Siemens-Aktie legt zu Kleinfeld sieht Krise als Chance
25.01.2007, 12:55 UhrTrotz der größten Krise in der Unternehmensgeschichte setzt Siemens seinen radikalen Umbau mit rasantem Tempo fort. Deutschlands größter Elektrokonzern will seinen Autozulieferer VDO mit mehr als 50.000 Beschäftigten an die Börse bringen und kauft für 3,5 Mrd. Dollar (2,7 Mrd. Euro) den US-Software-Hersteller UGS.
Auf der Hauptversammlung am Donnerstag in München dominierte jedoch die Kritik wegen der Schmiergeldaffäre, die Aktionäre ließen sich auch durch glänzende Quartalszahlen nicht besänftigen. Schutzvereinigungen und Kleinaktionäre lehnten eine Entlastung der Konzernführung ab. "Das Unternehmen schlittert von einer Affäre in die nächste", kritisierte Daniela Bergdolt von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW).
Krise als Chance
Der Vorstandsvorsitzende Klaus Kleinfeld und Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer versprachen den Aktionären eine vollständige Aufklärung des Korruptionsskandals. Siemens geht davon aus, dass bis zu 420 Mio. Euro in schwarze Kassen geflossen sind. "Als ich davon erfahren habe, war ich zunächst fassungslos", sagte Kleinfeld. Inzwischen seien aber zahlreiche Gegenmaßnahmen ergriffen worden. "Ich bin auch der festen Überzeugung, in jeder Krise steckt auch eine Chance, und wir wollen, wir werden die Chance nutzen. Unser Ziel heißt, auch auf diesem Gebiet Vorbild für andere zu werden."
Aktionärsvertreter kritisierten, der Konzern sei zu spät aktiv geworden und habe das wahre Ausmaß des Skandals lange verheimlicht. Hans-Christof Hirt vom britischen Fondsmanager Hermes sagte, man müsse die Ergebnisse der Ermittlungen abwarten. "Vorstand und Aufsichtsrat haben die Schmiergeldaffäre aber zumindest nicht verhindert und die Aufklärung spät eingeleitet."
Operativ konnte Kleinfeld auf Fortschritte verweisen. Im ersten Quartal 2006/07 (30. September) stieg das operative Ergebnis um 51 Prozent auf gut 1,6 Mrd. Euro. "Alle Bereiche sind profitabel", sagte Kleinfeld. Selbst der kränkelnde IT-Dienstleister SBS schrieb erstmals seit drei Jahren schwarze Zahlen.
Siemens muss Rekordbußgeld zahlen
Allerdings wurden die Zugewinne durch das Rekordbußgeld zunichte gemacht, das die EU-Kommission am Vortag wegen Kartellabsprachen gegen Siemens verhängt hatte. Der Gewinn nach Steuern sank wegen der Belastungen in Höhe von 423 Mio. Euro daher im ersten Quartal um 16 Prozent auf 788 Mio. Euro. "Wir sind mit der Höhe des Bußgelds absolut nicht einverstanden", sagte Kleinfeld und kündigte Einspruch an.
Den Umsatz steigerte Siemens im ersten Quartal um sechs Prozent auf gut 19 Mrd. Euro. Der Auftragseingang legte etwas schwächer um vier Prozent auf knapp 24,6 Mrd. Euro zu. Im Ausblick betonte Kleinfeld, alle Geschäftsbereiche sollten schon im laufenden Quartal die ehrgeizigen Renditeziele erfüllen. Danach solle die Ertragskraft weiter ausgebaut werden.
Siemens-Aktie auf Rekordhoch
Die Siemens-Aktie erreichte mit einem Plus von zeitweise sechs Prozent auf rund 83 Euro zeitweise den höchsten Stand seit Mitte 2001. Dadurch zog Siemens an E.ON vorbei und war mit einer Marktkapitalisierung von knapp 74 Mrd. Euro das wertvollste Unternehmen im Dax. Am Abend schloss das Papier mit gut 4,5 Prozent im Plus.
Die Nachricht vom Börsengang des Autozulieferers VDO kam überraschend. Man wolle sich von deutlich mehr als 25 Prozent trennen, sagte Kleinfeld. "Die industrielle Führung soll aber bei Siemens bleiben." Durch den Gang an den Kapitalmarkt könne der Bereich mit zuletzt zehn Mrd. Euro Umsatz Wachstumschancen besser nutzen.
Conti an VDO interessiert
Sollte VDO in Deutschland an die Börse gehen, wird es sich um einen der größten Börsengänge der vergangenen Jahre handeln. Der Zeitpunkt für den Börsengang sei noch offen, sagte Kleinfeld. Unterdessen signalisierte der Autozulieferer Continental Interesse an VDO. Es gebe zwischen Conti und VDO eine große Übereinstimmung der Produktpalette. "Wir stehen für Gespräche zur Verfügung", sagte ein Conti-Sprecher.
Mit dem Zukauf der US-Software-Firma UGS will Siemens seine Automatisierungs-Sparte A&D stärken. "Durch die Akquisition sind wir unserem Ziel, die digitale Fabrik mit der realen Fabrik zu kombinieren, einen großen Schritt näher gekommen", sagte Kleinfeld. Der Spezialist für industrielle Software machte zuletzt mit rund 7.000 Mitarbeitern einen Umsatz von 1,2 Mrd. Dollar.
Von Pierer weist Kritik zurück
Die Diskussion drehte sich lange um die Schmiergeldaffäre. Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer wies Kritik an seiner Rolle bei der Aufklärung zurück. Er habe in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender "ganz wesentliche Schritte zur Bekämpfung der Korruption eingeleitet". Im Prüfungsausschuss des Aufsichtsrates nehme er an Sitzungen zur Schmiergeldaffäre nicht teil. "Damit ist, so meine ich, der Besorgnis der Befangenheit vorgesorgt." Aktionärsschützer hatten kritisiert, dass Pierer nun als Aufsichtsratschef Vorfälle aufklären müsse, die zum Großteil in seiner Amtszeit als Vorstandsvorsitzender geschehen sind.
Pierer verteidigte die umstrittene 30-Prozent-Gehaltserhöhung für den Vorstand. Siemens sei bei den Vorstandsgehältern im Vergleich mit den anderen Dax-Unternehmen "von den Spitzenpositionen weit entfernt". Allerdings sagte Pierer angesichts der öffentlichen Kritik auch: "Wir werden in Zukunft Gehaltssprünge in dieser Dimension vermeiden."
Quelle: ntv.de