US-Autobauer am Ende? Bush soll helfen
12.12.2008, 14:17 UhrIn den USA gibt es neue Hoffnung auf eine staatliche Rettung der existenzbedrohten Autobauer. Das Weiße Haus will nach Angaben von Präsidentensprecherin Dana Perino nun doch prüfen, ob der Kredit für die Autobauer aus dem bereits beschlossenen 700 Mrd. US-Dollar schweren Rettungspaket für den Bankensektor finanziert werden kann. Ein Rückgriff auf diese Gelder sei denkbar, "um einen Kollaps der angeschlagenen Autobauer abzuwenden", sagte Perino vor Journalisten im Präsidentenflugzeug Air Force One.
Bislang hatte das Weiße Haus einen solchen Schritt abgelehnt und die Verabschiedung eines 14 Mrd. Dollar umfassenden Kreditpakets durch den Kongress befürwortet. Dieses war jedoch in der Nacht zuvor am Widerstand von Senatoren aus Bushs Republikanischer Partei gescheitert. Perino rechtfertigte den neuen Ansatz mit dem Zustand der US-Konjunktur, die "derart geschwächt" sei, "dass sie den Schlag durch einen ungeordneten Bankrott der Autobranche nicht verkraften könnte."
GM schwer angeschlagen
Nach dem Scheitern des Rettungsplans droht vor allem dem Opel- Mutterkonzern General Motors und der ehemaligen Daimler-Tochter Chrysler akut eine Insolvenz. Beide hatten gewarnt, dass sie Milliarden-Hilfen noch im Dezember brauchen. Die Republikaner im US- Senat kippten aber die geplanten Not-Kredite. GM engagierte laut einem Zeitungsbericht bereits Insolvenzberater. Ford, der dritte große US-Autobauer, gilt vorerst als etwas weniger gefährdet.
GM und Chrysler müssen nun vor allem darauf hoffen, dass das Weiße Haus ihnen doch noch Zugang zu dem Rettungspaket eröffnet, das eigentlich für die Finanzbranche gedacht ist. Die Demokraten hatten dies schon lange gefordert. "Das ist derzeit die einzig gangbare Option", meinte die demokratische Präsidentin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi. "Plan B ist der Präsident", sagte Senator Carl Levin. Bisher hat US-Präsident George W. Bush diese Idee zurückgewiesen. Das Weiße Haus äußerte sich "enttäuscht" über das Scheitern des Rettungsplans im Senat.
Den Republikanern im Senat gingen die Zugeständnisse der Autoindustrie insbesondere beim geforderten Schuldenabbau und der Reduzierung von Löhnen und Gehältern nicht weit genug. Senator Bob Corker beschuldigte vor allem die Autoarbeiter-Gewerkschaft UAW, für das Scheitern des Rettungsplans verantwortlich zu sein. Die am Donnerstag im Kongress anwesenden UAW-Spitzenfunktionäre hätten sich geweigert, einer Senkung der Lohnkosten bei den US-Autobauern auf das Niveau der japanischen Hersteller in den USA vor 2011 zuzustimmen.
Pelosi nannte das Handeln der Republikaner angesichts der großen Kompromissbereitschaft aller Seiten und der US-Wirtschaftskrise unverantwortlich. "Die Konsequenzen können nun verheerend für die Wirtschaft sein". Vergeblich hatte auch der künftige US-Präsident Barack Obama die Senatoren aufgefordert, die US-Autohersteller zu retten. "Wir können nicht einfach danebenstehen und zuschauen, wie die Industrie zusammenbricht", sagte er. Ein Verschwinden der US- Autobranche könne eine "verheerende Kettenreaktion" auslösen.
Hoffen auf Obama
Die US-Autobauer verbrennen derzeit ihre Bargeld-Reserven. In der Finanz- und Konjunkturkrise ist der Absatz massiv eingebrochen und die zusammengeschmolzenen Einnahmen aus dem Tagesgeschäft reichen nicht aus, um die laufenden Kosten zu decken. Nun erwägen die Autobauer der "USA Today" zufolge, für mehrere Wochen ihre Geschäftstätigkeit weitgehend einzustellen, um eine finanzielle Atempause vor dem Amtsantritt Obamas zu erhalten. Der Demokrat legt am 20. Januar seinen Amtseid als Präsident ab.
Wie schnell GM und Chrysler das Geld ausgehen könnte, ist unklar. Bevor sie zuletzt eilige Kredite noch im Dezember gefordert hatten, hieß es noch, sie könnten bis ins nächste Jahr durchhalten. Insgesamt hatten die "großen drei" GM, Ford und Chrysler um staatliche Kredite von 34 Mrd. US-Dollar gebeten, die bis Ende 2009 ausgezahlt werden sollten. Ford gilt als solider finanziert.
Eine Insolvenz wollten die Autobosse bisher um jeden Preis vermeiden, obwohl sie in den USA oft zur Sanierung angeschlagener Unternehmen eingesetzt wird. Unter dem sogenannten Gläubigerschutz nach Kapitel elf des US-Insolvenzrechts können Firmen die Bedienung ihrer Schulden aussetzen und sich in Ruhe sanieren. Unter anderem so gut wie alle US-Fluggesellschaften hatten dies schon gemacht.
Vor allem GM-Chef Rick Wagoner glaubt aber, selbst eine Insolvenz mit Gläubigerschutz könnte für einen Autohersteller tödlich ausgehen. Die Verbraucher würden keine Autos von einer Firma kaufen, die verschwinden könnte, argumentiert der Chef der Opel-Mutter.
General Motors kürzt seine Produktion im ersten Quartal 2009 um weitere 250.000 Fahrzeuge. Damit werde der Ausstoß im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 60 Prozent sinken. teilte der Opel-Mutterkonzern am Freitag mit. Der Schritt sei die Konsequenz aus der kollabierten Nachfrage auf dem Heimatmarkt. Mit den neuen Einschnitten baut die einstige Nummer Eins der Branche weniger Autos als der Rivale Ford, der bislang bei den Verkaufszahlen in den USA hinter GM und Branchenführer Toyota auf Platz drei liegt. Auch Chrysler-Chef Bob Nardelli sagte, sein Unternehmen werde weiter Kosten senken, um wieder profitabel zu werden. Details zu möglichen Sparplänen nannte er nicht.
VDA hält neuen Anlauf für möglich
Für die deutschen Autobauer sind die Konsequenzen noch nicht absehbar. Bei Daimler möchte man sich "generell nicht zu politischen Vorgängen äußern", heißt es gegenüber n-tv.de. Grund ist aber auch, dass man in Stuttgart nicht ausschließt, dass in den USA angesichts der akuten Lage doch noch eine Finanzspritze kommen könnte. Man verweist auf den Verband der deutschen Automobilindustrie.
Dort hatte sich VDA-Präsident Matthias Wissmann bereits in dieser Woche vehement für eine Gleichbehandlung aller in den USA produzierenden Unternehmen eingesetzt. "Zum jetzigen Zeitpunkt wollen wir uns noch nicht dazu äußern, da wir davon ausgehen, dass die gestrige Aktion noch nicht das Ende war", heißt es von Seiten des VDA gegenüber n-tv.de. Im Verband herrscht die Überzeugung, dass es einen weiteren Anlauf geben wird.
Richtig ernst könnte es allerdings für die deutschen Ableger von Ford und General Motors, namentlich Opel, werden. Bei Ford ist man noch relativ entspannt. Der US-Mutterkonzern befindet sich finanziell in einer vergleichsweise entspannten Lage. Bis Ende des kommenden Jahres werden die finanziellen Reserven noch reichen. Zudem hat man beim traditionsreichen Konzern früh auf die Krise reagiert. Einige vielversprechenden Produkte sind in der Pipeline. Highlight könnte ein Transporter auf Basis des Transit werden. Die europäische Modellpalette ist ansonsten sehr gut aufgestellt. Mit dem Ka wird im kommenden Jahr das letzte Volumenmodell neu aufgelegt.
Harter Sparkurs bei Opel
Bei Opel sieht es schlechter aus. Aktionismus hat sich schon in den letzten Wochen breit gemacht. Vor gut zwei Wochen wurde mit Unterstützung von Bundesverkehrsminister Tiefensee ein Wasserstoffauto vorgestellt. Experten sehen die Veranstaltung als reine PR-Aktion. Keine Zukunft, zu teuer und zu spät, sagen Branchen-Insider. Über das gescheiterte Rettungspaket zeigt man sich in Rüsselsheim "enttäuscht". Der Betriebsrats-Vorsitzende sagte dem "Handelsblatt": "Es wäre schön gewesen, wenn wir endlich ein bisschen Sicherheit bekommen hätten."
Ein verständlicher Wunsch, zumal die Zukunft der Opelaner nach dem gestrigen Tag unsicherer denn je ist. Klar ist bisher nur, dass in Europa signifikante Einsparungen anstehen. In allen Bereichen, so heißt es von Opel-Seite, wird jetzt der Geldhahn zugedreht. Das könnte dem gerade wieder Morgenluft schnuppernden Opel-Konzern auf lange Sicht ebenfalls die Luft abdrehen. Denn ohne Marketing, vernünftige Pressearbeit und langfristige Perspektiven für die Händler wird sich auch ein von der Fachwelt anerkanntes Modell wie der neue Insignia nicht richtig verkaufen lassen.
Spekulationen über BMW-Interesse an Opel
In der Branche rumort es schon seit längerem, dass sich die Mehrheitseignerin von BMW, Susanne Klatten, an einer Übernahme von Opel interessiert zeigen könnte. Bei BMW verweist man gegenüber n-tv.de angesichts solcher Spekulationen auf die "Strategie Nummer Eins", die Ende des dritten Quartals 2008 vorgestellt wurde. Im Zuge dieser Überlegungen habe man Akquisitionen einiger Konkurrenten geprüft und als nicht dienlich verworfen. Für die Eigentümer-Familie Klatten will man bei BMW natürlich nicht sprechen. Dort war niemand für eine Stellungnahme zu erreichen. Die beiden Firmen würden von ihrer Modellpalette her gut zusammen passen. Zumal der Premiumhersteller einige Probleme bekommen dürfte, die kürzlich beschlossenen Grenzwerte von 120 Gramm CO2 im Flottendurchschnitt in sechs Jahren zu erreichen.
Wie weit mögliche Pleiten von Zulieferern auch die Produktion deutscher Autobauer treffen könnte, ist bisher unklar. Die Frage von n-tv.de, ob bei einer Pleite eines großen Zulieferers wie Leoni auch in Deutschland ungewollt Bänder still stehen könnten, verweist man in München in das Reich der Spekulationen. Es wird jedoch betont, dass man ständig über die Diversifizierung der Produktionsprozesse und Zuliefererkette nachdenke, auch in guten Zeiten. Konkrete Maßnahmen gäbe es aber derzeit nicht. Wahrscheinlich will man damit auch eine weitere Verunsicherung in der gebeutelten Branche verhindern.
Quelle: ntv.de