Bahn-Börsengang Jetzt wird es konkret
12.02.2008, 20:15 UhrDie Pläne für den Börsengang der Deutschen Bahn sind offenbar wesentlich weiter gediehen, als die Bundesregierung bislang erkennen lässt. Nach Informationen der "Süddeutschen Zeitung" ist mittlerweile bis ins Detail geplant, wie die Bahn möglichst schnell teilweise privatisiert werden könne, theoretisch auch am Bundestag vorbei.
Noch in diesem Jahr sollen Investoren bei einer neuen Holding einsteigen, die den Personen- und Güterverkehr umfasse, schreibt das Blatt. Ein Entwurf für einen Privatisierungsvertrag zwischen Bahn und Bund sei nach Angaben aus Regierungskreisen schon fertig. Der Entwurf sehe vor, dass die Bahn ihre Unternehmensbereiche Nah- und Fernverkehr sowie ihr gesamtes Gütertransport-Geschäft in eine vorhandene, aber nicht mehr aktive Tochterfirma einbringe, die Stinnes AG.
Diese Holding soll unter einem neuen Namen teilweise an Investoren veräußert werden. In den Bahn-Konzern soll die Holding über eine "6. Vermögensverwaltungsgesellschaft" eingegliedert werden, so der Plan. Der Erlös des Börsengangs soll dann teils in bar an den Bund fließen, teils bei der Bahn selbst bleiben. Zusätzliche Schulden und Risiken für den Bundeshaushalt seien "nicht zu erwarten", zitiert die Zeitung aus einem Rechtsgutachten des Ministeriums.
Zwei große Töchter
Gleichzeitig erhöhe die Bahn den Druck, schreibt die "SZ". Nach Angaben aus der Konzernspitze der Bahn sei vorgesehen, dass der Aufsichtsrat Ende März die Ausgliederung des Personen- und Güterverkehrs in die neue Holding sowie Eckpunkte für deren Privatisierung beschließt. Ende Mai soll die Holding in das Handelsregister eingetragen werden.
Für den Juli sei eine Sondersitzung des Aufsichtsrats geplant, bei der die teilweise Privatisierung des Personen- und Güterverkehrs endgültig beschlossen werden soll. Den finanziellen Wert dieser Konzernsparten schätze die Bahn nach Angaben aus der Konzernspitze auf 20 bis 25 Milliarden Euro. Bei einem Verkauf von maximal 49,9 Prozent an der Holding ergäbe das Erlöse bis zu 12,5 Milliarden Euro.
Nach den Plänen des Bundes bestünde die Bahn aus zwei großen Töchtern. Die eine betreibe das Netz und gehöre zu 100 Prozent der Deutschen Bahn. Die andere betreibe Züge und Logistik und werde zu maximal 49,9 Prozent privatisiert. Auch eine Vereinbarung über die Instandhaltung des Netzes soll Bestandteil des Vertragswerks sein.
Druckmittel beim Schienennetz
In ihr garantiere der Bund jährliche Überweisungen von 2,5 Milliarden Euro für das Schienennetz. Anders als bisher geplant könnte dieser Betrag ab einem bestimmten Zeitpunkt abschmelzen. Die Rede ist dem Vernehmen nach von jährlich drei Prozent.
Sanktionen sollen gleichzeitig sicherstellen, dass die Bahn mit dem Netz ordentlich verfahre, so die Zeitung. Halte sie etwa die Schienen nicht in Ordnung, könne der Bund ihr die Verantwortung entziehen und die Infrastruktur selbst betreiben. Den Angaben zufolge soll der Bund dafür eine "Call-Option" erhalten. Auch könnte der Bund die Zuschüsse für das Netz in den ersten vier Jahren streichen, sollte die Bahn sie nicht vernünftig einsetzen.
Offen sei bisher noch, ob die beiden Sparten vom gleichen Vorstand geführt werden können. In einem Gutachten für das Verkehrsministerium warne eine Rechtsanwaltskanzlei vor einer "vollständigen Personenidentität". Demnach sollten allenfalls die Vorstände für Personenverkehr und Logistik sowohl der Muttergesellschaft als auch der Transporttochter angehören. Andernfalls drohten Interessenkollisionen und erhöhte Haftungsrisiken sowohl für den Bund als auch für die Vorstände.
Die Bahn wollte zu dem Artikel nicht Stellung nehmen. Dies sei Sache des Ministeriums, sagte ein Sprecher. Auch aus dem Bundesverkehrsministerium gab es keine Stellungnahme.
Quelle: ntv.de