Marktberichte

Inside Wall Street Wehmut auf dem Parkett

Ob sich an den US-Börsen nun kurz vor dem Jahreswechsel eine Santa-Claus-Rally einstellen wird oder nicht, ist den meisten Händlern auf dem Parkett ziemlich egal. In Weihnachtsstimmung sind sie sowieso nicht. Im Gegenteil: Ein neues Jahr bringt für viele mehr Unsicherheit als Chancen.

Auf dem Parkett der New York Stock Exchange ist es leer geworden. Wo sich die Händler früher auf die Füße traten und sich das Gewühl oft nur mit heftigem Ellbogeneinsatz durchschreiten ließ, halten die Trader heute Small-Talk. Selbst in der größten Eile gibt es kein Schubsen mehr, hier und da liest jemand Zeitung – der größte Teil des Handels wird ja elektronisch abgefertigt.

Das weiß natürlich auch Duncan Niederauer. Dem neuem CEO der New York Stock Exchange ist klar, dass das Parkett ein Relikt aus längst vergangenen Zeiten ist. Und seit aus dem Old-Boys-Club an der Wall Street ein multinationaler und gewinnorientierter Konzern geworden ist, lassen sich solche Relikte nur noch schwer halten. Entsprechend skeptisch blicken die Trader in die Zukunft. Sie fürchten um ihren Arbeitsplatz – und sehen in Niederauer den Repräsentanten einer bedrohlichen Zukunft.

Höchste Zeit für den 48-Jährigen, für ein wenig Entspannung zu sorgen. So gab er am Donnerstag zwischen Monitoren und Handelsschranken einen Einstand, der sich gewaschen hatte. Zur Weihnachtsfeier der NYSE hatte er rund 500 Wall-Streetler auf das Parkett geladen, es gab eine Champagner-Theke, zwei Martini-Bars, asiatische Salate – und eine freundliche Rede.

„Wir sind seit 105 Jahren in diesem schönen Gebäude, und wir wollen weiter 105 Jahre hier bleiben“, rief Niederauer der Börsenfamilie zu. Ein guter Anfang, dem aber ein Einwand folgte: „Wir sind stolz auf unsere Traditionen, aber wir dürfen uns von unseren Traditionen nicht davon abhalten lassen, in eine moderne und erfolgreiche Zukunft zu schauen.“

Das hörte sich noch ganz optimistisch an, und dafür gab es Applaus. Mehr wollte Niederauer seinen Leuten zu Weihnachten auch nicht zumuten. Stattdessen gabs noch ein Bonbon: „Ab dem neuen Jahr gilt ,business casual“, räumte der neue CEO mit der Jahrhunderte alten Kleiderordnung auf. Wer nicht direkt im Kontakt mit Kunden steht, darf ab Januar ohne Krawatte kommen – dafür gab es Jubel, wie ihn das Parkett selten gehört hat.

Niederauer selbst nahm seinen Schlips auch umgehend ab und mischte sich unter die Parkettgemeinde. Ein Bierchen in der Hand ließ er es menscheln und verteilte Weihnachtsgrüße. Mit den besten Wünschen für das neue Jahr.

Quelle: ntv.de

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