Händler-Sterben Autobranche am Boden
03.12.2008, 15:09 UhrDie deutsche Autoindustrie steckt wegen des massiven Absatzeinbruchs in der schwersten Krise seit Anfang der 90er Jahre und muss tausende Stellen streichen. Nach zwei mageren Jahren rechnet der Verband der Automobilindustrie (VDA) 2009 mit einer Verschärfung der Krise und dem geringsten Autoabsatz in Deutschland seit der Wiedervereinigung. Der Automarkt-Experte Ferdinand Dudenhöffer rechnet für das kommende Jahr mit einem Autohaus- Sterben. Voraussichtlich würden nur noch 2,85 Millionen Autos in Deutschland verkauft, prognostizierte sein Forschungsinstitut "CAR" am Mittwoch in Duisburg mit.
"Die Automobilmärkte haben eine Talfahrt genommen, die in dieser Geschwindigkeit und Ausprägung noch nie vorher stattgefunden hat", sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann am Mittwoch in Frankfurt. Sowohl im Inland wie im Ausland brechen wegen der weltweiten Wirtschaftskrise die Märkte weg.
Dudenhöffers Prognose für den deutschen Markt liegt noch unter der des Branchenverbandes VDA. Der Rückgang der Produktion bringe gravierende Auswirkungen auch für die Zulieferindustrie. Zur Vermeidung von Liquiditätskrisen bei den Zulieferern schlug Dudenhöffer einen staatlichen Kredithilfe-Fonds im Umfang von fünf Milliarden Euro vor.
Seit September kappten die Hersteller bereits 1850 Arbeitsplätze und schickten knapp 10.000 Zeitarbeiter nach Hause. "Die Krise wird weitere Auswirkungen auf die Beschäftigung haben", warnte Wissmann, ohne Zahlen zu nennen. Jeder siebte Arbeitsplatz in Deutschland hängt von der Autoindustrie mit 761 600 Mitarbeitern ab. Verlängerte Weihnachtsferien, Produktionspausen und der Abbau von Arbeitszeitkonten seien nur ein erster Schritt. Die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe mache Herstellern und Zulieferern zu schaffen. Auch das Geschäft mit Lastwagen und Transportern sei auf Talfahrt.
Niedrigste Zahl an Neuzulassungen seit 1990
Im nächsten Jahr rechnet der Verband für Deutschland nur noch mit bestenfalls 2,9 Mio. Neuzulassungen - das wären so wenige wie noch nie seit der Wiedervereinigung Deutschlands 1990. Experten sind noch pessimistischer: Das Forschungsinstitut "CAR" erwartet statt eines Minus von sieben Prozent einen Rückgang von 8,1 Prozent auf nur noch 2,85 Mio. verkaufte Autos in Deutschland. 2008 sollen etwa 3,1 Mio. Autos neu zugelassen werden.
Wegen der nachlassenden Nachfrage wird laut VDA der Export - das bisherige Zugpferd der Industrie - erstmals seit fünf Jahren 2008 zweistellig schrumpfen. "Die Konjunktur kippte in den letzten Monaten regelrecht ab", sagte Wissmann. Für das Gesamtjahr erwartet der Verband noch Ausfuhren von maximal 4,2 Mio. Wagen nach 4,3 Mio. im Vorjahr. In einstige Wachstumsmärkte wie China und Russland hätten die deutschen Hersteller im Oktober zehn beziehungsweise 20 Prozent weniger Autos verkauft.
2009 werde das Jahr der Importeure, sagt Branchenexperte Dudenhöffer voraus. Vor allem Alfa Romeo, Toyota und Dacia legten zu. Die deutschen Autohersteller mit Ausnahme von Opel schrumpften dagegen nicht ganz so stark wie der deutsche Gesamtmarkt. So rechnet der Experte etwa für Mercedes mit einem Rückgang von 3,1 Prozent gegenüber 2008, für VW mit 6,4 Prozent und für BMW mit 7,7 Prozent Minus. Opel sieht er mit 13,9 Prozent im Minus.
Wissmann beschwert sich über Banken
VDA-Präsident Wissmann klagte derweil über die Banken, die wegen der Finanzmarktkrise nur noch äußerst restriktiv Kredite an Autofirmen vergeben. "Kredite werden zum Teil serienweise gekündigt, wer liefert, muss Vorkasse verlangen", sagte der Präsident. Dies verschärfe die Lage und werde Jobs kosten. Dabei seien die Firmen dringend auf Darlehen angewiesen, um schadstoffarme Antriebe zu entwickeln. "Gerade in Zeiten der Krise darf eines nicht gekürzt werden: Die Blutzufuhr im Kopf", verlangte Wissmann mit Verweis auf die Ausgaben für Forschung und Entwicklung.
Von der Politik forderte der Verband eine rasche Entscheidung über die Neuregelung der Kfz-Steuer, die nach Schadstoffausstoß und nicht mehr Hubraum gestaffelt werden soll, sowie eine "Abwrackprämie" für Altautos. Die Bundesregierung will zur Ankurbelung des Absatzes umweltfreundliche Neuwagen für bis zu zwei Jahren von der Kfz-Steuer befreien.
Das Nutzfahrzeuggeschäft ist ebenfalls auf Talfahrt: Im November brachen die Neuzulassungen von Lastwagen und Transportern um 23 Prozent ein. Im nächsten Jahr müssen die Kapazitäten laut Verband "kräftig" angepasst werden. Der Umsatz werde 2008 wie im Vorjahr bei rund 290 Milliarden Euro liegen. Die Produktion werde von 5,7 auf 5,5 Millionen Fahrzeuge sinken.
Weltweite Talfahrt
Auch weltweit rechnet Ferdinand Dudenhöffer mit starken Absatzeinbrüchen. Der Experte geht 2009 von 50,8 Millionen Verkäufen aus, das wären 9,1 Prozent weniger als 2008. Damit werde der Absatz auf das Niveau von 2003 fallen, als rund 50 Millionen Autos verkauft wurden. "Dabei muss selbst bei den bisherigen Wachstums-Champions China und Russland mit einem Rückgang der Pkw-Verkäufe gerechnet werden."
Eine Verbesserung der Lage erwartet Dudenhöffer erst in der zweiten Hälfte des Jahres 2010. Vor allem in den jungen Volkswirtschaften der Welt bleibe die Autoindustrie mittel- und langfristig einer der großen und wichtigen Wachstumsträger.
Quelle: ntv.de