Für Kolonialzeit Italien entschädigt Libyen
31.08.2008, 09:12 UhrMit einer Milliarden-Entschädigung für die Kolonialzeit will Italien in den Beziehungen zu Libyen ein neues Kapitel aufschlagen. Ministerpräsident Silvio Berlusconi unterzeichnete am Samstag bei einem Kurzbesuch in dem nordafrikanischen Land ein Abkommen, in dem sich Rom verpflichtet, über 25 Jahre verteilt fünf Mrd. US-Dollar (3,4 Mrd. Euro) in Form von Projektinvestitionen zu zahlen.
Berlusconi entschuldigte sich im Namen des italienischen Volkes bei Libyen für das während der Besatzungszeit von 1911 bis 1942 erlittene Unrecht. Der libysche Staatschef Muammar el Gaddafi sprach von einem "historischen Augenblick".
"Das Abkommen sieht 200 Mio. US-Dollar jährlich während der kommenden 25 Jahre vor", sagte Berlusconi in Benghazi 1000 Kilometer östlich der Hauptstadt Tripolis. Zu den geförderten Projekten gehören unter anderem der Bau einer Küstenautobahn, die das Land von Tunesien bis Ägypten durchziehen soll. Außerdem erhalte Libyen Geld für den Wohnungsbau, für Studienstipendien sowie Entschädigungszahlungen an Opfer italienischer Anti-Personen-Minen aus der Kolonialzeit.
Kampf gegen illegale Einwanderung
Teil des Abkommens ist den Angaben zufolge auch eine stärkere Zusammenarbeit beider Länder im Kampf gegen die illegale Einwanderung. Italien ist wie andere südliche EU-Staaten immer wieder Ziel von Flüchtlingen aus verarmten afrikanischen Regionen, die in meist viel zu kleinen und nicht hochseetauglichen Booten die gefährliche Überfahrt nach Europa wagen. Bislang hatte sich Libyen wegen der nicht geregelten Kolonialfrage bei der Kooperation zurückgehalten.
Berlusconi sagte, die Vereinbarung beende die 40 Jahre währenden Unstimmigkeiten zwischen beiden Ländern. Italien erkenne die Libyen während der Kolonialzeit zufügten Leiden "vollständig und moralisch" an. In einem symbolischen Akt verbeugte sich Berlusconi vor dem Sohn des libyischen Widerstandskämpfers Omar Mokhtar. Im Gepäck für seinen weniger als zwölf Stunden dauernden Besuch hatte der italienische Regierungschef auch die Venus von Cirene, ein spätrömisches Kunstwerk, über deren Rückgabe sich beiden Länder jahrelang gestritten hatten. Die Statue war 1913 auf libyschem Boden entdeckt und nach Italien gebracht worden.
Gaddafi: "Ein historischer Augenblick"
"Es handelt sich um einen historischen Augenblick, bei dem mutige Männer die Niederlage des Kolonialismus bestätigen", sagte Gaddafi. "Dem libyischen Volk ist Unrecht widerfahren, es wurde auf seinem Gebiet angegriffen und verdient Entschuldigungen und Entschädigungen." Gaddafi und Berlusconi unterzeichneten das Abkommen im Garten der Residenz des italienischen Statthalters während der Besatzungszeit.
Der Verband der italienischen Libyen-Aussiedler reagierte empört auf die Höhe der Entschädigung. Die Organisation beklagte in einer Erklärung, dass Berlusconi Libyen entschädige, zugleich aber 20.000 italienische Heimkehrer noch auf Schadenersatz warten müssten. Der Verband kämpft seit Jahren für eine Entschädigung für die italienischen Staatsbürger, die 1970 von Gaddafi aus dem Land gejagt worden waren.
Italien hatte Libyen 1911 dem Osmanischen Reich im Krieg abgenommen und bis in den Zweiten Weltkrieg hinein besetzt gehalten. In den 30er Jahren wurde das Land auch offiziell eine italienische Kolonie. Nach einer Übergangszeit unter UN-Verwaltung wurde der Maghreb-Staat 1951 unabhängig.
Quelle: ntv.de