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Regeln für die Finanzmärkte Krise als Chance

Schadenfreude ist nicht sein Ding. Sven Giegold hat Attac mitbegründet und jahrelang gegen die hemmungslose Globalisierung und die Gier im Weltfinanzsystem gearbeitet. Doch die globale Finanzkrise freue ihn "natürlich nicht", sagt Giegold gegenüber n-tv.de.

Mit rund einer halben Billion Euro will die Regierung die Finanzkrise bewältigen. Eine Lösung sei das nicht, sagt Giegold. Die Probleme seien nicht wirklich angegangen worden und die Ursachen "noch gar nicht richtig aufgearbeitet".

Ein "gewisses Gefühl von Genugtuung" gibt Giegold zu. Lange Zeit sei Attac belächelt worden. Bestenfalls. In der Öffentlichkeit dominierten die Bilder von gewalttätigen Protesten von Globalisierungskritikern in Genua, Seattle oder Göteborg. In diesen Topf wurde auch Attac gerne geworfen. Dabei wurde oft übersehen, dass parallel zu den Treffen der G8 ein inhaltlich anspruchsvolles Programm absolviert wurde, ernstzunehmende Alternativen zur marktliberalen Globalisierung erarbeitet wurden.

Regeln für die Märkte

Giegold will den globalen Finanzmärkten Regulierungen auferlegen, er will die Globalisierung nach sozialen und ökologischen Regeln organisieren. Diese "Grundhaltung" sei in der aktuellen Krise Konsens geworden. Ein radikaler Paradigmenwechsel. Vor einigen Monaten war es noch der smarte Banker, der das Ideal der Globalisierung vorgab.

Doch die Globalisierungskritiker kommen bislang nicht recht zum Zuge. Das ist bereits am Beraterstab der Bundeskanzlerin zum Rettungspaket erkennbar. Dort saß zum Beispiel Jörg Asmussen, Staatssekretär im Finanzministerium und erklärter Anhänger einer kaum regulierten Finanzwelt. Asmussen gehört auch einer exklusiven Expertenkommission an, die im Auftrag der Bundesregierung eine Reform der Finanzmärkte erarbeiten soll. Schließlich soll das Rettungspaket der Grundstein einer neuen Finanzmarktsverfassung sein.

Fragwürdige Berater

Noch vor zwei Jahren machte sich Asmussen stark für ABS-Produkte. ABS steht für "Asset Backed Securities". Dieser Markt sollte sich in Deutschland "stärker als bislang entwickeln", war in der "Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen" zu lesen. Deshalb sollen die Unternehmen auch nicht mit unnötigen Dokumentationspflichten belastet werden. Just diese Produkte waren es unter anderem aber, mit denen die faulen Subprime-Kredite von den USA nach Europa transferiert wurden.

Auch die übrigen Rettungsberater sind alte Bekannte. Der Chef der Bundesbank, Axel Weber, gehörte ebenfalls zu der Fraktion, die eine stärkere Regulierung im Finanzsektor ablehnte. Im Finanz- und Haushaltsausschuss des Bundestages, der die Bankenaufsicht neu regeln soll, wehrte er sich jüngst heftig dagegen, dass seine Bank unter die Aufsicht des Finanzministeriums kommen soll.

Ein weiterer Beteiligter ist der Chef der Deutschen Bank, Josef Ackermann. Als mit Investmentbanking noch Milliarden verdient wurden, meinte der Banker, auf das Privatkundengeschäft verzichten zu können. Die Kehrtwende kam im vergangenen Jahr. Giegold findet das "verrückt". "Da wird eben deutlich, dass der Filz nicht durchschnitten ist." Die Leute, die schon lange vor der Krise gewarnt hätten, blieben außen vor.

Europa, China, Indien

Was aus dem ambitionierten Projekt Finanzmarktverfassung wirklich wird, bleibt damit offen. Die Folgen für die Realwirtschaft hingegen werden wir alle spüren. In China klingeln angesichts der sich abzeichnenden Rezession die Alarmglocken. Dort sieht Giegold "eine riesige soziale Bombe". Brechen den boomenden Schwellenländern die Märkte weg, dann dürfte es schwierig werden, die märchenhaften Wachstumszahlen zu halten. Schon jetzt geht die Rate für China auf unter zehn Prozent zurück. Weiterer Sinkflug nicht auszuschließen.

Das könnte aber auch eine Chance sein. Länder wie China und Indien haben ein "hohes Interesse, dass sich solche Finanzkrisen nicht mehr wiederholen", sagt Giegold. Mit ihnen zusammen zu arbeiten, wäre für Europa "eine spannende Perspektive". In China und Indien sei die Wirtschaft nie in dem Maße dereguliert worden, "wie es die Amerikaner oder auch große Teile Europas gemacht haben". Wie sagte Finanzminister Peer Steinbrück Ende September im Bundestag? "Die USA werden ihren Status als Supermacht des Weltfinanzsystems verlieren". Wo aber sind künftig die Pfeiler verortet? Klar ist nur, dass die Branche sich völlig neu ausrichten wird. Die Politik wird dabei ein gewichtiges Wort mitreden wollen. Denn ganz umsonst gibt es die Milliarden vom Staat nicht.

Quelle: ntv.de

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