Wall Street vor der Zahlenflut US-Börsen verunsichert
14.01.2002, 22:15 UhrEs ist mal wieder Berichtssaison in den USA - es könnte die schwächste seit 20 Jahren werden. Doch nicht nur die liegt den US-Anlegern schwer im Magen, auch der skeptische Ausblick von Alan Greenspan für die US-Wirtschaft macht der Wall Street weiter zu schaffen. Der Dow Jones fiel um 1,0 Prozent auf 9.891 Punkte, die Nasdaq gab 1,6 Prozent auf 1991 Zähler nach und schloss damit wieder unter der psychologisch wichtigen 2.000-er Marke.
Es sei die Kombination von Greenspan und Berichtssaision, die auf die Stimmung drücke, so ein Händler. Intel, IBM, Compaq , Microsoft, Apple, General Motors, General Electric und die Citigroup sind nur einige der Branchenriesen, die in den kommenden Tagen ihre Karten auf den Tisch legen werden. Nach Schätzungen von Analysten wird es die schwächste Bilanzsaison seit 20 Jahren werden, mit einem durschnittlichen Rückgang der Ergebnisse um rund 22 Prozent. Das hat zumindest First Call / Thomson Financial berechnet.
Da diese Zahlen bereits seit längerem bekannt seien, werde sich das Interesse der Anleger in erster Linie auf die Zukunftsaussagen der Firmen richten, so ein Händler. Und da stehe zu befürchten, dass die Rallye der US-Börsen bereits zu viel vorweg genommen habe und der lang ersehnte Aufschwung der US-Konjunktur weiter auf sich warten liesse. Erste Anzeichen hierfür hätte am Freitag Alan Greenspan geliefert, hieß es weiter. Der oberste US-Währungshüter hatte in einer Rede vor weiterhin „erheblichen“ Risiken für die US-Wirtschaft gewarnt.
Sollten die Konzern-Ausblicke die Hoffnung auf eine Erholung ab der zweiten Jahreshälfte nicht untermauern, könnte das einen erneuten Kursrutsch an den Börsen auslösen, so ein Händler.
Feuer ins Öl goss dann am Montag auch noch die angesehene US-Investmentbank Merrill Lynch. Die Analysten empfahlen ihren Kunden, in ihren Portfolios den Aktien-Anteil auf 50 Prozent von zuvor 60 Prozent zu reduzieren. Anleihen sollten im Gegenzug auf 30 Prozent von zuvor 20 Prozent aufgestockt werden. Bargeld sollte nach wie vor mit 20 Prozent gewichtet werden. Es gebe derzeit nur eine dünne Grenze zwischen einem liquiditätsgetriebenen Markt, der eine Verbesserung der Fundamentaldaten erwarte, und einer Luftblase, so der Merrill-Lynch-Stratege Richard Bernstein zur Begründung.
Im Sturzflug befindet sich derzeit die Aktie von Dow Chemical. Die Papiere des zweitgrößten US-Chemiekonzerns bauen damit ihre Verluste vom vergangenen Freitag weiter aus. Hintergrund sind Klagen, die gegen die Tochter Union Carbide wegen der Verwendung asbestverseuchter Materialien geführt werden. Einer dieser Prozesse endete zwar in einem Vergleich, Analysten kritisieren jedoch die ihrer Ansicht nach unzureichende Informationspolitik. Solange sich Dow Chemical nicht zum Umfang der zu erwartenden finanziellen Belastungen äußere, sei eine vernünftige Bewertung des Unternehmens nicht möglich. Die Aktie schloss mit 10,6 Prozent im Minus bei 27,05 Dollar.
Weiterhin keinen Boden finden die Aktien des angeschlagenen Einzelhändlers K-Mart. In den vergangenen vier Wochen hat sich der Kurs nach einer Gewinnwarnung und Gerüchten um eine bevorstehende Insolvenz damit in rund halbiert. Analysten sprechen in diesem Zusammenhang von einem "nervösen Szenario", das die Börse zurzeit zeichne. K-Mart müsse dringend etwas sagen, was den Lieferanten wieder Sicherheit gebe, war zu hören. Der Kurs war zwischenzeitlich auf 2,57 Dollar - den tiefsten Stand seit Oktober 1967 - gefallen. Gegen Ende erholte er sich wieder etwas: 2,86 Dollar, trotzdem noch ein Minus von 13,9 Prozent.
Tyco hat Gerüchte dementiert, wonach der Mischkonzern an einer Übernahme von Honeywell interessiert sei. Außerdem stehen bei Tyco am Dienstag Quartalszahlen an. Und da erwarten Marktbeobachter eine positive Überraschung. Tyco habe sich mit gezielten Zukäufen im Sicherheits- und Gesundheitsbereich relativ unabhängig von der Rezession gemacht. Grund genug für einen kräftigen Kurssprung am Montag: plus 4,3 Prozent auf 52,40 Dollar. Bei Honeywell dagegen gab es ein Minus von 4,7 Prozent auf 31,70 Dollar.
Im Mittelpunkt am Montag stand jedoch zunächst die Aktie von Raytheon Corp. Der Verteidigungskonzern will sein Geschäftsfeld Aircraft Integration für 1,1 Milliarden Dollar an L-3 Communications verkaufen. Die Raytheon-Aktie schloss mit 1,1 Prozent bei 31,68 Dollar im Minus, L-3 fiel 0,9 Prozent auf 88,17 Dollar.
Der Elektronikkonzern United Technologies kündigte am Freitag nach Börsenschluss an, man werde die Analystenerwartungen für das 4. Quartal erfüllen. Auch die eigenen Planungen für 2002 hätten weiter Bestand, so das Unternehmen. Die Papiere gaben dennoch 2,5 Prozent auf 62,24 Dollar nach.
Fannie Mae, der größte Finanzierer für private Immobilien in den USA, hat im vierten Quartal 24 Prozent mehr operativen Gewinn erwirtschaftet als im vergleichbaren Vorjahresquartal. Hintergrund seien vor allem die niedrigen Zinssätze in den USA, so das Unternehmen. Die Aktie legte 1,2 Prozent auf 79,00 Dollar zu.
Miravant Medical Technologies brachen 75 Prozent auf 2,44 Dollar ein, nachdem das Unternehmen über enttäuschende Ergebnisse der dritten Testphase für ein Medikament zur Stärkung der Sehkraft berichete.
Quelle: ntv.de