Meldungen

Neues Angebot voraus Bahn stellt Weichen

Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) hat sich nach einem überraschend einberufenen Spitzengespräch mit den Konfliktparteien der Bahn zuversichtlich über die Chancen einer raschen Einigung gezeigt. Er hoffe auf eine Einigung bis Mitte der Woche, sagte der Minister in einem Fernsehinterview.

Am Dienstag wollen sich der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Manfred Schell, und die Bahnführung erneut treffen, um das Gespräch fortzusetzen. Tiefensee sagte, er hoffe, dass das Treffen die Grundlage für Verhandlungen bringen werde. Dabei könne es am Ende möglicherweise auch einen eigenständigen Tarifvertrag für die Lokführer geben. Dies ist die zentrale Forderung der GDL.

Die Deutsche Bahn will nach Angaben von Tiefensee der Lokführergewerkschaft GDL ein neues Angebot unterbreiten. "Die Bahn ist bereit, einen Schritt auf die Gewerkschaft der Lokführer zuzugehen und ein neues Angebot zu offerieren", sagte Tiefensee am Montag in Dresden. Ziel sei, "ein Verhandlungsmodell zu schaffen, dass es der GDL ermögliche, die Streiks auszusetzen".

Er sei sich sicher, "dass damit eine neue Phase intensiver Gespräche anbricht". Dann hoffe er, dass diese in sieben bis 14 Tagen in eine konkrete Verhandlungsphase übergehe und in etwa einem Monat ein Ergebnis vorliege. Details sollten aber zunächst nicht in der Öffentlichkeit behandelt werden, sagte der Minister in Dresden auf einer Pressekonferenz. Am Morgen hatten die GDL und der Vorstand der Bahn ein Spitzentreffen am morgigen Dienstag verabredet, um Lösungsmöglichkeiten im festgefahrenen Tarifkonflikt ausloten. Bahnchef Hartmut Mehdorn und der GDL-Vorsitzende Manfred Schell vereinbarten Termin telefonisch, hieß es aus dem bundeseigenen Konzern.

Geheimniskr ämerei

Zu Inhalt, Ort und Zeitpunkt gab es keine Angaben. Laut GDL soll das Treffen an diesem Dienstag an einem geheim gehaltenen Ort stattfinden. Neue Streiks sollen frühestens am Mittwoch stattfinden.

"Unser Ziel ist es, den Tarifkonflikt zu befrieden", teilte GDL-Chef Manfred Schell in Frankfurt mit. Klar sei aber, dass es auf der Basis des bisherigen Angebots keine Tarifverhandlungen geben könne. Das Gespräch solle an einem geheimen Ort stattfinden.

Bahn-Personalvorstand Margret Suckale hatte Schell am Sonntagabend in der Talkshow "Anne Will" neue Verhandlungen auf Grundlage des bestehenden Angebots vom Oktober vorgeschlagen. Es enthält außer einer Einkommenserhöhung von 4,5 Prozent und 600 Euro Einmalzahlung zusätzliche Verdienstmöglichkeiten durch Mehrarbeit und günstigere Dienstpläne.

Bislang beharrt die GDL auf einem eigenständigen Tarifvertrag und stärkeren Einkommensverbesserungen. Suckale machte in der ARD-Sendung jedoch deutlich, dass die Bahn zunächst kein neues Angebot vorlegen werde. "Es liegt ein gutes Angebot vor", sagte Suckale. Auf Grundlage des bestehenden Angebots könne man verhandeln. Der Konzernvorstand stehe dafür bereit. "Wir müssen versuchen, aus der Sackgasse wieder herauszukommen."

Mindestens zehn Prozent Lohnplus

Vor der Sendung hatte Schell in einem RTL-Interview ein zumindest zweistelliges Tarifangebot als Voraussetzung für eine Rückkehr an den Verhandlungstisch genannt. Später sagte er bei "Anne Will", die GDL-Tarifkommission könne etwa ein Angebot von 15 Prozent mehr Lohn sicherlich bejahen. Bei zehn Prozent werde es "schon etwas schwieriger". Ursprünglich hatte die Lokführergewerkschaft ein Lohnplus von 31 Prozent gefordert.

Sollte die Bahn kein neues Angebot vorlegen, könnte die GDL zu einem unbefristeten Streik aufrufen. "Unsere Mitglieder stehen Gewehr bei Fuß", sagte eine GDL-Sprecherin am Sonntag. Der bisher längste Streik der Gewerkschaft in dem seit Monaten schwelenden Tarifkonflikt war in der Nacht zum Samstag nach insgesamt 62 Stunden beendet worden.

Schell warnte vor zu hohen Erwartungen an das Treffen. Seine Erwartungen tendierten "gegen Null". Zugleichte zeigte er sich aber zuversichtlich, dass in den nächsten Wochen eine Verständigung hinzubekommen sei. "Weihnachten werden wir nicht mehr erleben im Streik", sagte er voraus. Bei einer vernünftigen Offerte der Bahn könnten die Tarif-Verhandlungen bereits am Mittwoch beginnen.


Offen blieb, wann es zu neuen Streiks kommen könnte, sollte das angekündigte Spitzengespräch keinen Fortschritt bringen. Eine Hürde zur Einigung stellen die Forderungen der anderen Bahn-Gewerkschaften Transnet und GDBA dar. Bei einem Abschluss mit den Lokführern, der über dem eigenen Ergebnis mit der Bahn liegt, wollen sie entsprechende Einkommensverbesserungen verlangen und notfalls in einen Streik treten.

Transnet-Chef Norbert Hansen sagte gegenüber n-tv: "Eine relativ kleine Gewerkschaft hat eine öffentliche Aufmerksamkeit und einen Sympathiegrad erreicht , der andere Beschäftigte im Unternehmen ziemlich aufregt. Viele stellen sich die Frage, was für sie noch übrig ist, wenn dieser Streik vorbei ist. Wenn dieser Konflikt morgen in die Zielgerade geht oder sogar beendet wird, dann ist der Gesamtkonflikt noch lange nicht beendet. Dann werden wir für die Beschäftigten, die nicht vorne auf der Lok sitzen, Forderungen zu stellen haben. Ein Streik wird nur zu vermeiden sein, wenn es zur Gleichbehandlung der Beschäftigten kommt."

Zugleich schlug er vor, gemeinsam mit Mehdorn und Schell zu verhandeln. "Das Vermittlungsergebnis wird einfach so krass unterschiedlich interpretiert, dass es nicht mehr hilfreich ist. Ich bin gespannt, ob Herr Schell diese Möglichkeit nutzen wird, solidarisch weiter miteinander zu verhandeln und, wenn es sein muss, miteinander zu streiken. Wenn Schell diese Möglichkeit ablehnt, ist das der letzte Beweis, dass es ihm nicht um mehr Geld für die Lokführer geht, sondern darum, sich für seine kleinere Organisation für die Zukunft einen Vorteil zu schaffen. Und dafür darf man nicht streiken."

R üffel für die Bahn

Im Streit zwischen der Lokführer-Gewerkschaft GDL und der Bahn um die Rechtmäßigkeit von Streiks sieht sich das Arbeitsgericht Nürnberg nicht länger als zuständig an. Das Gericht habe das noch anhängige Verfahren an das Arbeitsgericht Frankfurt verwiesen, teilte ein Sprecher mit.

Zugleich erteilten die Richter der Deutschen Bahn einen kräftigen Rüffel: Deren Verhalten, zur Verhinderung von Streiks eine Vielzahl von Arbeitsgerichten anzurufen, sei "willkürlich und rechtsmissbräuchlich". Sachliche Gründe dafür seien nicht erkennbar "außer demjenigen, eine bestimmte Entscheidung erreichen zu wollen."

Gr üne zeigen Verständnis

Der Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Reinhard Bütikofer, zeigte bei n-tv Verständnis für die Forderungen der Lokführer. "Ich glaube, wenn man den europäischen Vergleich zur Kenntnis nimmt, wird man feststellen müssen: Die Lokführer verdienen in Deutschland nicht besonders gut, da ist eine Erhöhung durchaus nachvollziehbar." Weniger Verständnis habe er dagegen für die beabsichtigte Tarif-Zersplitterung. "Ich glaube, das wird die Stabilität der Arbeitbeziehungen in Deutschland insgesamt massiv unterminieren, wenn jetzt in den verschiedensten Bereichen, in den verschiedensten Branchen Klein- und Kleinstgewerkschaften miteinander konkurrieren würden."

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen