Staatseinstieg abgesegnet Coba kämpft sich durch
17.05.2009, 12:57 UhrDer Einstieg des Staates bei der angeschlagenen Commerzbank ist perfekt. Nach zweitägiger Debatte und teils harscher Kritik billigten die Aktionäre des Dax-Konzerns bei der Hauptversammlung am Wochenende in Frankfurt die dafür nötige Kapitalerhöhung mit 97,7 Prozent Zustimmung, wie die Commerzbank mitteilte. Der Bund stützt die Bank über den Bankenrettungsfonds SoFFin mit 18,2 Mrd. Euro Kapital. Im Gegenzug wird der Staat mit 25 Prozent plus einer Aktie größter Einzelaktionär.
Deutschlands zweitgrößte Bank war wegen der Finanzkrise und der Übernahme der problembehafteten Dresdner Bank in Schwierigkeiten geraten. Vorstand und Aufsichtsrat wurden mit großer Mehrheit entlastet. Commerzbank-Chef Martin Blessing hatte das umstrittene Geschäft zuvor erneut verteidigt: "Aus unserer Sicht ist der Zusammenschluss von Commerzbank und Dresdner Bank nach wie vor strategisch sinnvoll." Mittelfristig erwarte die Commerzbank aus der größten Fusion in der Finanzbranche seit Jahren Synergien von fünf Mrd. Euro. Auf der Kostenseite werde die Fusion schon 2009 rund 200 Mio. Euro bringen, 2010 dann rund 800 Mio. Euro.
Dass die im Sommer mitten in der Finanzkrise vereinbarte Übernahme der Dresdner Bank letztlich durch den Staat abgesichert werden musste, sei auch für die Commerzbank unerwartet gekommen, sagte Blessing vor etwa 2.700 Aktionären. Er räumte ein, trotz intensiver Prüfung sei nicht vorhersehbar gewesen, "in welch einem Ausmaß und in welcher Geschwindigkeit sich die in den Büchern der Dresdner Bank enthaltenen Risiken realisieren würden". In der Finanzkrise insgesamt habe auch die Commerzbank Fehler gemacht. Die Mittel des SoFFin stabilisierten die Bank auf Dauer, sagte Blessing. Weitere Staatshilfe benötige das Institut nach derzeitigem Stand nicht.
Verärgerte Aktionäre
Viele Aktionäre zeigten sich verärgert, dass das Management die angeschlagene Dresdner Bank ohne ihre Zustimmung kaufte, dem Dax-Konzern damit erhebliche Probleme bescherte und die Aktionäre mindestens für die Jahre 2008 und 2009 um jegliche Dividende brachte. "Die Übernahme der Dresdner Bank ist eine der Hauptursachen der gegenwärtigen Misere", klagte Klaus Nieding von der Aktionärsvereinigung DSW. Schon seit Jahren habe Deutschlands zweitgrößte Bank, die immer als Übernahmekandidatin galt, über ihre Verhältnisse gelebt: "Musste es denn wirklich das größte Bürohochhaus nicht nur in Frankfurt, sondern gleich in Europa sein, der größte Handelssaal, der größte Immobilienfinanzierer Europas unter dem Dach der Eurohypo?" Mit dem Kauf des Allianz-Sorgenkindes Dresdner sei die Commerzbank, die zum Branchenprimus Deutsche Bank aufschließen wollte, zum "Sanierungsfall" geworden, schimpfte Nieding.
Die EU-Kommission hatte die staatliche Hilfe nur unter strengen Auflagen genehmigt. So muss die Commerzbank schlanker werden und etwa die Immobilientochter Eurohypo verkaufen. "Es gibt keine Pläne oder Überlegungen, die Eurohypo mit einer anderen Bank zusammenzubringen", sagte Blessing.
Ein Kleinaktionär beschimpfte Blessing als "Kapitalvernichter, Kursvernichter, Schande-Vorstand". Aktionär Winfried Lubos, der erfolglos eine Sonderprüfung des Dresdner-Kaufs verlangte, klagte, 80 Prozent seines Kapitals seien vernichtet: "Die Commerzbank ist zur Müllhalde für besonders giftige Beteiligungen der Allianz mutiert."
Tatsächlich sackte der Commerzbank-Kurs seit Blessings Amtsantritt vor genau einem Jahr um 78 Prozent ab. Blessing selbst rechnete vor: Der Börsenwert der Commerzbank brach von 15,3 Mrd. Euro im Mai 2008 auf aktuell 4,7 Mrd. Euro ein. Die Dresdner Bank ist mit 4,66 Milliarden Euro gerade noch so viel wert, wie die Commerzbank für sie bezahlte (4,67 Mrd Euro).
Die Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) monierte zwar auch das "katastrophale Ergebnis", das Blessing nach seinem ersten Jahr an der Konzernspitze präsentierte. Der Dresdner-Kauf sei aber "unter langfristigen Gesichtspunkten wahrscheinlich richtig", befand SdK- Vertreter Hansgeorg Martius. Wolfgang Aleff von der Gesellschaft für Wertpapierinteressenten nannte den Kauf gar "absolut unumgänglich" und meinte zum staatlichen Rettungsschirm: "Wir stehen zwar im Regen, aber immerhin mit Schirm."
Rote Zahlen voraus
Blessing räumte ein, die Dresdner-Integration mit ihrem Rekordverlust von 6,3 Mrd. Euro im vergangenen Jahr werde auch 2009 das Ergebnis belasten. "Das Jahr wird schwierig werden - und für uns im Zeichen der Doppelbelastung aus Wirtschafts- und Finanzkrise sowie der Integration der Dresdner Bank stehen", sagte er. "Allein die Restrukturierungskosten für die Integration dürften bei rund zwei Mrd. Euro liegen." Insgesamt erwartet die Commerzbank in diesem Jahr rote Zahlen, nachdem 2008 dank eines Steuereffekts gerade noch ein Mini-Gewinn von drei Mio. Euro erreicht worden war.
Ab 2011 strebt der Konzern wieder Gewinne an, ab 2012 soll jährlich ein operatives Ergebnis von mehr als vier Mrd. Euro erzielt werden. Nach der von der Hauptversammlung gebilligten Kapitalerhöhung werden 295 Mio. neue Aktien ohne Bezugsrecht für die übrigen Aktionäre zum Preis von sechs Euro pro Stück ausgegeben. Den Antrag von Aktionären, den Dresdner-Kauf per Sonderprüfung unter die Lupe zu nehmen, lehnte die Hauptversammlung mit 89,5 Prozent des vertretenen Kapitals ab. Allerdings waren nur etwas mehr als 38 Prozent des Grundkapitals vertreten.
Quelle: ntv.de, dpa