Hoffen auf den EM-Boom Handel drückt die Daumen
06.06.2008, 07:45 UhrSportfachhändler, TV-Geräte-Verkäufer, Bierbrauer und Gastronomen fiebern der Fußball-Europameisterschaft entgegen. Ihre Erwartungen sind umso größer, je direkter sie von typischen Fan-Gewohnheiten profitieren. Dabei hoffen sie auf ähnlich gute Stimmung wie bei der Weltmeisterschaft 2006.
Für die Sporthändler sind der Fußball und seine begeisterten Anhänger nicht wegzudenken. "Der Fußballmarkt macht in Deutschland etwa 700 Millionen Euro aus, das sind zehn Prozent des gesamten nationalen Sportmarktes", erklärt Klaus Jost, Vorstand des Einkaufsverbandes Intersport Deutschland, dem nach eigenen Angaben rund 33 Prozent der hiesigen Sportfachhändler angehören.
Zur EM soll es nicht nur stimmungs- sondern auch umsatzmäßig aufwärts gehen. "In einem Eventjahr wie 2008 mit der EM und der Olympiade wird der Jahresumsatz mit Fußballwaren auf 900 Millionen Euro zu steigern sein", erklärt der Experte.
Fan-Artikel gefragt
Naturgemäß entfalle der meiste Umsatz mit rund 50 Prozent auf Originalausrüstung und Fanartikel der DFB-Auswahl. Der Handel setze jedoch auch auf die in Deutschland lebenden Fans anderer EM-Teams, erklärt Jost. Diesmal lägen die Hoffnungen besonders auf der Türkei, deren Nationalkicker sich knapp für das Turnier qualifizieren konnten. "Die deutschen Intersport-Lizenzhändler machen in der türkischen Tageszeitung 'Hürriyet' Werbung für türkische Nationalmannschaftsartikel" sagt Jost.
Auch wenn die Erwartungen an die EM hoch sind, Umsatzgarantien gibt es nach Einschätzung des Experten nicht. "Gerade der Fanartikelumsatz ist ein taktischer Umsatz. Er hängt vom Abschneiden der Mannschaft ab", sagt Jost. Ein gutes Beispiel dafür sei das gute Abschneiden des Fußballteams von Südkorea bei der WM 2002 in Korea und Japan gewesen: "Plötzlich kommt eine ganze Nation in Wallung. In Seoul hat jeder ein rotes Trikot angehabt."
Gutes Wetter und gute Laune regen zum Bierkonsum an
Wo begeisterte Fans sind, ist der nächste Bierausschank meist nicht weit. An das harmonische Zusammentreffen von schönem Wetter, fröhlichen Fußballanhängern und guter Sportunterhaltung bei der WM 2006 erinnert sich Marc-Oliver Huhnholz vom Deutschen Brauer-Bund gern. Denn eigentlich geht der Bierabsatz seit Jahren kontinuierlich zurück. "Jedes Jahr verlieren wir durch den demografischen Wandel und die veränderten Konsumgewohnheiten zwei bis drei Prozent", sagt Huhnholz.
Im Jahr 2000 habe jeder Deutsche noch durchschnittlich 125,6 Liter Bier im Jahr konsumiert. 2005 seien es 115,3 Liter gewesen, 116,0 Liter im WM-Jahr 2006 und im Jahr darauf nur noch 111,7 Liter pro Kopf. Das EM-Jahr 2008 könnte wieder einen Aufschwung bringen dafür müsste aber erneut alles zusammenpassen. "Wenn sich das schöne Wetter länger hält und die deutsche Nationalmannschaft erfolgreich ist und es viele Public Viewings gibt, dann könnte das gute Jahr den Negativtrend der letzten Jahre beim Pro-Kopf-Konsum abmildern", erklärt Huhnholz.
Mehr Umsatz mit Fernsehgeräten erwartet
Das Jahr 2006 ist auch den Verkäufern von Fernsehgeräten in guter Erinnerung. "Erfahrungsgemäß sind die Sommerquartale nicht so stark. Aber 2006 und 2007 war das Gegenteil der Fall", sagt Roland Stehle von der Gesellschaft für Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik (GFU). Seit 2006 seien Flachbildschirmfernseher äußerst gefragt.
Doch gerade weil der Konsumtrend über die WM hinaus anhielt, hat der Branchenkenner seine Zweifel, ob Sporthighlights als Kaufmotiv ausreichen. "2006 hatten wir im Fernsehbereich eine Umsatzsteigerung von knapp 28 Prozent. Es ist schwer zu sagen: Lag es an der WM oder am Technologiesprung?", sagt Stehle. Das zeitliche Zusammentreffen von beidem sei jedenfalls nicht unglücklich gewesen. 2007 habe der Gesamtumsatz mit Fernsehgeräten bei 4,7 Milliarden Euro gelegen. 2008 soll es noch etwas mehr werden, erklärt Stehle. "Generell rechnen wir durch die EM schon mit einer Umsatzsteigerung."
TV-Geräte-Verkäufer reiben sich die Hände, doch für den gesamten Handel ist die EM offenbar weniger vielversprechend. "Wenn Stadien und Fernsehzimmer voll sind, sind die Einkaufsstraßen meist leer", erklärt Hubertus Pellengahr, Sprecher beim Hauptverband des deutschen Einzelhandels. Daher erwarte der Handel insgesamt keine großen Impulse. "Das war bei der WM 2006 anders, als die Stimmung bereits vor der WM angeheizt war", sagt Pellengahr.
Gastronomie-Branche setzt auf Public Viewing
Einen positiven Impuls durch die EM erhofft sich die Gastronomie- und Hotelleriebranche. "Die Nachfrage in Deutschland hängt allerdings stark von der Konjunkturentwicklung ab", sagt Stefanie Heckel vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Die Mitglieder bereiteten sich auf die EM vor. "Wir bekommen von viele Anfragen, was das Public Viewing angeht", erklärt Heckel.
Bei der Weltmeisterschaft seien Gartenlokale, Biergärten und Terrassenrestaurants die großen Gewinner gewesen. Das Nachsehen hätten Restaurants ohne eigene TV-Übertragung oder Außenbereiche gehabt. "Aber auch die Handelsgastronomie, weil während der Spielübertragungen weniger eingekauft wird", sagt Heckel. Das alleine auf die WM 2006 zurückzuführende Umsatzplus habe in der deutschen Hotellerie- und Gastronomie bei 0,5 Prozent gelegen.
Quelle: ntv.de