Russische Metallriesen in Not Kreml prüft Einstieg
16.01.2009, 12:22 UhrIn Russland kommt es möglicherweise zu einer Teilverstaatlichung von Metallkonzernen. Der Kreml prüfe die Zusammenlegung einiger der größten Unternehmen der Branche, um sich an dem dabei entstehenden Konglomerat dann mit einer Minderheit zu beteiligen, schreibt das "Wall Street Journal" und beruft sich auf mit den Diskussionen vertraute Personen. Entstehen würde ein neuer Metallgigant.
Im Gegenzug würde der Staat den Unternehmen bzw. deren Inhabern einen Teil ihrer Schulden erlassen. Sollte das Vorhaben umgesetzt werden, so wäre es das erste Anzeichen dafür, dass der Kreml die Rettungspakete, die er den hoch verschuldeten Oligarchen angeboten hat, für einen Wiedereinstieg bei Industrieunternehmen nutze, schreibt die Zeitung.
Für die Staatskredite, mit denen die Oligarchen ihre Schulden bei ausländischen Geldgebern begleichen wollten, hatten sie als Sicherheit Anteile an ihren Unternehmen bei einer russischen Staatsbank hinterlegt.
Who is who der Metallindustrie
Das Vorhaben sei am Dienstag bei einem eilig einberufenen Treffen von Präsident Dmitri Medwedew, weiteren Regierungsvertretern und diversen Metalloligarchen erörtert worden. Als beteiligte Unternehmer listet das Blatt Oleg Deripaska, größter Anteilseigner des Aluminiumgianten UC Rusal, Wladimir Potanin, wichtigster Eigentümer der OAO Norilsk Nickel, sowie Alisher Usmanow vom Eisenerzkonzern OAO Metalloinvest auf. Die drei Industriellen schuldeten staatseigenen Banken mehrere Milliarden Dollar. Die Metallerzeuger leiden unter einer sinkenden Nachfrage im Zuge der Finanzkrise bei gleichzeitig rückläufigen Preisen für ihre Produkte.
Ein Sprecher des Kreml bestätigte das Treffen. Auf der Tagesordnung hätten Themen wie "Antikrisen-Maßnahmen und Restrukturierung von privaten Vermögenswerten" im Metallsektor gestanden. Darüber hinaus wollte er sich nicht äußern. An den Gesprächen war laut Zeitung auch Igor Sechin beteiligt, ein Gefolgsmann von Ministerpräsident Wladimir Putin, und Leiter der Staatsbank, die die Kredite zur Rettung der Unternehmen herausgelegt hat.
Neuer Branchenriese
Die Regierung habe den Unternehmern mehrere Wochen Zeit gegeben, detailliertere Vorstellungen für eine Fusion vorzulegen, hieß es aus den Kreisen. Aus dem möglichen Zusammenschluss ginge laut "WSJ" ein Unternehmen mit einem Jahresumsatz von bis zu 40 Mrd US-Dollar hervor, das es mit Branchengrößen wie BHP Billiton aufnehmen könnte.
Über einen Zusammenschluss haben die Oligarchen selbst schon einmal nachgedacht: vor dem Ausbruch der Finanzkrise. Allerdings sollte die Fusion seinerzeit ohne Mitwirkung des Staats stattfinden. Nun wollen sie der Regierung zuvorkommen und einen Deal erarbeiten, der ihnen die Kontrolle über die Unternehmen sichere. Somit sprach eine der Personen auch von einem "präventiven" Schritt.
Die Regierung dränge nicht auf eine Übernahme, zitiert die Zeitung ihre Informanten weiter. Ginge es ihr vorrangig um einen Zugriff auf die Unternehmen, so wäre dies längst geschehen. Allerdings benötigten die Konzerne frisches Kapital, und derzeit sei eben der Staat der Einzige, der Geld habe. Der noch recht vage Vorschlag für eine Fusion, der vom Norilsk-Nickel-Anteilseigner Potanin stammen soll, könnte auf eine Staatsbeteiligung von 25 Prozent hinauslaufen. Damit könnte der Kreml zwar wichtige Entscheidung blockieren, hätte aber nicht die vollständige Kontrolle über das Management.
Usmanov vom Eisenerzkonzern Metalloinvest sagte, eine Fusion "Metalloinvest-Rusal-Norilsk" sei ein mögliches Szenario und wäre "effektvoll und nützlich" für die Branche. Es sei aber noch zu früh, um über Details zu spekulieren.
Offiziell spricht sich die russische Regierung gegen Staatsbeteiligungen aus. Es sei nicht geplant, die Finanzkrise als Mittel für den Ausbau von Anteilen zu nutzen, sagen Staatsvertreter. Jegliche Aktiva, die vom Staat übernommen wurden, würden zu einem späteren Zeitpunkt wieder verkauft. Gleichzeitig verweist der Kreml darauf, dass auch die Regierungen in anderen Ländern via Staatsbeteiligung das Überleben von Unternehmen und Banken sicherten.
Die vom Staat gewährten Rettungsgelder werden Ende 2009 fällig. Ausländischen Bankern zufolge sind die Chancen, dass die Schulden beladenen Oligarchen die Kredite refinanzieren können, gering. Somit könnten sie die an den Staat verpfändeten Anteile doch noch verlieren.
Quelle: ntv.de