"Rechtswidriger Zugriff" Conti gibt Contra
16.07.2008, 11:15 UhrDer Autozulieferer Continental lehnt das Übernahmeangebot der Schaeffler Gruppe ab. "Die opportunistische Offerte spiegelt den wahren Wert des Unternehmens nicht annähernd wider", teilte der Konzern am Mittwoch mit.
"Die industrielle Logik dieses Vorstoßes überzeugt nicht." Schaeffler habe sich auf "rechtswidrige Weise" angeschlichen, um die Kontrolle über Continental zu erlangen. Conti wirft Schaeffler vor, sich mit Hilfe von Banken und Derivate-Positionen Zugriff auf 36 Prozent des Conti-Kapitals verschafft zu haben.
Die Arbeitnehmervertreter von Conti hatten den Übernahmeversuch bereits am Vortag als feindlich bezeichnet. Der Conti-Aufsichtsrat will möglicherweise in der kommenden Woche über Abwehrmaßnahmen beraten.
Trickreich onder rechtswidrig?
Nach Einschätzung des Börsenexperten Wolfgang Gerke ist der Verstoß des fränkischen Schaeffler-Konzerns nicht rechtswidrig. "Das ist trickreich gemacht, aber ich sehe es als legal an", sagte Gerke. Er erwarte deshalb auch kein Eingreifen der Finanzaufsicht BaFin.
Schaeffler bietet den Conti-Aktionären mindestens 69,37 Euro für ihre Anteilscheine. "Conti-Aktien sind billig, es ist eine gute Zeit zu kaufen", sagte der Vorsitzende der Schaeffler-Geschäftsleitung, Jürgen Geißinger, am Dienstag. Der Aktienkurs von Conti hatte sich unter dem Druck steigender Rohstoffkosten und der Integration der für 11,4 Mrd. Euro übernommenen Siemens VDO in den vergangenen zwölf Monaten halbiert.
Schaeffler hat es nach eigenen Angaben nicht unbedingt auf den ganzen Konzern abgesehen. "Unser Ziel ist eine strategische Beteiligung, nicht notwendigerweise eine Mehrheit", sagte Geißinger. Schaeffler werde ein langfristiger Investor sein: "Wir verfolgen unsere Ziele mit langem Atem", sagte der Konzernchef.
Nur ein Pseudo-Angebot?
Analysten zeigten sich von Contis Ablehnung wenig überrascht. "Wir haben die Ablehnung erwartet", sagte Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) mit Blick auf den gebotenen Preis von 69,37 Euro je Conti-Aktie. Auch die Nord/LB bezeichnete den Preis als zu niedrig. "Das Schaeffler-Angebot ist ein Pseudo-Angebot, mit dem man die Pflicht aushebeln will. Das ist ähnlich wie Porsche und Volkswagen." Analysten halten als Preis 80 bis 100 Euro für angemessen.
Der Autoexperte der Nord/LB Frank Schwope hält das Übernahmeangebot von Schaeffler ebenfalls für unglaubwürdig. Nach seiner Einschätzung spekuliert Schaeffler damit, dass sich der Kurs der Conti-Aktie abkühlen wird, und wolle dann nach und nach weiter zukaufen. Versicherungen, dass man nicht notwendigerweise die Mehrheit anstrebe, das Unternehmen nicht zerschlagen und die Arbeitsplätze erhalten wolle, seien nur "das übliche Geplänkel", sagte Schwope in Hannover. "Sie setzen auf den Faktor Zeit."
Schwope geht davon aus, dass Schaeffler bei einer Übernahme von Conti versuchen wird, die Reifensparte zu verkaufen, um den Kauf zu refinanzieren. Die könnte allein fünf bis 10,0 Mrd. Euro einbringen, so der Autoexperte. Möglicherweise habe Schaeffler sogar schon Interessenten dafür. "Das ist ein Pseudo-Angebot", sagte Schwope weiter. Dies zeige sich schon an der Höhe des Gebots, das unter dem VDO- Kaufpreis und unter der aktuellen Marktkapitalisierung liegt.
Auch er sieht die Parallele zu VW und Porsche. Auch der Stuttgarter Sportwagenbauer, der demnächst die Mehrheit bei VW übernehmen wird, hatte seinen Anteil nach und nach ausgebaut - und zunächst wiederholt versichert, die Mehrheit nicht anzustreben.
Gewerkschaft: Conti hat geschlafen
Nach dem Übernahmeangebot für Continental hat die Gewerkschaft IG BCE der Conti-Führung Versäumnisse vorgeworfen. "Man muss schon fragen, welche Vorsorge Conti-Chef Manfred Wennemer getroffen hat", sagte der Vorsitzende der Gewerkschaft IG BCE, Hubertus Schmoldt, der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung".
Nach der Übernahme der Siemens-Sparte VDO und der Aufnahme "riesiger Kredite" habe Wennemer damit rechnen müssen, "dass andere auch Monopoly spielen". Für diesen Fall hätte sich Wennemer in Kooperation mit Banken absichern müssen. "Und zwar so, dass er einen Übernahmeversuch verhindern kann."
Die Gewerkschaft IG BCE befürchtet nach wie vor, dass Continental zerschlagen werden soll. Die Art und Weise, wie Schaeffler bei der Aktienbeschaffung vorgegangen sei, bestätige die schlimmsten Befürchtungen, sagte Schmoldt. Der Gewerkschaftschef geht davon aus, "dass man die Conti filetieren und Teile, also etwa das Reifengeschäft, verkaufen wird". Die IG BCE werde daher in Zusammenarbeit mit der IG Metall alles daran setzen, die Übernahme zu vereiteln.
Quelle: ntv.de