Aufsichtsrat fordert Klarheit Mehdorn in Not
04.02.2009, 08:07 UhrBahn-Aufsichtsratschef Werner Müller hat in der Datenschutzaffäre den Druck auf Bahnchef Hartmut Mehdorn erhöht. Der Aufsichtsrat werde in einer Sondersitzung über das "ernste Thema" Datenschutz beraten, sagte ein Sprecher Müllers am Mittwoch. "Der Aufsichtsrat wird vollständige Klarheit in dieser Frage herbeiführen und Regelungen, die eine Wiederholung dieser Vorgänge ausschließen", kündigte Müller über seinen Sprecher an. Der Termin für die Sitzung werde derzeit abgestimmt.
Auch die Gewerkschaft Transnet verlangt angesichts einer weiteren Überprüfungsaktion im Jahr 2005 volle Aufklärung. "Der ganze Vorgang muss jetzt endlich einmal komplett auf den Tisch", sagte Transnet-Chef Alexander Kirchner der "Berliner Zeitung". Neben den schon bekannten Daten-Überprüfungen von 173.000 Beschäftigten 2002 und 2003 hatte der bundeseigene Konzern am Dienstag eine weitere Aktion vergleichbarer Größenordnung im Jahr 2005 bestätigt. Der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats sei darüber am vergangenen Freitag informiert worden.
Kein Licht am Ende des Tunnels
Die Bahn teilte mit, derzeit sei "kein Ende der Ermittlungen abzusehen". Daher seien auch "weitere Vorgänge nicht auszuschließen". Mit dem Fortschritt der Untersuchungen sei der Vorstand unzufrieden. Um das Verfahren zu beschleunigen, sei die Staatsanwaltschaft Berlin eingeschaltet worden, zudem soll eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft engagiert werden. Die Bahn-Aufsichtsgremien würden über Ergebnisse regelmäßig unterrichtet. "Dies ist keine Salamitaktik, sondern entspricht dem natürlichen Gang sehr schwieriger Ermittlungen", sagte Bahnchef Hartmut Mehdorn.
Der Zug ist abgefahren
Nach dem Bekanntwerden eines weiteren massenhaften Datenabgleichs bei der Bahn gerät der Konzernchef immer mehr unter Druck. "Mehdorn hat seine letzte Chance vertan", erklärte der FDP-Verkehrsexperte Horst Friedrich. Er forderte die Bundesregierung auf, "öffentlich Stellung zu nehmen und zu erklären, welche Konsequenzen sie ziehen will.
SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz forderte gar den Rücktritt des Managers für den Fall, dass sich Berichte über eine weitere Überprüfungsaktion gegen alle Bahnbediensteten bestätigen sollten. "Wenn das so wäre, wird sich Herr Mehdorn nach einer anderen Tätigkeit umsehen müssen", sagte Wiefelspütz dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Auch der Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Sebastian Edathy (SPD) äußerte sich kritisch. "Der Vorgang ist geeignet, das Ansehen der Bahn weiter zu schädigen", sagte er demselben Blatt.
Besserer Datenschutz gefordert
Angesichts der massenhaften Überprüfung von Mitarbeiterdaten bei der Bahn und der Telekom wird auch der Ruf nach schärferen Regelungen lauter. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar setzt sich für ein Arbeitnehmer-Datenschutzgesetz ein. "Die Daten von Mitarbeitern dürfen nur zu arbeitsrechtlichen Zwecken wie Lohnbuchhaltung verwendet werden", forderte Schaar in der "Berliner Zeitung". Ein präventiver Datenabgleich dürfe nicht hingenommen werden. "Es darf sich keine Unternehmens-Selbstjustiz etablieren, die ohne gesetzliche Grundlage und ohne richterliche Kontrolle abläuft."
Auch der FDP-Innenpolitiker Max Stadler hält neue Regelungen für notwendig. "Bei allem verständlichen Bemühen der Firmen, gegen Korruption vorzugehen, ist es an der Zeit, klare Regelungen zu erlassen, was aus datenschutzrechtlichen Aspekten nötig ist", sagte er dem Blatt.
"Grenzen der Zugriffe regeln"
Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Sebastian Edathy (SPD), fordert ebenfalls einen besseren Datenschutz für Arbeitnehmer. Der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Edathy: "Ich halte es für dringend geboten, Voraussetzungen und Grenzen für Zugriffe auf Arbeitnehmerdaten gesetzlich präziser zu regeln." Vor allem die Frage der Verhältnismäßigkeit, also welche Eingriffe in Persönlichkeitsrechte zur Korruptionsbekämpfung in Betrieben angemessen seien, bedürfe der Konkretisierung. Edathy kündigte an, das Thema Arbeitnehmer-Datenschutz in die bevorstehenden Koalitionsgespräche über die geplante Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes einzubringen.
Die Bahn hat eingeräumt, in den Jahren 2002 und 2003 rund 173.000 ihrer damals rund 240.000 Mitarbeiter auf Korruptionsverdacht überprüft zu haben. Dies geschah mit Abgleich von Mitarbeiterdaten wie Wohnadressen, Telefonnummern und Bankverbindungen mit jenen von 80.000 Firmen, die Auftragnehmer der Bahn waren. Am Dienstag bestätigte der Konzern auch noch, dass der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats am Freitag über einen weiteren Datenabgleich im Jahr 2005 informiert worden sei. Bei der Telekom wurden ebenfalls Daten von Mitarbeitern mit denen ihrer Geschäftspartner abgeglichen. Bankverbindungen der Lieferanten seien "zu Testzwecken" mit den Lohn- und Gehaltskonten der Belegschaft verglichen worden, teilte die Telekom mit. Zur Zahl der betroffenen Mitarbeiter äußerte sich das Unternehmen nicht.
Tiefensee bereits Freitag informiert
Über den erneuten Fall eines Datenabgleichs bei der Bahn im Jahr 2005 wurde "Tagesspiegel"-Informationen zufolge Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) bereits am vergangenen Freitag informiert. Dies gehe aus einem Schreiben von Bahn-Chef Hartmut Mehdorn (SPD) an Tiefensee hervor, das der Zeitung vorliege. Darin schreibe der Manager an den Minister, die Aufarbeitung der von Ihnen gestellten Fragen zu den Umständen der in den Jahren 2002 bis 2005 durchgeführten Datenabgleiche sowie deren juristische Bewertung werde noch Zeit in Anspruch nehmen. Das Schreiben datiere vom 30. Januar 2009. Mit Blick auf den von Tiefensee geforderten Bericht über diese Vorgänge schrieb Mehdorn, so die Zeitung, er versichere, dass eine umfassende Stellungnahme zügig erarbeitet werde.
Noch am Dienstag hatte sich Tiefensee darüber beschwert, die Bahn informiere in der Datenaffäre nur scheibchenweise. Es dauere zu lange, es komme nicht konsequent, hatte er gesagt. Am Dienstagmittag bedauerte Bahnchef Mehdorn auf Druck von Bundesregierung und Gewerkschaften die Massen-Überprüfung in einem Brief an die Mitarbeiter und räumte Fehler ein. (Siehe link)
Quelle: ntv.de