Auftragsmord in Moskau Nationalbank-Vize tot
14.09.2006, 14:52 UhrDie russische Unterwelt hat mit einem Auftragsmord den ersten Vize-Chef der Zentralbank, Andrej Koslow, töten lassen. Politik und Wirtschaft zeigten sich schockiert von der Gewalttat der Verbrechersyndikate, die in den vergangenen Jahren kaum noch Attentate verübt hatten. Koslow war für die Reform der undurchsichtigen Bankenbranche zuständig und hatte in einer Säuberungsaktion zuletzt zahlreiche kleine Institute schließen lassen, denen Geldwäsche vorgeworfen wird.
Seit Präsident Wladimir Putin vor sechs Jahren angetreten ist, das organisierte Verbrechen in Russland zu bekämpfen, ist Koslow der höchstrangige Vertreter des Staates, der einem solchen Anschlag zum Opfer fiel. In der Wendezeit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion waren unter Putins Vorgänger Boris Jelzin politische Morde an der Tagesordnung. Viele Russen fühlen sich mit dem Anschlag auf Koslow in diese Zeit zurückversetzt.
Der 41-Jährige überlebte den Anschlag am Mittwochabend zwar zunächst, erlag dann aber trotz Notoperation wenige Stunden später seinen Verletzungen. Andrej Koslow starb am frühen Morgen in einem Moskauer Krankenhaus. Seine Mörder hatten ihm vor einem Fußballstadion im Stadtbezirk Sokolniki im Nordosten Moskaus aufgelauert, wo er einem Freundschaftsspiel zwischen Bankangestellten zugesehen hatte. Sie eröffneten das Feuer, als er das Stadion verließ und trafen ihn in Kopf und Brust. Koslow brach zusammen, sein Fahrer wurde sofort getötet.
An vorderster Front gegen Wirtschaftskriminelle
Finanzminister Alexej Kudrin sagte, Koslow habe im Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität an vorderster Front gestanden und dabei wiederholt die Interessen prinzipienloser Vertreter der Finanzbranche verletzt. Die Polizei sprach offen von einem Auftragsmord. Der Vorsitzende des Finanzausschusses des Parlaments, Wladislaw Resnik, sagte: "Sie haben Koslow ermordet, weil er den Banken die Lizenzen entzog. Es ist furchtbar, dass in Russland noch immer solche Anschläge verübt werden."
Auch in der Finanzbranche wurde von einem engen Zusammenhang zwischen Koslows Arbeit und seinem Tod ausgegangen. Seine für die Bankenaufsicht zuständige Abteilung bei der Notenbank hatte zuletzt pro Woche zwei bis drei Banken schließen lassen. Damit habe es Koslow nicht an Feinden gefehlt, hieß es. "Es kann nur ein Motiv geben", sagte Anatoli Aksow, Mitglied des Nationalen Bankenrats. "Ich bin überzeugt, Koslow wurde wegen seines Einsatzes gegen Organisationen, die mit Verbrechen zu tun haben, ermordet."
Noch in der vergangenen Woche hatte Koslow vor Branchenvertretern schärfere Strafen gegen die Manager von Banken gefordert, denen Geldwäsche nachgewiesen werden kann. Im Jahr 2004 hatte er sogar eine Bankenkrise ausgelöst, als er sich auf eine Machtprobe mit der kleinen Sodbisnesbank einließ, der Geschäfte mit Lösegeldern vorgeworfen wurden. In der Folge gerieten weitere Banken unter den Verdacht illegaler Geschäfte und die Vertrauenskrise zwang schließlich die Guta-Bank, eines der 20 größten Institute des Landes, sich von einer staatlichen Konkurrentin übernehmen zu lassen.
"Großer Verlust für das Land"
Ministerpräsident Michail Fradkow bezeichnete den Tod des Managers als einen großen Verlust für Russland und hielt mit dem gesamten Kabinett eine Gedenkminute ein. Präsident Putin gab zunächst keine Erklärung ab.
Die Zentralbank hob Koslows "großen Beitrag zur Reform des Bankensystems" hervor. Er habe zu seiner Effizienz, Transparenz und Stabilität beigetragen, hieß es in einer Erklärung. Zudem habe Koslow den allgemeinen Respekt und die Sympathie der Branche und aller genossen, die mit ihm gearbeitet hätten.
Der Vater von drei Kindern galt für die Branche als ungewöhnlich offen und umgänglich. Er war bereits mit 24 Jahren zur damals noch sowjetischen Zentralbank gestoßen und verließ die Institution nur einmal für einen Zeitraum von zwei Jahren. Koslow war zudem für zahlreiche internationale Kontakte der Bank zuständig und sprach fließend Deutsch und Englisch.
Rückfall in die alte Zeit
Nach dem Ende der kommunistischen Wirtschaft waren Auftragsmorde in Russland häufig und Gewalt war Teil des Geschäfts. Zugleich bildete sich das Bankensystem unter ausgesprochen chaotischen Umständen aus. 1997 wurde sogar der damalige Notenbankchef Sergej Dubinin ums Leben gebracht.
Der Anschlag auf Koslow zeige, dass die Branche ihre Vergangenheit doch noch nicht vollständig überwunden habe, sagte ein Bankenexperte, der ungenannt bleiben wollte. Heute gibt es in Russland rund 1.200 Banken. Viele von ihnen sind sehr klein und haben ein geringes Eigenkapital.
Abgeordnete und Bankenvertreter forderten eine harte Reaktion des Staates auf den Vorfall. Der Mord sei eine schamlose Provokation des Staates "und die Antwort der staatlichen Behörden muss hart, schnell und erbarmungslos sein", verlangte Anatoli Tschubais, der als Chef des staatlichen Strom-Monopols im März 2005 selbst das Ziel eines Anschlags gewesen war. Alexander Schochin, Chef des russischen Unternehmensverbandes, sagte: "Die Finanz-und Geschäftswelt wird reagieren. Koslow war ein sehr wichtiger Mann für die Regierung. Ich glaube nicht, dass es schwer ist, seine Mörder zu finden."
Quelle: ntv.de