Rezessionsangst nimmt zu Auftragsminus in der Industrie
06.08.2008, 14:38 UhrDie deutsche Industrie hat wegen der schwindenden Auslandsnachfrage im Juni zum siebten Mal in Folge weniger Aufträge erhalten. Dies ist die längste Durststrecke seit der Wiedervereinigung und schürt Ängste vor einer Rezession in Deutschland. Die Bundesregierung geht weiter davon aus, dass die Wirtschaftsleistung im Frühjahr zwischen 0,75 und 1,5 Prozent geschrumpft ist, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Der Beginn einer lang andauernden Wachstumsschwäche sei die derzeitige Abkühlung aber nicht, hieß es.
Dass die Wirtschaft nach dem unerwartet guten Jahresauftakt zwischen April und Juni deutlich an Fahrt verloren hat, galt unter Experten als unstrittig. Überraschend kommt für viele nun aber, wie schnell etwa der Industrie die Puste ausgeht. "Es geht derzeit mit Volldampf nach unten", sagte Deutschland-Experte Andreas Scheuerle von der DekaBank. Das zweite Quartal sei nach der Rezession 1992/93 das schlechteste seit der Wiedervereinigung. "Die Daten, die derzeit reinkommen, sind wirklich fürchterlich." Ein Grund dafür ist, dass sich Deutschland als Exportnation kaum von der Flaute seiner europäischen Handelspartner abkoppeln kann. Matthias Rubisch von der Commerzbank etwa sieht fast alle großen Länder in Westeuropa in oder am Rande einer Rezession. "Die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in Deutschland nimmt zu."
Dies bekommt vor allem die Industrie zu spüren, die 2006 und 2007 noch für Boomjahre gesorgt hatte. Seit Dezember gehen hier die Aufträge zurück. Für Juni hatten Experten zwar ein leichtes Plus erwartet. Es hagelte jedoch ein Minus von 2,9 Prozent und damit den stärksten Rückgang seit etwa einem Jahr. Im gesamten Quartal brachen die Aufträge sogar um 4,1 Prozent ein. Während die Inlandsorders nur um 0,6 Prozent zurückgingen, brach die Auslandsnachfrage um 5,1 Prozent ein. Dabei gab es im Geschäft mit der Euro-Zone ein Minus von 7,7 Prozent. "Wir gleiten europaweit in eine stagnative Entwicklung", sagte Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen IMK-Institut zu Reuters. Eine Rezession sei weder für Europa noch für Deutschland auszuschließen.
Die mit Spannung erwarteten Daten zur Wirtschaftsleistung im zweiten Quartal werden am kommenden Donnerstag veröffentlicht. Horn rechnet mit einem Rückgang des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um ein Prozent, während die Bundesregierung sogar ein Minus von bis zu 1,5 Prozent für möglich hält, berichtet Reuters. Doch bleibe die Prognose eines Wachstums von 1,7 Prozent im Gesamtjahr realistisch. Ob die Schätzung für 2009 von 1,2 Prozent Wachstum gehalten werden könne, sei dagegen noch unklar, sagte ein Regierungsvertreter. Ein Nullwachstum, wie es der Wirtschaftsweise Peter Bofinger inzwischen für möglich hält, drohe aber nicht.
Quelle: ntv.de