"Bestechung gängige Praxis" Ex-Siemens-Manager redet
13.03.2007, 08:09 UhrEin ehemaliger Siemens-Manager und -Berater hat die Bestechung von Mitarbeitern des italienischen Energiekonzerns Enel eingeräumt. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft, zwischen 1999 und 2002 seien insgesamt knapp sechs Millionen Euro Schmiergeld gezahlt worden, sei richtig, sagte der Angeklagte am Dienstag vor dem Landgericht Darmstadt. Er habe nur eine gängige Praxis bei Siemens fortgeführt. Siemens-Vertreter sollen laut Anklage Enel-Leute geschmiert haben, um an zwei Kraftwerksaufträge über 450 Millionen Euro zu kommen.
Er fühle sich schuldig, an den Zahlungen mitgewirkt zu haben, sagte der 73-Jährige. Der ehemalige Siemens-Mitarbeiter war in der Zeit noch als Berater für den Technologiekonzern in Italien tätig. Er ist zusammen mit dem ehemaligen kaufmännischen Leiter der Siemens-Kraftwerkssparte der Untreue und Bestechung ausländischer Amtsträger angeklagt. Ein dritter Manager war in Italien bereits zu 23 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden.
Bei den Schmiergeldzahlungen habe es sich um eine jahrelange Übung gehandelt, die schon vor seiner Zeit bestanden habe. Verantwortliche im Konzern hätten von den Geldströmen gewusst. "Die Zahlungsvorgänge waren vielen Leuten bei Siemens bekannt." Auch in anderen Regionen der Welt sei der Einsatz von Schmiergeld üblich gewesen. "Der Erhalt eines Auftrags ist nicht einfach", sagte er. Vor allem in Ostasien stellten sich immer wieder Gruppen vor, die Verbindung zu Firmen schaffen könnten und dafür Gegenleistungen erwarten. Auch bei der Konkurrenz in Italien sei Bestechung üblich gewesen.
Enel soll vier Prozent gefordert haben
Siemens habe das Geld den Italienern nicht aufgedrängt. "Die Zahlungen wurden gefordert und nicht angeboten", sagte der Angeklagte. Er habe die Enel-Vertreter noch heruntergehandelt. "In den Gesprächen hieß es: Vier Prozent vom Volumen, sonst kriegt ihr keine Aufträge." Dies habe er zurückgewiesen, so dass man sich auf ein Prozent der jeweiligen Auftragssumme geeinigt habe. Siemens will sich bis zum Ende des Verfahrens nicht zu den Vorgängen äußern.
Zahlungen an Betriebsräte-Organisation
Siemens steht offenbar auch im Verdacht, mehrere Millionen Euro an eine Betriebsräte-Organisation gezahlt zu haben, um sich deren Wohlwollen zu verschaffen. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung" und weckt damit die Erinnerung an die hoch justiziable VW-Affäre. Nun sollen Ermittlungen an den Tag bringen, ob die Zahlungen möglicherweise auch dazu gedient haben, Betriebsratswahlen unzulässig zu beeinflussen.
Im Visier der Fahnder stehen dem Bericht zufolge Zahlungen in Höhe von 14,75 Mio. Euro, die Siemens in den vergangenen Jahren an den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Unabhängiger Betriebsangehöriger (AUB), Wilhelm Schelsky, geleistet haben soll. Die Ermittler gingen davon aus, dass Schelsky das Beratungs- und Dienstleistungshonorar erhalten habe, ohne eine angemessene Gegenleistung erbracht zu haben, so das Blatt. Seit einem Monat sitze er in Untersuchungshaft.
Steuerfahnder und Staatsanwälte aus Nürnberg hegten den Verdacht, dass Siemens die Zahlungen veranlasst habe, um sich das Wohlwollen von Schelsky und dessen Organisation zu sichern. Beträchtliche Gelder an Schelsky seien an die AUB weitergeflossen, um so zum Teil die Personal- und Sachkosten der Arbeitnehmerorganisation zu finanzieren. Als unabhängige Arbeitnehmervertretung ist die AUB eine Konkurrenz zur IG Metall, die rund 19.000 Betriebsräte in Deutschland vertritt.
Quelle: ntv.de