Keine Lösung im Gasstreit Barroso platzt der Kragen
14.01.2009, 21:37 UhrIm Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine ist nach wie vor keine Lösung in Sicht. Derweil verschärfte sich der Ton unter den Beteiligten. Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin forderte die Europäische Union eine Woche nach dem Stopp russischer Gaslieferungen durch die Ukraine zu mehr Druck auf Kiew auf. Die EU ihrerseits drohte beiden Ländern mit einer Klagewelle, falls die Gaslieferungen in die Union nicht sofort wieder anlaufen.
EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso platzte angesichts des Streits der Kragen: Er bezeichnete das Ausbleiben der Gaslieferungen trotz entsprechender Zusicherungen Moskaus und Kiews als "inakzeptabel und unglaublich". Ein Krisengipfel am Wochenende in Moskau soll nun Auswege aus dem beispiellosen Energiekonflikt finden.
Zu diesem hat der russische Präsident Dmitri Medwedew alle Länder, die Kunden von Gazprom sind, eingeladen. Putin warf der Ukraine vor, die europäische Gas-Kunden als "Geiseln" zu nehmen. "Kein Transitland hat das Recht, seine Situation so auszunutzen", sagte er in seiner Residenz bei Moskau.
Juschtschenko gibt Moskau Schuld
Die EU-Kommission könne stärkeren Einfluss auf das Transitland ausüben, um die Energiesicherheit in Europa zu gewährleisten, sagte Putin zudem bei einem Treffen mit den Regierungschefs von Bulgarien, der Slowakei und Moldawien in Moskau. Der slowakische Regierungschef Robert Fico sprach bei dem Treffen von einer "kritischen Lage" in seinem Land. "Europa hat gültige Verträge, Russland hat genug Gas, trotzdem geschieht nichts. Das ist absurd." Er forderte Moskau und Kiew auf, den Konflikt sofort zu beenden. "Eure Streitigkeiten interessieren uns nicht, wir wollen Gas", sagte Fico.
Der russische Gasmonopolist Gazprom warf der Ukraine erneut vor, die Durchleitung des Gases Richtung Westen zu blockieren. Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko gab hingegen Russland die ganze Schuld für den Gasstreit und die Unterbrechung der Gaslieferungen nach Europa. Das Problem liege nicht im ukrainischen Transitsystem, sondern in der nicht ausreichenden Gasmenge aus Russland, sagte Juschtschenko nach einem Treffen mit seinem polnischen Kollegen Lech Kaczynski.
Die Ukraine führt "technische Gründe" an, die den Transit von Teilmengen nach Westen bisher unmöglich machten. Zum Betrieb der Verdichterstationen entlang der Strecke wird sogenanntes technisches Gas benötigt. Die Ukraine behält sich das Recht vor, dafür täglich 21 Millionen Kubikmeter abzuzapfen. Russland meint, dass die Ukraine nach Erhalt der Durchleitungsgebühren selbst dafür aufkommen muss. Moskau wirft Kiew im Gasstreit den "Diebstahl" von Gas vor.
Kredit für das "technische Gas"
Nach langer Weigerung erklärte sich der Kiew bereit, für das "technische Gas" zum Betrieb der Transitleitungen zu bezahlen. Allerdings bräuchte die Ukraine dafür einen Kredit, sagte Naftogas- Chef Oleg Dubina. Sobald ein Preis für die russischen Gaslieferungen an die Ukraine ausgehandelt sei, werde die Ukraine bezahlen, versicherte Dubina.
Die EU-Kommission forderte in Brüssel Russland zur Wiederaufnahme der Lieferungen auf. Russland habe am Dienstag wohl "nicht das volle Volumen" zum Transit durch die Ukraine bereitgestellt, kritisierte ein Sprecher. Gazprom bezifferte sein Verlust durch die Gas-Blockade auf 1,2 Mrd. US-Dollar. Etwa 80 Prozent der russischen Lieferungen werden durch ukrainische Leitungen nach Westen gepumpt.
In der Slowakei machte sich nach einer Woche ohne russische Gaslieferungen über die Ukraine Nervosität breit. "Oh Gott, wir werden glatt erfrieren!", titelte die auflagenstärkste Zeitung "Novy Cas" (Neue Zeit). In der Ostslowakei sind seit Montag Elektroheizgeräte ausverkauft. Da Strom- und Gasversorgung in dem EU- Staat voneinander abhängig sind, droht dem Land laut offiziellen Angaben der Kollaps der Energieversorgung. Die Slowakei hält deshalb an Plänen zum Wiederanfahren eines wegen Sicherheitsmängeln abgeschalteten Reaktors im Atomkraftwerk Jaslovske Bohunice fest.
Quelle: ntv.de