Finanzagentur feiert Geburtstag Die Herren der Schulden
28.09.2010, 06:33 UhrÜber eine Billion Euro hat Deutschland Schulden bei privaten und institutionellen Gläubigern. Das aufwendige Management der Verbindlichkeiten erledigt die Finanzagentur des Bundes in Frankfurt. Jetzt wird sie zehn Jahre alt - und bekommt ein besonderes Geschenk.

Die Tagesanleihe des Bundes, die dank "Günther Schild, Finanzexperte" zu Krisenzeiten beliebt war, stürzte später in ein Zinstal herab.
1.721.200.000.000 Euro sind eine Menge Geld und eine Summe, die sich die wenigsten Menschen vorstellen können. Die große Zahl beziffert die Schulden der Bundesrepublik Deutschland für das erste Halbjahr 2010 und sie lässt Männer wie Carsten Lehr und Carl Heinz Daube dennoch ruhig schlafen. Die beiden sind Geschäftsführer der "Bundesrepublik Deutschland - Finanzagentur GmbH" in Frankfurt und damit Herren der Schulden. Seit zehn Jahren jongliert die Agentur mit Anleihen, Bundesschatzbriefen und -obligationen, um dem Staat jederzeit die benötigten Milliarden zum Beispiel zur Bankenrettung zu verschaffen.
Eine preußische Idee
Die heute vom Bundestag kontrollierte Institution im vollen Bundesbesitz kann auf eine lange Geschichte zurückblicken: Schon zum Jahr 1820 war das Königreich Preußen auf die Idee gekommen, für die Schuldenverwaltung eine "ganz abgesonderte Behörde" zu gründen. Über die Reichsschuldenverwaltung (1900) und die Bundesschuldenverwaltung (1949) bekam die Institution am 19. September 2000 ihre heutige Rechtsform und den freundlicheren Namen Finanzagentur. Sie residiert in einem unscheinbaren Zweckbau in der Frankfurter Büro-Vorstadt Heddernheim. Dort wird am 28. September das Jubiläum gefeiert.
Der Bestseller Bundesschatzbrief ist erst seit gut 40 Jahren im Angebot, vorher gab es gar kein Privatkundengeschäft. Die Anlagemöglichkeiten für die Bürger machen zwar kaum ein Prozent der Gesamtschulden des Bundes aus, prägen aber gleichwohl die Wahrnehmung. Neben den Schatzbrieftypen A (jährliche Zinsausschüttung) und B (Zinsen erst am Ende der Laufzeit) gibt es für Privatleute noch Finanzierungsschätze, Bundesobligationen und seit 2008 auch eine Tagesanleihe.
Bedenkliche Konkurrenz
Die Tagesanleihe war das erste neue Bundeswertpapier für Privatanleger seit fast 30 Jahren. In großem Stil wollte der Bund auf dem lukrativen Tagesgeldmarkt Privatkunden locken und so Banken und Sparkassen Konkurrenz machen. "Ordnungspolitisch äußerst bedenklich" nannten Kritiker wie die CDU-Politiker Steffen Kampeter und Otto Bernhardt diesen Schachzug und bezweifelten, dass das Privatkundengeschäft einen wirklich zählbaren Beitrag zur Finanzierung der Bundesschuld beitragen kann.
Tatsächlich blieb die Resonanz bescheiden. Aber: "Viele Menschen wissen gar nicht, dass sie Bundeswertpapiere halten", sagt Agentursprecher Boris Knapp. Wer beispielsweise eine Riester- Police besitze, die an einen europäischen Rentenfonds gebunden ist, sei damit auch automatisch Gläubiger der Bundesrepublik. Die institutionellen Anleger geben ihre Bundesanleihen über die diversen Finanzprodukte sofort an den Markt weiter.
Bund muss weniger Schulden machen
Zum Geburtstag kann sich die Finanzagentur etwas Ruhe gönnen: Der Bund muss sich angesichts der kräftigen Konjunkturerholung zum Jahresende deutlich weniger Geld am Markt leihen. Erhöhte Einnahmen und sinkende Ausgaben ließen den Kapitalbedarf spürbar sinken, berichtet Geschäftsführer Daube. Insgesamt komme der Bund im vierten Quartal mit 60 Mrd. Euro an frischem Geld aus, das sind 29 Mrd. Euro weniger, als in einem ersten Entwurf angekündigt.
Experten hatten zwar mit einer Reduzierung des Emissionsvolumens gerechnet, das Ausmaß kam allerdings überraschend. "Das ist mit Abstand die größte Korrektur, die wir je gesehen haben", sagte Kornelius Purps, Anleiheexperte der HypoVereinsbank. Für die Kreditaufnahme im kommenden Jahr wagt die Finanzagentur des Bundes allerdings noch keine Prognose. "Das hänge auch von den Ergebnissen der Haushaltsberatungen ab", so Daube. Ein Sprecher des Finanzministeriums hatte vor wenigen Wochen das Emissionsvolumen für 2011 auf 320 Mrd. Euro beziffert, allerdings war er dabei noch von einer Neuverschuldung 2011 von 57,5 Mrd. Euro ausgegangen. In der Koalition besteht jedoch die Hoffnung, dass das Defizit Ende kommenden Jahres eher bei 50 Mrd. Euro liegen könnte.
Die Entwicklung an den Märkten kommt dem Bund dabei gelegen. Angesichts der angespannten Finanzlage in einigen Euro-Ländern sind keine kräftige Renditeanstiege zu erwarten. Da bleiben gleichzeitig die Staatsanleihen auch für Anleger interessant – denn die Agentur muss dem Staat hohe Zinskosten ersparen und kann daher nicht wie die Geschäftsbanken einzelne Produkte subventionieren. "Alle Produkte müssen unter der Zinskurve bleiben." Dennoch werden die Papiere des Bundes als sichere Anlagen gefragt bleiben, auch wenn ein Run darauf wie in der Finanzkrise sich wohl so schnell nicht wiederholen wird.
Quelle: ntv.de, sla/dpa/rts