Massiver Stellenabbau Kahlschlag bei Siemens
08.07.2008, 17:56 UhrSiemens verschärft mit dem Abbau von 16.750 Stellen sein Sparprogramm. Allein in Deutschland sollen 5250 Arbeitsplätze wegfallen, vor allem in der Verwaltung, wie der Münchener Konzern am Dienstag mitteilte. Durch den Stellenabbau sowie durch Einsparungen bei externen Beratern und in der Informationstechnik will Siemens-Chef Peter Löscher die Kosten in der Verwaltung bis 2010 um 1,2 Milliarden Euro senken. Gewerkschaften und Politik kritisierten den Jobabbau des weltweit rund 420.000 Mitarbeiter zählenden Technologiekonzerns, davon rund 130.000 im Inland, als überzogen.
Der seit rund einem Jahr amtierende Siemens-Chef Löscher verteidigte den Schritt: "Die Geschwindigkeit, mit der sich das Geschäft weltweit verändert, hat erheblich zugenommen. Wir stellen Siemens darauf ein. Auch vor dem Hintergrund einer sich eintrübenden Konjunktur müssen wir effizienter werden." Personalvorstand Siegfried Russwurm kündigte an, die Stellenstreichungen möglichst sozialverträglich über Transfergesellschaften und Altersteilzeit umzusetzen. "Wir können betriebsbedingte Kündigungen nicht ausschließen, aber sie sind immer das letzte Mittel." Die Unternehmensspitze wolle mit den Arbeitnehmervertretern schnell Verhandlungen aufnehmen.
Der Großteil der Stellen werde in der Verwaltung gestrichen. Die Neuorganisation des Konzerns mache Einschnitte aber auch in der Produktion nötig, so dass 4150 Arbeitsplätze außerhalb der Verwaltung wegfielen. Zudem stellt der Konzern die Industriemontage-Sparte SIMS, die in Deutschland 1200 Menschen beschäftigt, zum Verkauf. "Der Anspruch ist also klar: Schlanke Verwaltungen in einem wachsenden Unternehmen", sagte Löscher.
Ernst: "Widerlich und skandalös"
Die IG Metall kritisierte den Abbau als unverhältnismäßig. "Siemens steht wirtschaftlich gut da, die Auftragsbücher sind voll. Der geplante Stellenabbau ist vor diesem Hintergrund weder nachvollziehbar noch akzeptabel, und in diesem Umfang völlig überzogen", erklärte Bayerns IG-Metall-Chef Werner Neugebauer. Die Arbeitnehmervertreter würden sich wehren, kündigte er an. Zunächst wollen Gewerkschaft und Betriebsrat allerdings die Verhandlungen abwarten. "Sollte es nötig werden, sind in der Folge unterschiedliche Formen des Protestes und des Widerstands möglich." Pauschalkürzungen "per Rasenmäher" seien mit der IG Metall nicht zu machen.
Auch in der Politik stieß der neuerliche Kahlschlag auf Ablehnung. Bayerns Ministerpräsident Günther Beckstein erklärte Medienberichten zufolge: "Siemens macht mir natürlich großen Kummer." Der CSU-Politiker, der sich im Herbst Landtagswahlen stellt, wolle sich demnächst mit Konzernchef Löscher treffen.
Der Gewerkschafter und stellvertretende Fraktionschef der Linken, Klaus Ernst, nannte den Schritt "widerlich und skandalös". "Die Siemens-Führung darf mit ihren Plänen nicht durchkommen", sagte er. Wer Profitmaximierung über Moral stelle, gefährde Demokratie und soziale Marktwirtschaft. An der Börse war der Stellenabbau, dessen Größenordnung in der vergangenen Woche schon durchgesickert war, keine Überraschung mehr. Die Siemens-Aktie verlor mit dem Gesamtmarkt ein Prozent auf 70,10 Euro.
Aufklärung bleibt unangetastet
Am stärksten von den Stellenstreichungen betroffen sind Siemens zufolge die Standorte Erlangen, München, Nürnberg und Berlin. Von den drei Sektoren des Konzerns schultert die Sparte Industrie mit 6350 wegfallenden Stellen den größten Teil des Abbaus. Allein in der gebeutelten Zugsparte fallen 2500 Stellen weg. Grundsätzlich wolle Siemens allerdings weiterhin an dem Bereich festhalten. In der Medizintechnik sind 2800 Beschäftigte betroffen, in der Energietechnik 3950, in der IT-Sparte SIS 1050 und in den Zentralfunktionen 800. Erst Ende Februar hatte Siemens angekündigt, abgesehen von der aktuellen Abbaurunde in der zum Verkauf stehenden Telefonanlagensparte SEN 6800 Stellen zu streichen.
Die US-Kanzlei Debevoise & Plimpton, die für Siemens die Korruptionsaffären aufarbeitet, kann allerdings ihre Rechnungen weiterhin ohne Abstriche ausstellen. "Rückhaltlose Aufklärung bleibt trotz Sparzwang unser Ziel", sagte Löscher. Die Belastungen aus der Aufklärung sollen allerdings schrittweise verringert werden. Bislang kosteten die Schmiergeldskandale und ihre Folgen Siemens rund 1,8 Milliarden Euro.
Quelle: ntv.de