US-Bank im Kreditstrudel Merrill Lynch schreibt ab
29.07.2008, 06:50 UhrDie US-Investmentbank Merrill Lynch wird erneut Milliarden-Abschreibungen vornehmen und ihr Kapital erhöhen. Vor Steuern würden im dritten Quartal etwa 5,7 Mrd. Dollar abgeschrieben, teilte das drittgrößte US-Institut der Branche nach US-Börsenschluss am Montag mit. Dafür seien dann aber umfangreiche Risiken nicht mehr in den Büchern.
Durch die Ausgabe neuer Aktien will die im Strudel der Kreditkrise steckende US-Bank etwa 8,5 Mrd. Dollar einnehmen, um die Kapitaldecke zu stärken. Die Aktien von Merrill gaben nachbörslich zunächst nach, erholten sich aber wieder.
Branchenexperten zeigten sich enttäuscht und besorgt über die Nachricht. Zudem wurden die Frage aufgeworfen, ob es dem erst seit Dezember amtierenden Merrill-Chef John Thain gelingen wird, die Bank wieder profitabel zu machen. Am 17. Juli hatte Thain in einer Telefonkonferenz mit Analysten noch erklärt, die Bank sei derzeit der Ansicht, mit ihrer Kapitaldecke in einer komfortablen Situation zu sein.
Deckenschwund binnen zehn Tagen?
Erst vor zwei Wochen hatte die Bank für das zweite Quartal einen Verlust von 4,9 Mrd. Dollar bekannt gegeben, weil Abschreibungen von mehr als neun Milliarden Dollar vorgenommen werden mussten. Merrill ist eines der am stärksten von der Kreditkrise betroffenen Institute. Seit dem Beginn der Krise hat die Bank Abschreibungen in Höhe von mehr als 40 Milliarden Dollar vornehmen müssen. Bei den großen globalen Banken summieren die Abschreibungen und Kreditverluste seit Beginn der Kreditmarktkrise inzwischen auf mehr als 400 Milliarden Dollar.
Die Abschreibungen für das dritte Quartal ergeben sich Merrill zufolge unter anderem durch den Verkauf bestimmter Schuldverschreibungen (US-Super Senior ABS CDO's). Diese hätten ursprünglich einen Wert von 30,6 Mrd. Dollar gehabt und zum Ende des zweiten Quartals noch mit 11,1 Mrd. Dollar in den Büchern gestanden. Jetzt würden sie für 6,7 Mrd. an eine Tochter von Lone Star Funds abgegeben. Durch den Verkauf reduziere Merrill ihr Engagement in diesem CDO-Bereich von 19,9 auf 8,8 Mrd. Dollar.
Kuhhandel mit dem Staatsfonds
Zur Kapitalerhöhung teilte Merrill mit, die staatlich gelenkte Temasek Holding aus Singapur beteilige sich daran mit 3,4 Mrd. Dollar. Temasek hatte bereits im Dezember und im Februar fünf Milliarden Dollar in Merrill-Aktien investiert, seitdem hat sich der Aktienkurs aber halbiert. Nun einigten sich beide Seiten darauf, dass Merrill Temasek zum Ausgleich dafür 2,5 Mrd. Dollar zahlt, Temasek diese Summe plus weiterer 900 Mio. Dollar aber in die neue Kapitalerhöhung steckt. Zudem will das Merrill-Management 750.000 neue Aktien kaufen. Insgesamt könne das Volumen der Kapitalerhöhung den Angaben zufolge auf 9,8 Mrd. Dollar ansteigen.
Quelle: ntv.de