Streik oder kein Streik? GDL sorgt für Verwirrung
25.10.2007, 06:39 UhrIm Tarifstreit der Bahn sorgt die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) für Verwirrung. GDL-Vize Claus Weselsky wird von der "Financial Times Deutschland" mit den Worten zitiert, die Gewerkschaft werde die Arbeitskampfmaßnahmen zunächst bis einschließlich nächsten Freitag aussetzen. "Wir treffen sonst immer die selben Kunden, und das wollen wir nicht", ergänzte er dem Bericht zufolge.
Doch eine GDL-Sprecherin dementierte, dass sich die Gewerkschaft bereits auf eine Aussetzung ihres Arbeitskampfs festgelegt habe. Klar sei bislang lediglich, dass es bis einschließlich Montag keine Streiks geben werde. "Alles andere ist offen. Es kann durchaus am Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag gestreikt werden", sagte GDL-Sprecherin.
Die Zeitung hält an ihrem Bericht fest. Demzufolge will die Gewerkschaft die Entscheidung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts in Chemnitz abwarten. Die Richter wollen am kommenden Freitag über die Rechtmäßigkeit und Verhältnismäßigkeit von Streiks im Fern- und im Güterverkehr entscheiden.
Der laufende Lokführerstreik hat am Donnerstag Millionen Pendler bundesweit auf eine Geduldsprobe gestellt und Rufe nach einem Eingreifen der Politik lauter werden lassen. Am schwersten traf der Ausstand Ostdeutschland, aber auch in vielen Großstädten im Westen war der S-Bahn-Verkehr stark eingeschränkt. Bis zur Nacht fielen bundesweit rund 11.000 Züge aus. In Ostdeutschland seien nur zehn bis 15 Prozent des sonst üblichen Angebots gefahren, sagte Bahn-Vorstand Karl-Friedrich Rausch.
Rund die Hälfte der Nahverkehrszüge fiel nach seinen Angaben aus. Die Bahn habe am Donnerstag voraussichtlich eine Million Fahrgäste weniger transportiert als üblich, sagte Rausch. Der Schaden belaufe sich auf etwa zehn Mio. Euro. Rund 1700 Lokführer hätten sich am Ausstand beteiligt.
Die Lokführer wollen ihre Arbeit erst am Freitagmorgen wieder aufnehmen. Die Bahn rechnet damit, dass erst am Sonnabend wieder der normale Fahrplan gefahren werden kann.
Ein Eingreifen des Bundes schloss Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee mit Verweis auf die Tarifautonomie dennoch aus. In dem festgefahrenen Streit konzentriert sich das Augenmerk nun immer mehr auf Sachsens Landesarbeitsgericht: Es will kommende Woche darüber beraten, ob das Streikverbot im Fern- und Güterverkehr bestehen bleibt.
Millionen Pendler steigen um
Im Regional- und S-Bahn-Verkehr zwang der Ausstand Millionen Pendler und Schüler zum Ausweichen auf andere Verkehrsmittel. Die Folge waren überfüllte U-Bahnen und Busse in den Großstädten, auf dem Weg in die Zentren bildeten sich größere Staus als sonst. Besonders stark betroffen war erneut der Osten, wo nur wenige Lokführer Beamte sind und somit nicht streiken dürfen. In Leipzig und Rostock fuhren nach Angaben der Bahn sogar überhaupt keine S-Bahnen mehr. Im Westen dagegen sei dank Notfallplänen die Hälfte der Züge gerollt. Ziel der GDL war es, 80 Prozent der Regionalzüge bundesweit lahmzulegen.
Informationen zum Bahnverkehr gibt es auf der Internetseite www.bahn.de/aktuell und unter der kostenfreien Service-Telefonnummer 08000 99 66 33.
Die meisten Bahnkunden waren auf den Ausstand eingestellt und reagierten relativ gelassen, auch wenn sie für ein baldiges Ende des Konflikts plädierten. "Ich finde, das ist so ein bisschen Kinderei. Wahrscheinlich haben sie sich verrannt in ihren Positionen", sagte Carsten Sudhaus am Frankfurter Bahnhof. "Ich finde es von beiden Seiten - sowohl von der Bahn als auch von der Gewerkschaft - nicht wirklich schön, wie es das läuft".
GDL bleibt kampfbereit
Die GDL zeigte sich weiter kampfbereit. GDL-Vize Günther Kinscher bezeichnete bei n-tv Äußerungen der Bahn, wonach das jüngste Angebot auf Basis des Moderationsergebnisses vorliege, "eine glatte Lüge". Die Öffentlichkeit werde getäuscht über Angebote, die es nicht gebe. "Deshalb gibt es auch im Hintergrund keine Gespräche", sagte Kinscher weiter. "Wir erwarten ein vernünftiges Angebot."
Bahn-Vorstand Karl-Friedrich Rausch hatte zuvor die Forderungen der GDL nach einem neuen Angebot zurückgewiesen. "Das Angebot ist da. Es liegt genau auf der Linie des Moderationsergebnisses von Herrn Geißler und Herrn Biedenkopf und wir warten darauf, dass ein Tarifvertrag am Verhandlungstisch gelöst wird", sagte Rausch bei n-tv.
Oettinger: Bund muss eingreifen
Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger forderte den Bund als Eigentümer der Bahn auf, den Konzern zu einem nachgebesserten Angebot zu bewegen. Die Forderung nach Einkommenssteigerungen von 31 Prozent sei zwar völlig überhöht. "Ich halte aber eine nochmalige gewisse Nachbesserung und eine spezielle Betrachtung der Arbeitszeiten und der Verantwortung der Zugführer für denkbar", sagte der CDU-Politiker im Deutschlandfunk. Der Grünen-Verkehrsexperte Winfried Hermann appellierte an Kanzlerin Angela Merkel, sich in den Streit einzuschalten.
Tiefensee erteilte diesen Forderungen jedoch eine klare Absage. "Es bleibt dabei, die Politik mischt sich in die Verhandlungen nicht ein", sagte der SPD-Minister Reuters TV. Die Tarifautonomie sei ein hohes Gut, mit dem Deutschland seit Jahrzehnten sehr erfolgreich gewesen sei. An die Bahn und die Lokführergewerkschaft GDL appellierte er, rasch an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Gesprächsbasis könne das Mediationsergebnis sein. Über dessen Auslegung streiten die Tarifpartner jedoch seit Wochen. Hauptstreitpunkt ist die GDL-Forderung nach einem eigenständigen Tarifvertrag. Die Bahn lehnt dies entschieden ab und pocht auf die Tarifeinheit im Konzern. Das Unternehmen befürchtet, von immer mehr kleinen Berufsgruppen unter Druck gesetzt zu werden. Außerdem fordert die GDL deutliche Einkommenserhöhungen.
Unterstützung schwindet
Unterdessen haben immer weniger Deutsche Verständnis für die Streiks. Während Anfang Oktober noch 55 Prozent die Streiks für richtig hielten, finden das mittlerweile nur noch 46 Prozent. Das ergab eine forsa-Umfrage im Auftrag von n-tv. Kein Verständnis für die Arbeitsniederlegungen äußern aktuell 49 Prozent der Befragten.
Besonders bei Rentnern und bei Anhängern der Union stößt der Streiks auf Ablehnung. Die Wähler der Linkspartei haben überwiegend Verständnis für die streikenden Lokführer.
Quelle: ntv.de