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Verfrühter Abwrack-Jubel Autoforscher Meinig warnt

Die deutsche Autobranche spürt nach eigenen Angaben bereits erste Impulse aus der Abwrackprämie: "Die Menschen gehen wieder in die Autohäuser, die Bereitschaft zum Autokauf wächst", teilte der Verband der Automobilindustrie (VDA) am Wochenende mit. Dies sei ein erstes ermutigendes Signal auf dem immer noch sehr schwierigen Inlandsmarkt, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann laut Mitteilung.

Eigene Marketingmaßnahmen zur sogenannten "Umweltprämie" sowie die Einigung über die Kfz-Steuerreform versprächen weitere Schübe. Wenn sich das Durchschnittsalter der Autos auf deutschen Straßen von gegenwärtig 8,5 Jahren nur um ein Jahr vermindere, spare dies pro Jahr 800 Mio. Liter Kraftstoff, rechnet der Verband vor.

Experten gehen jedoch davon aus, dass sich die Krise der Automobilindustrie noch weiter verschärfen dürfte. Nach Einschätzung der Bamberger Forschungsstelle Automobilwirtschaft (FAW) könnte die Absatzkrise zu einem massiven Arbeitsplatzabbau in der gesamten Branche führen.

Folgen für alle

Im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa wirft der Leiter der Forschungsstelle, Prof. Wolfgang Meinig, der Politik wie den Herstellern schwere Versäumnisse vor. Auf die Frage, welche Bereiche der Branche betroffen sind, sagte Meinig: "Die gesamte Branche steckt in einer tiefgreifenden Krise. Die Talfahrt wird sich in den nächsten Monaten und im nächsten Jahr noch beschleunigen. Betroffen ist die gesamte Wertschöpfungskette von den Herstellern und Zulieferern über die Händler und Autofinanzierungsbanken bis hin zum Verbraucher."

Bislang sei noch nicht abschätzbar, wie viele Arbeitsplätze die Krise kosten wird, so der Auto-Experte weiter. "Aber ich gehe allen Beschwichtigungen zum Trotz davon aus, dass die Arbeitslosigkeit noch in diesem Jahr in Deutschland die Vier-Millionen-Marke überschreiten wird."

"Die Politik hat versagt"

Auch hinsichtlich der Reform der Kfz-Steuer und der Abwrackprämie von 2500 Euro zeigte sich der Wissenschaftler skeptisch: "Ich bin nicht glücklich über das Konjunkturprogramm", sagte Meinig. "In meinen Augen hat die Politik versagt. Die Umstellung der Kfz-Steuer auf den Kohlendioxid-Ausstoß hätte schon vor zwei Jahren kommen müssen. Von der jetzt beschlossenen Neuregelung sind nur Neufahrzeuge betroffen, bei alten Fahrzeugen bleibt alles beim Alten."

Bei der Abwrackprämie sieht Meinig einen grundsätzlichen Fehler in den zugrunde liegenden Annahmen. Er habe "große Zweifel", ob es tatsächlich 600.000 Fahrzeuge gibt, die älter sind als neun Jahre und gleichzeitig weniger wert als 2500 Euro", so Meinig. "Die Verschrottung teurerer Autos kommt einer Wertvernichtung gleich, andererseits führt auch die Produktion neuer Fahrzeuge zu großen Mengen Abfall und einem erheblichen Energieverbrauch."

Auch einen möglichen Missbrauch der staatlichen Konjunkturmaßnahme zieht der Automobil-Professor in Betracht: "Zudem habe ich Zweifel, ob die Schrotthändler nicht der Versuchung unterliegen, die Motoren aus zu verschrottenden Autos auszubauen und nach Osteuropa zu verkaufen."

"Da ist jeder Egoist"

Bei aller Kritik sieht der Experte auch Handlungsspielraum bei den deutschen Herstellern: "Die Industrie muss umgehend kleinere und umweltfreundlichere Autos auf den Markt bringen. Da hätte man viel früher erkennen müssen, wohin die Reise geht. Auch die Produktion von Elektroautos und leistungsfähigerer Batterien hätte viel früher beginnen müssen", stellte Meinig fest. Das Elektroauto sei allerdings keine Patentlösung, da auch der für die Herstellung und die Fahrt benötigte Strom die Umwelt bei der Erzeugung belaste. Zudem fehle es an der nötigen Infrastruktur zum Nachladen der Batterien.

"Die Hersteller schauen zu sehr auf Marktanteile und erst dann auf Umsatzrenditen", sagte Meinig. "Die Zielvorstellungen der Hersteller summieren sich bei den Marktanteilen auf 145 bis 150 Prozent, der Markt gibt aber nur 100 Prozent her".

Konkurrenz erschwert das Geschäft
"Selbst wenn es mit der Abwrackprämie gelänge, den übersättigten Markt zu regulieren", fasst der Automobilforscher seine Überlegungen zusammen, "werden die Hersteller schon nach kurzer Zeit wieder ihre Produktion überziehen. Da gibt es keine kollektive Lernfähigkeit, da ist jeder Egoist."

Quelle: ntv.de

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