Dammbruch im Milchkrieg Bauern setzen sich durch
05.06.2008, 15:59 UhrNach zehn Tagen haben die Milchbauern das Ende ihres Lieferboykotts angekündigt. "Ich fordere Sie auf, ab heute Abend wieder Milch zu liefern", rief der Vorsitzende des Bundesverbands Deutscher Milchviehhalter (BDM), Romuald Schaber, mehreren tausend Bauern zu. Die Milchbauern waren am Brandenburger Tor in Berlin zu einer Protestveranstaltung zusammengekommen.
Nach der angekündigten Preiserhöhung des Discounters Lidl hatten sich zuvor mehrere Handelsketten bereiterklärt, über höhere Preise zu verhandeln. Die letzte Bastionen werde bald fallen, sagte Schaber. Wenig später verkündete Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) den Durchbruch.
Nach Lidl, Rewe, Metro und Edeka sei nun auch der Discounter Aldi Nord verhandlungsbereit, sagte Seehofer. Damit sei "die Voraussetzung für einen flächendeckenden Durchbruch zu neuen und fairen Milchpreisen gegeben", sagte Seehofer. "Ich möchte mich an dieser Stelle bedanken für die Bereitschaft der Wirtschaft, vor kurzem abgeschlossene Verträge sozusagen neu zu verhandeln."
Schaber sagte, nun müsse sichergestellt werden, dass das Geld auch auf den Höfen ankomme. Die Bauern müssten bei der Festlegung der Milchquoten mitreden dürfen. Diese legt fest, wieviel Milch ein Bauer produzieren darf. Schaber sagte, es stehe noch ein langer Kampf bevor. Am Donnerstagabend wollten Vertreter des BDM und des Milchindustrie-Verbands erneut miteinander verhandeln. Die Bauern fordern mindestens 43 Cent pro Liter Milch. Sie hatten dazu ihre Proteste auch am Donnerstag fortgesetzt. In Dresden, Leipzig und Chemnitz, aber auch in Hamburg und Mülheim an der Ruhr versammelten sich Milchbauern nach Polizeiangaben in Innenstädten oder vor Handelszentralen.
Preisdomino im Milchmarkt
Der zweitgrößte deutsche Discounter Lidl war am Mittwoch mit der Ankündigung einer deutlichen Preiserhöhungen im Kreis der wichtigen Lebensmittelhändler vorgeprescht. Am Donnerstag kündigte auch die Handelskette "Kaufland" an, am Montag die Preise für Milch zu erhöhen. Das berichtete die "Heilbronner Stimme".
Aldi Süd kündigte, sich "an den aktuell im Markt diskutierten Erzeugerpreisen" orientieren zu wollen. Konkrete Zahlen wurden aber nicht genannt. Vor den Zentralen der Schwesterunternehmen Aldi Süd in Mülheim und Aldi Nord in Essen demonstrierten erneut Milchbauern, um den führenden deutschen Discounter zum Einlenken zu bewegen. Sie werfen Aldi vor, Ausgangspunkt der massiven Preissenkungen im Frühjahr gewesen zu sein.
In Dresden, Chemnitz und Leipzig demonstrierten den Angaben zufolge Bauern mit bis zu 50 Traktoren für höhere Milchpreise. In Hamburg hielt die Mahnwache von 80 Bauern aus Niedersachsen und Schleswig- Holstein vor der Edeka-Zentrale an. Mehr als 100 Landwirte aus Bayern und dem benachbarten Thüringen zogen vor die Zentrale von Norma in Fürth.
Grundsätzlich gesprächsbereit äußerten sich Sprecher der beiden größten deutschen Lebensmittelhändler, Edeka und Rewe. Eine Edeka-Sprecherin sagte, Voraussetzung sei, dass die höheren Preise voll den Milchbauern zugutekämen. Auch Tengelmann und der Discounter Plus zeigten sich bereit für weitere Gespräche.
Auch die österreichischen Milchbauern beendeten am Donnerstag nach mehreren Tagen ihren Boykott. Der Vorsitzende der Vereinigung IG Milch, Ernst Halbmayer, sagte, Zusagen über höhere Preise oder andere Zugeständnisse habe es bisher nicht zwar nicht gegeben. Die Milchbauern seien aber "von mehreren Seiten ersucht worden, den Druck herauszunehmen."
Milchfriede im Nachbarland
Nach Angaben des BDM-Vorsitzenden Romuald Schaber gehe es jetzt darum, zur Normalität zurückzukehren. Handel und Molkereien dürften sich aber nicht täuschen, drohte Schaber. Wenn sie versuchten, die Bauern bei der Aushandlung der Details aufs Kreuz zulegen, "dann sind wir wieder da".
Tausende Bauern und Verbraucher hatten zuvor auf einer Großkundgebung in Berlin für faire Milchpreise demonstriert. Die Teilnehmerzahl gab der BDM als Veranstalter mit 7.000 an. Ein Teil von ihnen sei mit 250 Traktoren aus dem ganzen Bundesgebiet in die Hauptstadt gekommen, erklärte Schaber.
Es gebe seit dem Lieferboykott eine "unglaubliche Solidarität" unter den Milcherzeugern und in der Bevölkerung, sagte der Präsident. Es sei gelungen, einen Damm zu brechen. "Nach dem Milchlieferstreik wird nichts mehr so sein wie vorher."
Quelle: ntv.de