Meldungen

Teilprivatisierung der Bahn Grünes Licht vom Kabinett

Die bundeseigene Bahn soll nach dem Willen der Bundesregierung teilweise in private Hände übergehen. Das Bundeskabinett beschloss den von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) vorgelegten Gesetzentwurf zur Teilprivatisierung des Bahnkonzerns. Die Entscheidung sei einstimmig gewesen, hieß es in Regierungskreisen. Tiefensee erklärte nach der Kabinettssitzung: "Damit sind wir einen entscheidenden Schritt weiter bei der Umsetzung der Bahnreform II." Mit der Privatisierung rechnet Tiefensee noch im kommenden Jahr. Er gehe davon aus, dass der bundeseigene Konzern bis Ende 2008 "in welcher Weise auch immer" an den Kapitalmarkt komme. Eine erste Tranche könnte 20 bis 25 Prozent der Anteile umfassen. Der Terminplan sei ehrgeizig, aber bei gutem Willen erreichbar.

Der Entwurf sieht zudem vor, die so genannte Sicherungsübertragung der Eisenbahninfrastruktur, also des rund 34.000 Kilometer langen Netzes, an die Bahn auf 15 Jahre zu begrenzen. Während dieser Zeit darf der Berliner Konzern das Netz bewirtschaften und bilanzieren. Der Bund bleibt während dieser Zeit juristischer Eigentümer des Schienennetzes und wird wie bislang jährlich bis zu 2,5 Mrd. Euro für Investitionen zum Erhalt und Ausbau des Netzes bereit stellen. Nach Ablauf der 15 Jahre entscheidet dann der Bundestag darüber, ob dieses Konstrukt beibehalten wird. Wird der Verlängerung nicht zugestimmt, wird der Bahn ein dreijähriger Abwicklungszeitraum zugestanden.

Das Gesetz zur Teilprivatisierung muss noch von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Tiefensee zeigte sich zuversichtlich, dass im weiteren Verfahren mit dem Bundestag und den Ländern eine Verständigung gelingen werde.

Landesminister gegen Entwurf

Verkehrsminister der Länder drohten mit Widerstand im Bundesrat. Der hessische Verkehrsminister Alois Riehl sagte, er sehe keine Mehrheit der Länder für den Gesetzentwurf. Nach Ansicht des CDU-Politikers sei eine Verschiebung der Privatisierung in die nächste Legislaturperiode immer noch besser "als eine schlechte Reform, die nicht mehr zu korrigieren ist". Die Verkehrsminister von Bund und Ländern kommen am 2. August zu einer Sondersitzung zusammen, um über den Gesetzentwurf zu beraten.

Der nordrhein-westfälische Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) will sich bei der Sonderkonferenz der Verkehrsminister für Veränderungen einsetzen. Er kritisierte, dass dem Staat jede Einflussmöglichkeit auf Investitionen in die Bahn-Infrastruktur und deren Erhalt genommen werde - und dies obwohl weiter jedes Jahr rund 2,5 Mrd. Euro an öffentlichen Zuschüssen flössen. "Auf einem klassischen Gebiet der Daseinsvorsorge darf nicht allein nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten entschieden werden", mahnte der Minister. Dies könne dazu führen, dass sich die Bahn allein auf den rentablen Fernverkehr konzentriere und den Regional- und Nahverkehr vernachlässige.

Pro Bahn fürchtet Streckenstilllegungen

Der Fahrgastverband Pro Bahn warnte ebenfalls davor, beim geplanten Börsengang auch das Schienennetz zu privatisieren. Der Verbandsvorsitzende Karl-Peter Naumann sagte, für das Schienennetz müsse es eine staatliche Verantwortung geben, weil Strecken nicht überall betriebswirtschaftlich geführt werden könnten. Würde nur noch die Rendite zählen, sei zu befürchten, dass Strecken in der Region, die für die Menschen wichtig seien, stillgelegt würden. Den Kompromiss, das Schienennetz zunächst 15 Jahre bei der Bahn zu belassen und danach neu zu entscheiden, nannte Naumann zwar praktikabel, aber rechtlich äußerst fragwürdig.

Unter dem Namen "Bahn für alle" demonstrierte ein Bündnis aus Umweltschutzverbänden, Globalisierungskritikern und Gewerkschaften vor dem Kanzleramt. Das Bündnis befürchtet infolge der Teilprivatisierung ausgedünnte Fahrpläne und stillgelegt Strecken. Der Verkehrsexperte des BUND, Werner Reh, erklärte, nicht nur die Bahn, sondern das gesamte Streckennetz werde verramscht. Die Entscheidung sei unumkehrbar. Die Verkehrsexpertin von Robin Wood, Monika Lege, forderte Bundespräsident Horst Köhler auf, seine Unterschrift unter das Gesetz zu verweigern.

Quelle: ntv.de

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen