Einig oder nicht? Gasstreit zieht sich
17.01.2009, 16:25 UhrIn Moskau ringen Russland und die Ukraine um eine Lösung im Gasstreit. Die ukrainische Regierungschefin Julia Timoschenko war wegen der Verhandlungen eigens nach Russland gereist. Vorrangiges Ziel sei es, die seit dem 7. Januar gestoppten Lieferungen von russischem Gas über die Ukraine nach Westen wieder in Gang zu bringen, sagte Timoschenko. Doch bislang scheinen die Diskussionen festgefahren zu sein, aus Moskau kommen widersprüchliche Angaben über den Stand der Verhandlungen.
Die russische Regierung erklärte, es seien keine Fortschritte erzielt worden. "Bislang, und das möchte ich unterstreichen, haben alle Anstrengungen keine Ergebnisse gebracht", sagte Präsident Dmitri Medwedew. Dagegen erklärte der staatliche Gasmonopolist Gazprom, man erwarte noch im Tagesverlauf eine Lösung. "Wir gehen davon aus, dass heute Dokumente unterzeichnet werden", sagte ein Konzernsprecher der Nachrichtenagentur Interfax.
Um eine baldige Lösung bemüht sind auch die großen europäischen Gasunternehmen, die einen Vorschlag erarbeitet haben, der eine sofortige Wiederaufnahme der Lieferungen nach Europa ermöglichen soll. Er sei dem russischen Gazprom-Konzern am Samstag übermittelt worden, teilte der größte deutsche Gaskonzern E.ON Ruhrgas mit. Der Vorschlag sehe vor, dass Naftogaz Ukrainy in der nächsten Zeit ausreichend Gas für die Wiederaufnahme des Transits zur Verfügung stehe, so dass Gazprom und Naftogaz ihre bilateralen Verträge erfüllen können.
"Technisches" Gas vom Konsortium
Am Vortag hatten sich Russlands Ministerpräsident Wladimir Putin, Gazprom und europäische Versorger in Berlin zu einem Gespräch getroffen. Dabei ging es um die Idee eines Konsortiums, das die umstrittene Versorgung der Ukraine mit "technischem Gas" sicherstellt. Dies wird benötigt, um den nötigen Druck in den Pipelines und Pumpstationen zu erzeugen, bevor wieder Gas fließen kann. Das technische Gas würde von Gazprom geliefert. Es würde das Konsortium von Januar bis März schätzungsweise rund 700 Mio. Dollar (rund 525 Mio. Euro) kosten.
Den Vorschlag ausgearbeitet hätten der italienische Energiekonzern ENI, E.ON Ruhrgas, der französische Versorger GDF Suez und die österreichische OMVEconGas, hieß es. Die Konzerne wollen den Vorschlag im Laufe des Wochenendes abschließend mit Gazprom abstimmen, um eine endgültige Lösung zu erreichen.
Putin sieht Imageschaden
Seit Jahresbeginn ist die Lieferung von russischem Gas durch ukrainische Leitungen nach Europa unterbrochen. Die ehemaligen Sowjetrepubliken machen sich gegenseitig für den Stopp verantwortlich. Russlands Regierungschef Wladimir Putin räumte während seines Deutschland-Besuchs einen durch die Gaskrise entstandenen großen Imageschaden für Russland ein. "Es ist schon jetzt großer Schaden entstanden, politisch und wirtschaftlich", sagte Putin vor einer Runde deutscher Chefredakteure in Dresden. Dennoch ging er mit verhaltenem Optimismus in die Konferenz zur Lösung der Krise. Aber es werde sehr schwer fallen, mit einer zerstrittenen ukrainischen Regierung ein Problem zu lösen, "das wir seit bald 15 Jahren haben und uns nun nicht mehr länger leisten können", sagte Putin.
Putin insistierte, Russland sei nicht für die jetzige Lage verantwortlich sondern die Ukraine. "Wir beantragen jeden Morgen bei unseren ukrainischen Geschäftspartnern den Durchfluss genau festgesetzter Mengen Gas. Allein am Freitag sollten zum Beispiel 76,6 Mio. Kubikmeter Gas nach Rumänien durchgeleitet werden, aber jeden Morgen kommt das Nein aus Kiew". Das Verhalten der ukrainischen Regierung bezeichnete er als "kriminell", "erpresserisch" und "technologische Barbarei". Putin beklagte erneut auch den immensen finanziellen Schaden für Russland durch den Gasstreit, den er auf inzwischen mehr als eine Milliarde Dollar bezifferte.
Putin hatte nach Gesprächen mit der Bundesregierung am Freitagnachmittag den Dresdner Semperopernball besucht und war dort mit einem Preis für seine Verdienste um den deutsch-russischen Kulturaustausch ausgezeichnet worden.
Griechenland hilft Bulgarien
Griechenland hat unterdessen seinem vom Gasstopp hart getroffenen Nachbarland Bulgarien Hilfslieferungen zugesagt. In den nächsten Tagen sollen zwei Millionen Kubikmeter Gas pro Tag nach Bulgarien fließen. Das teilte die bulgarische Regierung am Samstag nach einem Telefongespräch zwischen Ministerpräsident Sergej Stanischew und seinem griechischen Kollegen Kostas Karamanlis mit.
Es war zunächst unklar, ob das Gas aus Griechenland durch eine Transitpipeline für russisches Gas fließen soll, da Bulgariens Gasnetz nicht an das griechische Gassystem angeschlossen ist. Beide Regierungschefs hätten zudem den Aufbau einer direkten Gasleitung erörtert. Das auf Erdgas aus Russland angewiesene Bulgarien erhält seit zwölf Tagen wegen des russisch-ukrainischen Streits kein Gas mehr. Der Verbrauch ist mit einem Sparprogramm auf weniger als die Hälfte der normalerweise benötigten Gasmengen geschrumpft.
Seit Jahresbeginn stoppte Gazprom nach und nach die Lieferungen in 18 Staaten. In etlichen Ländern wie Rumänien, der Slowakei und eben Bulgarien können Wohnungen nicht mehr beheizt werden. Deutschland verfügt über Gasspeicher. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums ist die Situation hier noch entspannt. Die Energieversorgung der EU ist stark von Russland abhängig. Ein Viertel der Gaslieferungen läuft über Leitungen durch die Ukraine.
Quelle: ntv.de