Inside Wall Street US-Kids spielen deutsch
20.02.2008, 21:53 UhrVier Tage lang waren die Messehallen des New Yorker Jacob Javits Center das Paradies für Kinder - nur leider hatten die keinen Zutritt. Zur zweitgrößten Spielwarenmesse der Welt waren Hersteller, Händler und Presse geladen, und so trieben sich Erwachsene zwischen Puppen, Bären und Eisenbahnen herum und suchten nach Trends in der 22 Milliarden Dollar schweren Industrie.
Ein Trend ließ sich schnell feststellen: Der Markt boomt schwer. Schon am ersten Tag der Messe registrierte der veranstaltende Branchenverband TIA einen Rekordandrang. Fast 10.000 Besucher aus der Industrie drängten sich zwischen den rund 1200 Ständen mit Innovationen aus allen Bereichen. Der Andrang spiegelt die jüngsten Erfolge der Branche wider: Die Umsätze im Spielzeug-Sektor stiegen im vergangenen Jahr dramatisch - zumindest bis Rückrufaktionen für in China hergestellte Waren einen dramatischen Einbruch vor Weihnachten verursachten und die Zugewinne auffraßen.
Imagepflege und die Sicherheit von Spielwaren standen folglich für viele Messebesucher im Vordergrund, unter anderem für den amerikanischen Branchenriesen Mattel, der im vergangenen Jahr 21 Mio. Artikel zurücknehmen musste. Jetzt hat man neue Überwachungsmechanismen geschaffen, beteuert ein Unternehmenssprecher am Messestand, der fest in der Hand von Barbie und "Speed Racer" ist. Letzteres ist eine Auto-Serie, die am Mai auf den US-Markt kommt und an einen gleichnamigen Action-Zeichentrickfilm geknüpft ist.
Den Link nach Hollywood sucht auch Konkurrent Hasbro, der sich von einer Fortsetzung des Trickfilms "Transformers" neue Absätze mit den Auto-Robotern verspricht. Auch andere amerikanische Hersteller versuchen zunehmend, ihre Spielsachen mit anderen Medien zu verlinken, nicht zuletzt mit dem Internet: Plüschfiguren wie die Webkinz der New Yorker Firma Ganz locken schon die Kleinsten online, und auch die klassischen Puppen von Barbie bis Bratz haben das Web für sich entdeckt.
Die deutschen Hersteller präsentierten sich in New York hingegen mit Klassikern - und mit Erfolg: Der bayerische Puppenhersteller Engel spricht mit seinen detailverliebten Puppen Kinder ebenso an wie Sammler; ähnlich ist die Mischung bei Steiff. Im Geschäft mit Teddybären kommen zur Zeit rund 70 Prozent der Umsätze von Sammlern, während der Plüsch-Markt 30 Prozent beisteuert. Der Trend gehe steil nach oben, so James Pitocco, Präsident des US-Geschäfts. Vor allem bei Einzelhändlern im Hochpreis-Segment laufe die Marke bestens. Während der New Yorker Messe schauten etwa die Einkäufer von Neiman Marcus, Saks und Lord & Taylor vorbei.
Auch bei Kettler drängten sich die Kunden, was Ludger Busche als Vice President für das Amerika-Geschäft nicht zuletzt auf einige Schnappschüsse in der Regenbogenpresse zurückführt: Darauf schieben Promis wie Sarah Jessica Parker und Julia Roberts ihren Nachwuchs auf Dreirädern und Kinderwagen des deutschen Herstellers über Spielplätze in New York und Los Angeles - der Durchschnittsbürger zieht nach.
Auch mit den Umsätzen der Spielzeuglinie ist Kettler zufrieden, vor allem mit der Caterpillar-Reihe. Die gelben Baumaschinen laufen indes auch beim fränkischen Hersteller Bruder bestens. Bei dem stehen auch andere Marken hoch im Kurs, etwa die aufwändig detaillierten Mack-Trucks. Zudem steht ein Winterdienst-Fahrzeug mit Schaufel und voll funktionsfähiger Streueinrichtung als Prototyp bereit, der im nächsten Weihnachtsgeschäft die amerikanischen Kinderzimmer erobern soll.
Wenn in den Kinderzimmern Fahrer für all die Trucks gesucht werden, dürfte manch ein Playmobil-Männchen zu einem unerwarteten Job kommen. Die zeitlosen Spielkameraden aus dem fränkischen Zirndorf sind in den USA seit Jahrzehnten Bestseller und werden im laufenden Jahr unter anderem um einen Zirkus, ein Piratenschiff und eine Dinosaurier-Landschaft bereichert.
Dinos sind auch beim Spielfigurenhersteller Schleich aus Schwäbisch Gmünd stets gefragt, der gerade beim New Yorker Nobel-Laden FAO Schwarz einen eigenen 40 Quadratmeter großen Marken-Store eingerichtet hat. Da gibt es neben Urzeitlichem auch zeitlose Klassiker, darunter vor allem Pferde und ähnlich beliebte Serien, zudem erstmals auch Fantasy-Welten: Mit einer ganzen Elfen-Landschaft zieht das Unternehmen auf einen Wachstumsmarkt, der sich in den USA in den letzten Jahren massiv vergrößert hat.
An Elfen und Feen kommt auch Ravensburger nicht vorbei, wenngleich die zarten Wesen dort meist zweidimensional sind. Auch nach 120 Jahren laufen bei dem Traditionsunternehmen nämlich die klassischen Puzzles am besten, wenngleich sogar diese zunehmend in den Raum wachsen. Der neueste Gag für 2008: Puzzle-Bälle mit bis zu 540 Teilen, auf die wahlweise der Globus oder andere Motive gedruckt sind.
Eine ganz eigene Nische besetzt hingegen Faber-Castell. Ganz wie auf dem deutschen Markt konzentriert man sich auch in Amerika auf das Basteln. Seit der Übernahme der US-Kette Creativity for Kids spricht man mit Projekt-Sets Kids an, die Sockenpuppen basteln, kleine Teller töpfern oder Christbaumschmuck bemalen wollen. Die Geschäft laufen bestens, meint Sprecherin Lisa Brody, wenngleich man in den USA im Discount-Segment spiele und nicht die hohen Preise des deutschen Marktes halten könne.
Preissorgen belasten indes auch andere Hersteller: Kettler-Manager Busche klagt über den schwachen Dollar, der die Margen vernichte, und Paul Heinz Bruder, Vorstandschef des gleichnamigen Truck-Herstellers, will zur Zeit nur hoffen, dass die schwächelnde Wirtschaft in den USA den relativ stabilen Spielzeug-Sektor verschonen wird.
Quelle: ntv.de