Frust bei der WTO Doha-Runde steht still
24.07.2008, 23:02 UhrDie seit Montag laufenden Gespräche bei der Welthandelsorganisation (WTO) kommen kaum voran. Nach einer turbulenten Nachtsitzung setzten die rund 40 Minister, die derzeit in Genf im Namen von 153 WTO-Mitgliedsstaaten auf einen Abschluss der Doha-Handelsrunde hinarbeiten, darauf, dass niemand vorzeitig die Verhandlungen abbricht. Brasiliens Staatspräsident Luiz Incio Lula da Silva forderte die USA und die EU auf, bessere Agrarangebote zu unterbreiten. Andernfalls sei der gesamte Prozess in Gefahr und es werde kein Abkommen geben, sagte Lula in Brasilia. Für Bundeswirtschaftsminister Michael Glos sind neue Marktchancen für die deutsche Industrie bei einem Abkommen unverzichtbar. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner warnte die EU-Kommission vor weiteren Zugeständnissen im Agrarbereich.
Glos geht davon aus, dass eine Einigung über eine weitere Liberalisierung des Welthandels trotz großer Meinungsunterschiede noch möglich ist. Alle müssten sich weiter bewegen, sagte Glos. Allerdings gebe es auch unverzichtbare Forderungen. Da etwa Industriegüter rund 70 Prozent des Welthandels ausmachten, müssten dafür bei der Doha-Runde Verbesserungen erreicht werden. "Unsere Autoindustrie darf nicht Leid tragend sein, sondern muss im Gegenteil neue Marktchancen erhalten", sagte Glos. "Das ist für mich unverzichtbar."
Abbau von Agrarsubventionen Bedingung
Kritik gab es für den Verhandlungsführer, WTO-Generaldirektor Pascal Lamy. Er versucht, die seit knapp sieben Jahren stockende Doha-Handelsrunde für einen freieren Marktzugang von Agrar- und Industriegütern reif für einen Abschluss Ende dieses Jahres zu machen. Dafür hat er kleine Gruppen gebildet, und ließ zunächst nur Vertreter von sieben Ländergruppen, wie die EU und die USA, Australien und Japan sowie Brasilien, Indien und China diskutieren. Dies wurde von anderen, an den Beratungen nicht beteiligten Ländern der 153 WTO-Staaten zum Teil heftig kritisiert. Insgesamt muss im Konsens entschieden werden. Norwegens Außenminister Jonas Gahr verteidigte diesen Stil, zumal diese Länder 80 Prozent der Weltwirtschaft repräsentierten. "Wenn die sich nicht einigen können, ist es unwahrscheinlich, dass eine größere Gruppe sich einigen wird", sagte Gahr.
Vor allem sollte ausgelotet werden, welche weiteren Zugeständnisse beim Abbau von Agrarsubventionen und -zöllen besteht. Ihre Kürzungen sind Vorbedingung für die ärmeren Länder, damit sie ihre Märkte für Güter und Dienstleistungen wie Autos, Maschinen oder etwa Versicherungen öffnen. Doch genau da fordern etwa die EU und die USA, die bereits neue niedrigere Sätze vorgelegt haben, nun Vorleistungen. "Natürlich gibt es noch Missverständnisse, manchmal sieht es aber auch so aus, als ob manches absichtlich missverstanden wird", sagte Glos.
Lula sagte, die Ausmerzung der Subventionen sei von "vitaler Bedeutung" bei der Bekämpfung der aktuellen Lebensmittelkrise, da sie zu einem Anstieg der Agrarproduktion in allen Entwicklungsländern führen würde. "Damit die ärmeren Länder Lebensmittel produzieren, sind bessere Marktaussichten nötig, damit sie ihre Produkte verkaufen können", meinte der Präsident. Sonnleitner warnte dagegen nach einem Treffen mit EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer Boel in Genf, ein Abschluss der Gespräche dürfe nicht allein zulasten der europäischen Landwirtschaft gehen. Die Kommission sei "hart an den Rand" dessen gegangen, was für die Landwirtschaft zu verkraften sei.
Quelle: ntv.de