Zumwinkel kein Einzelfall Hunderte enttarnt
14.02.2008, 07:45 UhrDer Fall von Postchef Klaus Zumwinkel, gegen den ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung angelaufen ist, ist nach Informationen des "Handelsblatts" nur der Auftakt für eine ganze Serie von Ermittlungen. In den nächsten Tagen würden in ganz Deutschland Razzien anlaufen, hieß es laut "Handelsblatt" in Ermittlerkreisen. Hunderte von Tätern seien bereits enttarnt.
Die Fahnder haben nach diesen Informationen offenbar massenhaft Unterlagen aus der LGT-Bank, der Bank der liechtensteinischen Fürstenfamilie, erhalten. "Wir haben die ganze Bank geknackt", sagte ein Ermittler laut "Handelsblatt". Mit diesen Informationen konfrontiert, habe LGT-Sprecher Bernd Junkers mit dem Satz reagiert: "Wir kommentieren das im Moment nicht."
Woher die Datensätze stammen, sei noch nicht klar. Bei den Steuersündern handele es sich meist um reiche und prominente Deutsche. Namen seien noch nicht bekannt, schreibt das "Handelsblatt".
Zumwinkel steht im Verdacht, Steuern in Höhe von einer Million Euro hinterzogen zu haben. Der 64-jährige Topmanager soll nach Angaben der Bochumer Staatsanwaltschaft am deutschen Fiskus vorbei Geld in Stiftungen in Liechtenstein angelegt haben. Ermittler und Steuerfahnder durchsuchten seine Privatvilla in Köln sowie die Büroräume des Vorstandschefs im Bonner Post-Tower. Ein Haftbefehl wurde auf Antrag der Staatsanwaltschaft gegen Auflagen außer Vollzug gesetzt. Zumwinkel habe sich zu den Vorwürfen geäußert und eine Sicherheitsleistung in nicht unerheblicher Höhe angeboten.
Karriere wohl zu Ende
Nach Angaben der "Financial Times Deutschland" wird in der Bundesregierung nicht damit gerechnet, dass Zumwinkel sein Amt weiter ausübt. Ebenso wenig werde es wohl zum geplanten Wechsel Zumwinkels in den Post-Aufsichtsrat kommen. Auch aus Kreisen der Deutschen Post verlautete, Zumwinkel werde nicht mehr als Vorstandschef zurückkehren - unabhängig vom Ergebnis der Ermittlungen. Zumwinkels Ruf sei ruiniert, hieß es aus seinem Umfeld. Als wahrscheinlich gilt, dass er seine Ämter in den kommenden Tagen ruhen lässt. Zumwinkels Vertrag als Postchef läuft im November aus.
Laut "FTD" berieten die Post-Aufsichtsräte am Donnerstag intensiv über Zumwinkels Nachfolge. Als Favorit für den Chefposten gilt Frank Appel, bislang Vorstand für Logistik und das internationale Briefgeschäft. Der 46-Jährige hatte am Donnerstag bereits ein Team gebildet und in enger Abstimmung mit Aufsichtsratschef Jürgen Weber vorläufig die Gesamtgeschäfte geleitet.
BND half bei Ermittlungen
In den Ermittlungen gegen Zumwinkel hat nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" der Bundesnachrichtendienst (BND) eine entscheidende Rolle gespielt. Wie das Blatt berichtet, hat der BND Amtshilfe geleistet und einen Informanten, der im vergangenen Jahr Interna über Zumwinkel anbot, an die Wuppertaler Steuerfahndung vermittelt. "Sollen wir jemand abweisen, der zum Dienst kommt und Unterlagen über mögliche Gesetzesverstöße hat?" zitiert das Blatt einen hochrangigen Geheimdienstmitarbeiter. Weitere Hilfe habe der BND aber nicht geleistet; er habe weder in Liechtenstein ermittelt, noch andere Aktivitäten entwickelt.
Wie das Blatt weiter berichtet, soll der unbekannte Informant elektronisches Material über Zumwinkels Steuersparmodell bei einem Vaduzer Geldinstitut mitgebracht haben. Die Oberfinanzdirektion Rheinland habe im August eine Sondergruppe von Prüfern eingesetzt, die sich um den Fall kümmerte. Die Steuerakte von Zumwinkel und Berichte von Betriebsprüfern seien angefordert worden.
In den Akten gebe es keinen Hinweis auf ein Konto in Vaduz oder Einkünfte aus einer Stiftung. Es solle sogar jeglicher Hinweis auf eine ordnungsgemäße Versteuerung des Liechtensteiner Vermögens, das rund zehn Millionen Euro beträgt, gefehlt haben.
Nach Spiegel-Informationen soll Zumwinkel seit Jahrzehnten mit Hilfe einer Stiftung Steuern hinterzogen haben. Dieses Steuersparmodell soll Zumwinkel, der sich selbst als Multimillionär bezeichnet, schon seit Mitte der 1980er Jahre praktizieren. Aus umfangreichen Aufzeichnungen eines Liechtensteiner Geldinstituts soll nach Informationen des Nachrichtenmagazins auch hervorgehen, dass der Post-Chef auch überlegte, sein Vermögen nach Asien oder auf die Cayman-Inseln zu verlagern.
Razzien im Morgengrauen
Die Ermittler und Steuerfahnder rückten am Donnerstagmorgen in Köln-Marienburg und in der Bonner Post-Zentrale an. Neben den Durchsuchungsbeschlüssen war vom Haftrichter vorsorglich bereits ein Haftbefehl ausgestellt worden. Am Mittag wurde Zumwinkel zur Staatsanwaltschaft nach Bochum gebracht, die er jedoch nach der Entscheidung über die Aussetzung des Haftbefehls wieder auf freiem Fuß verlassen konnte.
Zumwinkel ist einer der profiliertesten deutschen Unternehmensführer mit einem exzellenten Netzwerk in Wirtschaft und Politik. Seit 18 Jahren führt er die Post und ist damit länger als jeder andere Chef eines deutschen Dax-Unternehmens.
Zumwinkel gerät nun auch politisch unter Druck. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) äußerte sich besorgt über die Vorwürfe. Es gelte aber auch für Zumwinkel die Unschuldsvermutung, sagte Glos der "Märkischen Allgemeinen". Unionsfraktionsvize Michael Meister sagte der "Bild"-Zeitung: "Sollten sich die Vorwürfe erhärten, was wir derzeit nicht wissen, dann sollte Zumwinkel von sich aus umgehend zurücktreten." Zunächst gelte aber die Unschuldsvermutung. Ähnlich äußerten sich Politiker von SPD und FDP.
Steuerhinterziehung als Volkssport
Der mehrfach ausgezeichnete Manager war im Dezember wegen des Verkaufs eigener Postaktien in die Kritik geraten. Kurz nach der Einigung über den von ihm maßgeblich geforderten Mindestlohn in der Postbranche nutzte er den folgerichtigen Kursanstieg der Post-Aktie und erlöste aus 200.000 Aktienoptionen rund 2,24 Millionen Euro. Nachträglich bedauerte er sein Handeln. Er sei sich der Tragweite seines Handels nicht bewusst gewesen.
Der Fall Zumwinkel zeigt nach Ansicht der Deutschen Steuergewerkschaft, "dass Steuerhinterziehung in Deutschland zum Volkssport geworden ist". Jedes Jahr würden schätzungsweise rund 30 Milliarden Euro Steuern hinterzogen, sagte Verbandschef Dieter Ondracek der "Leipziger Volkszeitung". Das Positive an den Ermittlungen gegen Zumwinkel sei, dass auch der prominente Name nicht vor der Steuerfahndung schütze.
Am Aktienmarkt gewann die Post-Aktie am Donnerstag deutlich hinzu und war mit einem Plus von 2,8 Prozent Tagessieger im Dax. Mit einem nun wahrscheinlich früheren Wechsel auf dem Chefsessel sei neuer Schwung bei der Post zu erwarten, sagten Händler.
Quelle: ntv.de