Inside Wall Street Ungerechte Reform
23.06.2010, 07:02 UhrSeit Monaten versucht Washington, die Finanzmärkte zu reformieren. Doch der Widerstand wächst. Selbst Teilerfolge sind deshalb in Gefahr.
Seit Beginn der Finanzkrise in den USA arbeitet Washington an einer Reform der Märkte – und kommt zu keinem Durchbruch. Reformideen der Demokraten werden durch die Republikaner geblockt, die Lobbyisten kämpfen mit Millionen-Budgets gegen alles, was die Profite der Banken schmälern könnte. Selbst ein Teilerfolg in Bezug auf Geldkarten-Gebühren geht nun nach hinten los.
Die amerikanischen Banken machen ihre Milliarden Penny für Penny. Augenscheinlich niedrige Gebühren für Transaktionen am Geldautomaten oder an Ladentheken summieren sich, und Verbraucher merken oft nur spät (oder überhaupt nicht), dass sie übers Ohr gehauen werden. Seit 2003 haben sich etwa die Gebühren für bargeldloses Bezahlen im Geschäft mehr als verdoppelt. Hintergrund: Visa und Mastercard hoben regelmäßig die Gebühren für den Einzelhandel an, der reicht sie an den Verbraucher weiter.
Wochenlang hat nun ein Kongressausschuss unter Vorsitz des demokratischen Senators Rick Durbin verschiedene Reformvorschläge verhandelt und sich dabei mit Vertretern der Banken, der Kreditkartenfirmen und der leidtragenden Einzelhändler getroffen. Entstanden ist letztlich ein Kompromiss, der einen Großteil der Gebühren einschränkt und dafür sorgen soll, dass übertriebene Abrechnungskosten schon bald der Vergangenheit angehören werden.
Das Problem: Es gibt Ausnahmen. Zum Beispiel für Cash-Karten, den so genannten "Pre-Paids", die Kunden selbst aufladen können. Die werden überwiegend von ärmeren Amerikanern genutzt, die mangels Einkommen oder Kreditwürdigkeit keine Kredit- oder klassische Geldkarte bekommen können. Eine der meist benutzten Karten dieser Art ist die RushCard, die zum branchenübergreifenden Imperium des Hiphop-Produzenten Russell Simmons gehört.
Der hatte erst vor wenigen Tagen einen Brief an Senator Durbin geschrieben und dafür plädiert, an seinen Gebühren festhalten zu dürfen. Angeblicher Grund: Anbieter wie er – mit einem Bilanzwert von weniger als 10 Milliarden Dollar – könnten sich sonst gegen die großen Konkurrenten aus der Bankenbranche nicht behaupten und würden aus dem Markt gedrängt. Damit werde ausgerechnet den Ärmsten in der Bevölkerung die Chance auf eine Geldkarte genommen.
Die Wahrheit sieht anders aus: Ausgerechnet Russell Simmons, der vor allem von der schwarzen Unterschicht Amerikas wegen seiner steilen Karriere nach einer Ghetto-Kindheit verehrt wird, zockt seine Kunden schlimmer ab als die Großbanken. Seine Website nennt zwar im üblichen Kredithai-Jargon sämtliche Gebühren, doch die erstaunen durchaus: So fällt für die RushCard eine monatliche Nutzungsgebühr von 10 Dollar an, Geld am Automaten zu holen, kostet bis zu 2,50 Dollar – selbst für eine Kontostandsabfrage werden 50 Cent verlangt. Jede einzelne Transaktion mit der RushCard kostet einen weiteren Dollar, und, und, und.
Die Gebühren landen in der Tasche des Multimilliardärs Simmons, der dreist wie nie bei der Unterschicht absahnt. Im Internet regt sich bereits Protest gegen die Klausel, die sein Unternehmen von der Reform ausnimmt, doch so bald wird sich an den neuen Vorschriften wohl nichts ändern. Denn die Verbraucherschützer haben noch einem weiteren Kompromiss in der Gesetzgebung zustimmen müssen: Die Aufsicht über die Geldkarten-Gebühren bleibt in den Händen der Notenbank und geht nicht, wie gefordert, an eine neue, unabhängige Verbraucherschutzbehörde über. Damit sitzen die Finanzriesen weiterhin am Steuer.
Quelle: ntv.de