Inside Wall Street Wut auf den Wolkengott
09.07.2009, 19:31 UhrDie Sonne scheint in New York – allerdings erst seit ein paar Tagen. Der Sommer kam spät in diesem Jahr.

Regen in New York
(Foto: REUTERS)
Bis Mitte Juni hatte ein großer Teil der USA nie mehr als zwei Tage einigermaßen akzeptables Wetter erlebt. Das schlägt auf die Stimmung. Und auf die Umsätze im Einzelhandel… doch jammert die Branche wieder einmal lauter als sie sollte.
Es ist nicht ganz von der Hand zu weisen, dass ein Geschäft für Bademode unter anhaltend schlechtem Wetter leidet. Auch ein Regenschirmhändler kommt unter Druck, wenn wochenlang die Sonne scheint. Doch sind die meisten amerikanischen Einzelhändler – vor allem die Branchenriesen, deren Umsätze die Aktienmärkte bewegen – etwas breiter aufgestellt.
So sind weder bei Target, noch bei JC Penney Sommer- und Winterklamotten die größten Umsatzbringer, und selbst reine Modeketten haben normalerweise ein breites Sortiment, mit dem sich dem Wetter entsprechend haushalten lässt. Dass das nicht klappt, zeigt sich fast jeden neuen Monat an der Wall Street, wenn die Unternehmen ihre Umsatzzahlen vorlegen – und jede Enttäuschung auf's Wetter schieben.
Mal zu heiß, mal zu kalt
Da ist es mal zu heiß und mal zu kalt – und manchmal auch beides auf einmal. Wie im vergangenen Winter. Da beklagten zahlreiche auf Winterbedarf ausgerichtete Ketten die milden Temperaturen. Andere, vom Wetter unabhängige Einzelhändler schimpften, dass die unerwartet bittere Kälte und Unmengen von Schnee und Eis die Kunden von den Malls ferngehalten hätten.
Auch im Frühling gab es allerlei inkonsequentes Geschwafel aus der Branche. Für den März entschuldigten die Läden ihre schwachen Umsätze mit dem späten Osterfest, was die Wall Street prompt akzeptierte. Im April, als Ostern dann doch stattfand, waren die Umsätze indes kein bisschen besser.
Strand statt Shopping
Es ist leicht abzusehen was im nächsten Monat passiert: Nachdem man nun den unerwartet kühlen Sommerbeginn als Ursache für schwache Geschäfte ausgemacht hat, wird man sich nach dem Juli wohl darüber beschweren, dass die Amerikaner angesichts der heißen Temperaturen nicht einkaufen, sondern viel lieber an den Strand wollten. Oder zuhause bleiben.
Anleger sollten sich – und das gilt überhaupt im Aktiengeschäft! – von den täglichen Meldungen über monatliche Indizes und wöchentliche Statistiken lösen. Der Einzelhandel leidet nicht unter dem Willen des Wolkengottes, sondern unter dem Sparzwang der Kunden, die von einer schlimmen Rezession gebeutelt wurden. Viele haben ihre Häuser verloren oder zumindest arge Probleme, die monatlichen Raten abzustottern. Ein Großteil der Bevölkerung erstickt in Kreditkartenschulden und Zinszahlungen. Da haben neue Kleider, Bücher oder Bademäntel eben keine Priorität.
Mit solchen Erkenntnissen ist und bleibt der Einzelhandel einer der wichtigsten Konjunkturindikatoren. Er nutzt dem Anleger aber nur, wenn er als solcher kritisch betrachtet wird.
Quelle: ntv.de