"Mindestens zehn Prozent" GDLer Gewehr bei Fuß
18.11.2007, 08:13 UhrDer Bahn droht nach dem Ende des bislang längsten Streiks in ihrer Geschichte ein unbefristeter Arbeitskampf. Der Chef der Lokführergewerkschaft GDL, Manfred Schell, verlangte ein zumindest zweistelliges Tarifangebot als Voraussetzung für eine Rückkehr an den Verhandlungstisch. "Ein besseres Angebot sollte zumindest zweistellig sein. (...) Das sind mindestens zehn Prozent als Angebot. Das würde uns dann veranlassen, sofort an den Verhandlungstisch zu gehen", sagte Schell gegenüber RTL in Berlin. "Aber es gibt nichts Besseres als 4,5 Prozent und deshalb bewegen wir uns nicht."
Dagegen will die Bahn will der GDL zunächst kein neues Tarifangebot machen. "Es liegt ein gutes Angebot vor", sagte Bahn-Personalchefin Margret Suckale am Sonntagabend in der ARD. Das jüngste Angebot der Bahn von Mitte Oktober enthält außer einer Einkommenserhöhung von 4,5 Prozent und 600 Euro Einmalzahlung zusätzliche Verdienstmöglichkeiten durch Mehrarbeit und günstigere Dienstpläne. Dies sei ein Angebot, auf dessen Grundlage man verhandeln könne, sagte Suckale.
Sollte die Deutsche Bahn (DB) kein höheres Lohnangebot vorlegen, könnte die GDL bereits am Dienstag zu einem unbefristeten Streik aufrufen. "Die GDL erwartet vom Bahnvorstand bis Montag 24 Uhr endlich ein verhandlungsfähiges Angebot", hieß es in einer GDL- Mitteilung vom Samstag. Neue Streiks könnten nach Aussage einer GDL-Sprecherin "sehr schnell" beginnen. "Unsere Mitglieder stehen Gewehr bei Fuß", sagte sie am Sonntag. Der jüngste GDL-Streik war in der Nacht zum Samstag beendet worden.
"Der Spiegel" hatte ohne Angabe von Quellen berichtet, die Bahn wolle "der GDL offenbar ein neues Angebot unterbreiten, um unbefristete Streiks zu verhindern" und in der Frage der Kooperation mit den anderen Gewerkschaften auf die GDL zugehen. Dem "Focus" zufolge rechnen Konzern-Insider damit, dass die Bahn "der GDL in Kürze doch noch einen neuen Kompromissvorschlag vorlegen wird". Bei der Bahn hieß es nur: "Wir möchten uns dazu nicht äußern."
Im Sommer hatten sich die Tarifparteien bei der Bahn unter der Regie der Ex-CDU-Spitzenpolitiker Heiner Geißler und Kurt Biedenkopf auf ein Vermittlungsergebnis geeinigt, nach dem es parallele Verhandlungen der Bahn mit Transnet und GDBA und der GDL über einen eigenständigen Tarifvertrag für Lokführer geben sollte. Die Bahn hatte die GDL daraufhin aufgefordert, sich mit Transnet und GDBA über Inhalte und Verfahren abzustimmen. Die GDL hatte es abgelehnt, zunächst eine Kooperation mit Transnet und GDBA zu vereinbaren.
Immenser Schaden
Unterdessen sind die wirtschaftlichen Folgen der bisherigen Bahnstreiks nach jüngsten Schätzungen geringer ausgefallen als bislang angenommen. Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung haben die Streiks der GDL die Volkswirtschaft insgesamt zwischen 74,8 und 112,8 Millionen Euro gekostet. Das berichtete die "Bild am Sonntag". Zuvor hatten andere Ökonomen den möglichen Schaden auf täglich 20 bis 50 Millionen Euro taxiert. Vereinzelt war auch von 100 Millionen Euro pro Streiktag die Rede. Zum Vergleich: Die deutsche Wirtschaft kommt auf ein Bruttoinlandsprodukt von mehr als 2,3 Billionen Euro.
Laut GDL waren nahezu alle 9600 angestellten GDL-Lokführer dem Streikaufruf gefolgt und dabei von Zugbegleitern unterstützt worden, wie ein Gewerkschaftssprecher sagte. Insgesamt seien rund 10.300 Leute an dem Streik der vergangenen drei Tage beteiligt gewesen.
Die Bahn betonte, im Fernverkehr seien rund zwei Drittel aller Züge unterwegs gewesen. "Bei den Regionalzügen und S-Bahnen war es im bundesweiten Durchschnitt rund die Hälfte." Am stärksten war Ostdeutschland betroffen, wo je nach Bundesland nur knapp ein Viertel bis etwa 30 Prozent der üblichen Regionalzüge gefahren seien. "In Westdeutschland war die Lage deutlich besser. Dort fuhren je nach Region 50 bis 80 Prozent der Regionalzüge." Gravierender wurde der Güterverkehr getroffen, wo die Bahn bereits in der Nacht zum Samstag damit begann, "die Folgen von insgesamt über 100 Stunden Streik seit dem 8. November zu beseitigen".
Quelle: ntv.de