am Freitag ein ganze Reihe neuer Daten. Der Index des US-Verbrauchervertrauens ist im Juni weniger stark gefallen, als von Analysten erwartet. Die Universität Michigan gab den endgültigen Wert mit 92,4 Punkten an, ursprünglich war ein Rückgang auf 90,8 Punkte nach 96,9 Punkten im Mai erwartet worden. Der Konjunkturindex der Chicagoer Einkaufsmanager für den Juni fiel dagegen mit 58,2 Punkten enttäuschend aus. Experten hatten mit 58,9 Zählern gerechnet.
Der weltgrößte Sportbekleidungshersteller Nike hat seinen Gewinn im abgelaufenen Geschäftsquartal auf 77 Cent je Aktie und damit überraschend stark gesteigert. Analysten hatten nur mit einem Plus von 75 Cent je Aktie gerechnet. Die Aktie legte 4,3 Prozent auf 53,65 Dollar zu.
Gute Nachrichten gab es von dem Softwarehersteller Intuit, der seinen Ausblick für das kommenden Geschäftsjahr anhob. Zudem gab das Unternehmen mit Eclipse die bereits fünfte Übernahme in diesem Jahr bekannt. Die Übernahme lässt sich Intuit 85 Millionen Dollar kosten. Die Aktie stieg 4,8 Prozent auf 49,72 Dollar.
Network Associates hat für die Jahre 1998 bis 2000 seine Quartalsergebnisse neu veröffentlicht. Das Unternehmen hatte aufgrund von Anfang des Jahres entdeckten Bilanzierungsfehlern einige Positionen in den vergangenen Jahren falsch ausgewiesen. Durch die Änderungen steigt für das Jahr 2000 der Nettoverlust um rund 21 Millionen Dollar auf 123,9 Millionen Dollar. Für das Jahr 1999 nimmt der Verlust um 3 Millionen Dollar auf 159,9 Millionen Dollar zu. Für das Jahr 1998 fiel der Nettogewinn um 4 Millionen Dollar auf 32,4 Millionen Dollar. Die Aktie kletterte 2,1 Prozent auf 19,27 Dollar.
Gut in Form präsentierten sich neben den meisten Telekomwerten auch die Telekomzulieferer. So gewinnen beispielsweise die Aktien von Corning 13 Prozent auf 3,55 Dollar. Nortel legt gleichzeitig knapp 4 Prozent auf 1,45 Dollar zu. Händler begründeten die Kursgewinne mit sogenannten Schnäppchenjägern, die das niedrige Niveau nutzen um bei diesen Werten einsteigen.
Ingram Micro, der größte PC-Großhändler in den USA, sieht augenblicklich keine bemerkenswerten Veränderungen bei der Nachfrage nach PCs. Die Feiertage hätten keine Veränderungen gebracht, wie sie in den Vorjahren zu beobachten waren. Aber auch vom dramatischen Einbruch, über den einige PC-Hersteller geklagt hätten, könne Ingram zumindest in den USA nichts bemerken. Allerdings sei zu beobachten, dass die Unternehmen weiterhin sehr zurückhaltend in neuen PCs investieren würden. Die Aktie legte 3 Prozent auf 13,75 Dollar zu.
Der Chef des in einen Bilanzierungsskandal verwickelten US-Telekomkonzerns WorldCom, John Sidgmore, hat in einem offenen Brief an US-Präsident George W. Bush die uneingeschränkte Zusammenarbeit mit den ermittelnden Behörden bekräftigt und eine rigoros Aufklärung der Bilanzfälschungen angekündigt. Gleichzeitig versprach Sidgmore am Freitag, alles zu unternehmen, um das angeschlagene Unternehmen zu retten. Die WorldCom-Aktie blieb auch am Freitag vom Handel ausgesetzt.
Quelle: ntv.de