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Wolfowitz muss gehen Blair als Nachfolger?

Weltbank-Präsident Paul Wolfowitz tritt zum 30. Juni zurück. Das wurde nach dreitägigen Marathon-Beratungen des Exekutivrats der Organisation offiziell mitgeteilt. US-Präsident George W. Bush bedauerte den Schritt in einer ersten Reaktion. Er hätte es lieber gesehen, wenn Wolfowitz im Amt geblieben wäre, akzeptiere aber die Entscheidung.

Der deutsche Exekutivdirektor der Weltbank, Eckhard Deutscher, erhob dagegen schwere Vorwürfe gegen Wolfowitz. "Ich bedauere die Beschädigungen, die Paul Wolfowitz persönlich erlitten hat, aber in viel stärkerem Maße die Beschädigungen, die er der Weltbank zugefügt hat", sagte Deutscher in Washington. Seinen Angaben zufolge wird der Weltbank-Präsident nun nicht am G8-Gipfel Anfang Juni teilnehmen.

Wolfowitz seinerseits betonte, es sei an der Zeit, einen "Weg vorwärts" zu finden. Die Ärmsten auf der Welt vor allem in Afrika verdienten "das Beste, was wir bieten können". Vor diesem Hintergrund sei er zu dem Schluss gekommen, dass es am besten wäre, wenn diese Mission unter einer neuen Führung fortgesetzt werde.

Blair angeblich als neuer Weltbank-Präsident im Gespräch

Der scheidende britische Premierminister Tony Blair ist nach Angaben eines prominenten US-Finanzexperten als möglicher Nachfolger an der Weltbank-Spitze im Gespräch. "Er ist klar einer der Leute, über die gesprochen wird", sagte der Wirtschafts-Nobelpreisträger und frühere Chefökonom der Weltbank, Joe Stiglitz. Blair hatte im Mai seinen Rücktritt als Regierungschef zum 27. Juni erklärt. Er selbst würde sich allerdings nicht für Blair entscheiden, sagte Stiglitz. "Ich würde die Prioritätenliste mit jemandem beginnen, der wirklich Erfahrung in der Entwicklungszusammenarbeit hat." Gegen Blair spricht allerdings auch seine Nationalität: Traditionell wird das Amt des Weltbank-Präsidenten von den USA besetzt, die größter Kapitalgeber der Bank sind.

Beförderung der Lebensgefährtin mit gutem Gewissen

Der 63-jährige Wolfowitz war wegen Beförderung seiner ebenfalls bei der Bank Lebensgefährtin beschäftigten Shaha Riza auf einen weitaus höher bezahlten Posten unter schweren Beschuss vor allem der Europäer geraten. In den vergangenen Tagen hatten sich die US-Regierung zusammen mit dem Exekutivrat und Wolfowitz selbst um einen Kompromiss bemüht, um einen offenen Bruch innerhalb des Führungsgremiums zu vermeiden und dem ehemaligen Vizeverteidigungsminister einen freiwilligen Rückzug ohne weiteren Gesichtsverlust zu ermöglichen.

In einer veröffentlichten Erklärung des 24-köpfigen Exekutivrats hieß es nun, Wolfowitz habe dem Führungsgremium versichert, dass er ethisch und nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe. "Wir akzeptieren dies", hieß es wörtlich. Akzeptiert werde auch, dass andere an dem Vorgang Beteiligte ebenfalls ethisch gehandelt hätten. Im vorliegenden Fall hätten jedoch "eine Reihe von Einzelpersonen eine Reihe Fehler" begangen und sich die Bankregularien als nicht robust genug für die Belastungen erwiesen, denen sie ausgesetzt gewesen seien. Als Konsequenz müssten die geltenden Regeln und Standards überprüft werden.

Kampf bis zur letzten Minute

Wolfowitz hatte bis vor Kurzem entschieden um den Verbleib auf dem Posten gekämpft, für den ihn Bush 2005 ausgewählt hatte. Er werde nicht "unter einer dunklen Wolke" zurücktreten, sagte der Bank-Präsident, der zuvor im Pentagon einer der "Architekten" des Irakkrieges gewesen war. Gegen die Vorwürfe der Begünstigung seiner Lebensgefährtin verteidigte er sich mit dem Argument, er habe den Ethikausschuss der Bank vor seinem Amtsantritt über den Interessenkonflikt informiert und dann bei dem Arrangement für Riza auf einen informellen Rat des Gremiums hin gehandelt.

Deutscher betonte, Wolfowitz sei durch die Art und Weise, wie er die Organisation geführt hat, untragbar geworden. Wolfowitz habe gegen Ethik- und Personalvorschriften der Bank verstoßen. Der 63-Jährige habe zudem wissentlich falsche Darstellungen in der Presse über die Affäre gebilligt, ohne Rücksicht auf Schaden für die Weltbank um seine Position gekämpft sowie Vertraulichkeitsregeln des Weltbank-Exekutivrats ignoriert. Von der Weltbank hätte Schaden abgewendet werden können, wäre Wolfowitz dem Rat von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) gefolgt, bereits zum Beginn der Krise zurückzutreten, sagte Deutscher.

Die internationale Entwicklungshilfeorganisation OXFAM forderte unterdessen neue Prozeduren bei der Bestimmung des Nachfolgers gefordert. Der nächste Präsident der Bank müsse in einer "angemessenen offenen und verantwortlichen" Weise gewählt werden, hieß es in einer am Donnerstagabend veröffentlichten Erklärung. "Das bisherige ungerechte Arrangement, dem zufolge die USA das Recht zur Bestimmung der Weltbank-Führung haben und die Europäer über die Spitze der Internationalen Währungsfonds entscheiden, muss enden."

Die Organisation, die in mehr als 100 Ländern rund 3000 Projekte unterstützt, beklagt im Einzelnen, dass die bisherige Praxis ohne Konsultationen die armen Länder benachteiligt habe, die die Hauptklienten der Bank und des IWF seien. Wenn die Bank eine effektive internationale Institution sein wolle, müsse Wolfowitz' Nachfolger ein Präsident für alle Staaten sein.

Quelle: ntv.de

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