Meldungen

Historische Zinssenkung EZB kämpft gegen Krise

Die Europäische Zentralbank kämpft mit der größten Zinssenkung ihrer Geschichte gegen die Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Währungshüter senkten den Leitzins um 75 Basispunkte auf 2,5 Prozent. So niedrig lag der Schlüsselzins für die Refinanzierung der Banken bei der EZB zuletzt im Frühsommer 2006. So stark hat die EZB den Leitzins in ihrer zehnjährigen Geschichte noch nie bewegt. Üblich waren seit Einführung des Euro bislang Schritte von 25 oder maximal 50 Basispunkten.

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet begründete den kräftigen Zinsschritt nach der Sitzung der nationalen Notenbankchefs der Euro-Länder und der Führungsspitze der EZB in Brüssel mit der sich verschlimmernden Wirtschaftslage. Der Beschluss sei im EZB-Rat einstimmig erfolgt, da die Entspannung bei der Teuerung anhalte, die Risiken für die Konjunktur aber weiter zugenommen hätten, so Trichet. Wegen des Konjunktureinbruchs und sinkender Rohstoffpreise wird die Inflation im Euro-Raum nach Einschätzung der EZB nachlassen und unter die Zielmarke von zwei Prozent sinken. 2009 werde die durchschnittliche Teuerung nur noch 1,7 Prozent statt der bisher erwarteten 2,6 Prozent betragen.

Disinflation, keine Deflation

Die Gefahr einer Deflation sieht die EZB derzeit nicht . Er gehe davon aus, dass die Euro-Zone momentan nicht in einer "deflationären Phase" sei, sagte Trichet. "Wir sind es nicht." Vielmehr gebe es aktuell einen Prozess sinkender Inflationsraten, also eine sogenannte Disinflation. Dies sei deutlich und werde sich bis 2010 fortsetzen. Im Gegensatz zur Inflation ist Deflation durch einen Preisverfall auf breiter Front und über einen längeren Zeitraum hinweg gekennzeichnet. Beginnen die Preise für Waren und Dienstleistungen erst einmal zu sinken, lauern Verbraucher auf noch günstigere Angebote - mit verheerenden Folgen für den Konsum, der in den meisten Industrieländern deutlich mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung ausmacht. Verschiedene Experten und jüngst die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hatten vor den Gefahren einer Deflation gewarnt.

Er habe zwar Grund zu der Annahme, dass sich die Wirtschaft wieder erholen werde, erklärte der Notenbankchef. 2009 werde aber insgesamt negativ gesehen. Zur weiteren Zinspolitik hielt sich Trichet bedeckt. Wegen der Finanzkrise und der schwächeren Konjunktur hatte die EZB bereits im Oktober und November den Leitzins um jeweils 0,50 Punkte gesenkt. Der wichtigste Zins zur Versorgung der Kreditwirtschaft mit Zentralbankgeld liegt aber immer noch deutlich höher als in den USA mit einem Prozent.

Rabenschwarzes Jahr

Mit in die Überlegungen der Notenbanker flossen auch die aktualisierten Prognosen der EZB-eigenen Ökonomen ein. Diese wurden kräftig nach unten revidiert. Im kommenden Jahr erwarten die Experten nun einen Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität in den nach dem Beitritt der Slowakei dann 16 Euro-Ländern um real 0,5 Prozent. Noch vor drei Monaten hatten die Volkswirte ein Wachstum von 1,2 Prozent prognostiziert. Die EU-Kommission sagt ein Mini-Wachstum von 0,1 Prozent voraus. 2010 gibt es allerdings die Chance auf eine Erholung nach einem rabenschwarzen 2009.

Die Finanzmärkte hatten angesichts der Beschleunigung des Wirtschaftsabschwungs in den vergangenen Wochen auf eine kräftige Lockerung der Geldpolitik gehofft, nachdem die EZB im Oktober und November den Leitzins in zwei Schritten von je einem halben Prozentpunkt gekappt hatte. Bereits am Mittag hatte die britische Notenbank ihren Leitzins auf zwei Prozent gesenkt. Zuvor hatten die schwedische Riksbank und die Notenbank Neuseelands jeweils Rekord-Zinssenkungen vorgenommen und damit den Druck auf EZB und Bank of England erhöht.

Durchwachsene Reaktionen

Entsprechend reagierten Marktbeobachter trotz des historischen Schrittes enttäuscht. "Ich hätte mir auch einen stärkeren Schritt nach unten vorstellen können, glaube aber, dass das in den nächsten Sitzungen fortgesetzt wird. Bis zum Ende des ersten Quartals des kommenden Jahres sehen wir den Zinssatz bei 1,25 Prozent", sagte Uwe Angenendt von der BHF-Bank. Nach Meinung des Rentenstrategen Kornelius Purps von der Unicredit ist die Zinsentscheidung der EZB "nicht Fisch, nicht Fleisch."

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) und der Chef der Euro-Gruppe, Luxemburgs Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, lobten dagegen die EZB für ihre Entscheidung. Glos sprach von einem "vertrauenfördernden Signal". Bankenverbände reagierten ebenfalls positiv. Kritik kam von Dierk Hirschel, Chefvolkswirt des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB). Er bemängelte, die EZB sei zu zaghaft im Kampf gegen die Krise. "Die EZB muss schnell runter auf ein Prozent - so wie die US-Notenbank."

Die Währungshüter in Washington entscheiden in knapp zwei Wochen über den Leitzins, den sie zuletzt in großen Schritten bis auf ein Prozent gekappt hatten. Eine schrumpfende Wirtschaftsleistung spricht für niedrigere Zinsen, weil sich die Banken dann günstiger mit Zentralbankgeld versorgen können und sie in der Regel den Verbrauchern und Firmen günstiger Darlehen geben. Dieser Kreislauf ist derzeit aber wegen der Finanzmarktkrise gestört. Ökonomen erwarten im nächsten Jahr weitere Zinssenkungen.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen