Wut in Bochum Kritik an Nokia-Führung
27.01.2008, 09:06 UhrDie Beschäftigten des von der Schließung bedrohten Bochumer Nokia-Werks haben auf einer Betriebsversammlung in Bochum ihrer Wut und Enttäuschung über den Konzernvorstand Luft gemacht. Die Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach warf dem Vorstand vor, den achten Schritt vor dem ersten zu machen: erst die Schließungsabsicht zu verkünden und dann über die Folgen nachzudenken, anstatt vorher mit den Beschäftigten, den Betriebsräten und der Gewerkschaft IG Metall nach Alternativen zu suchen. "So wie ihr es jetzt macht, macht ihr Nokia kaputt", sagte sie vor mehr als 2000 Beschäftigten.
Nokia will die Produktion aus Kostengründen zur Jahresmitte aus Bochum abziehen. Der größte Teil soll in ein neues Werk nach Rumänien verlagert werden. Am Standort Bochum arbeiten insgesamt rund 2300 fest angestellte Mitarbeiter, hinzu kommen rund 1000 Leiharbeitnehmer.
Bis heute habe das Management nicht nachvollziehbar begründen können, warum der Standort geschlossen werden solle, kritisierte die IG-Metall-Bevollmächtigte Ulrike Kleinebrahm. "Es gibt keine einzige Zahl, die belegt warum der Standort nicht wettbewerbsfähig sein soll." Kleinebrahm kritisierte, dass keine Alternativen zur Standortsicherung entwickelt worden seien.
Betriebsrat und IG Metall wollen mit einem umfassenden Fragenkatalog auf die Unternehmensspitze zugehen, um die Schließungsabsicht zu hinterfragen und künftige Standortentwicklungen zu erarbeiten. Zudem sind weitere Aktionen geplant, wie eine Menschenkette am 10. Februar. Am Mittwoch treffen sich in Brüssel die Betriebsräte der europäischen Standorte von Nokia, um ihr Vorgehen abzustimmen.
Barroso solidarisch
Unterdessen hat EU-Kommissionspräsident Jos Manuel Barroso den Bochumer Nokia-Mitarbeitern die Unterstützung der Europäischen Union zugesichert. "Ich verstehe die Sorgen der Beschäftigten, versichere ihnen unsere Solidarität. Wo es erforderlich ist, helfen wir, zum Beispiel bei Umschulungen", sagte Barroso der "Bild am Sonntag". "In den nächsten sieben Jahren erhält Deutschland über neun Milliarden Euro aus unserem Sozialfonds. Außerdem haben wir den sogenannten Globalisierungsanpassungsfonds geschaffen. Die deutschen Behörden werden, wenn nötig, Hilfen beantragen." Barroso betonte, die Verlagerung des Nokia-Werks nach Rumänien werde nicht mit Geld aus Brüssel gefördert.
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sagte der "Neuen Ruhr/Rhein Zeitung", für das Verhalten des Handykonzerns habe er kein Verständnis. "In Bochum wurden mit den Mitarbeitern Zukunftspläne gemacht und in Rumänien in Wahrheit neue Fakten geschaffen", kritisierte er. "Es muss uns auch darüber nachdenken lassen, ob eklatante Verstöße gegen die Informationspflicht so folgenlos bleiben können wie bisher." Wo schwarze Zahlen geschrieben würden, "darf man keine Arbeitsplätze abschreiben, erst recht nicht, wenn Nokia Rekordgewinne einfährt".
Die nordrhein-westfälische Landesregierung hält "Bild am Sonntag" zufolge eine Rettung des Nokia-Werks in Bochum weiter für möglich. Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU), Bochums Oberbürgermeisterin Ottilie Scholz (SPD) und Nokia-Gesamtbetriebsrat hätten bei einem Treffen am Freitag auf den Erhalt des Standorts als oberstes gemeinsames Ziel festgelegt, so die Zeitung.
Große Hoffnungen setze die Landesregierung dabei auf ein Treffen von Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) mit der Nokia-Spitze. Der Konzern habe die Reaktionen in der deutschen Öffentlichkeit und den damit verbundenen Markenschaden völlig falsch eingeschätzt - und sei jetzt offenbar zur Zusammenarbeit bereit, heiße es in der Düsseldorfer Staatskanzlei.
Quelle: ntv.de