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Spektakuläre Zinsschritte Notenbanken schreiten ein

Mit drastischen Zinssenkungen haben sich die internationalen Notenbanken am Mittwoch vergeblich gegen den weltweiten Verfall der Börsen und wachsende Rezessionsängste gestemmt. Angeführt von US-Notenbank und Europäischer Zentralbank schraubten die Währungshüter erstmals seit den Anschlägen vom 11. September 2001 gemeinsam die Leitzinsen bis zu 50 Basispunkte nach unten.

Die Europäische Zentralbank (EZB) will die Märkte mit starker Hand durch die Finanzkrise führen. Notenbankchef Jean-Claude Trichet sagte, die koordinierte Zinssenkung der Notenbanken sei ein "wichtiges Signal des Vertrauens und der Kooperation für Marktteilnehmer, Investoren und Bürger". Die Zinssenkung sei möglich geworden, weil die Inflationsgefahr abgenommen habe.

Knackpunkt Refinanzierung

Am Abend gab die EZB zudem überraschend bekannt, dass sie ihren Zinskorridor für den Geldverkehr mit Geschäftsbanken verengt. Der Spitzenrefinanzierungssatz liege ab Freitag nur noch 50 Basispunkte über dem Hauptrefinanzierungssatz statt bislang 100 Basispunkte. Der Satz für Übernacht-Einlagen bei der Zentralbank liegt in Zukunft nur noch 50 Basispunkte unter dem Schlüsselzins statt bislang ebenfalls 100 Basispunkten.

Der neue Zinskorridor soll so lange wie nötig gelten, mindestens jedoch bis zum 20. Januar 2009. Trichet sagte, die EZB werde den wöchentlichen Tender zur Hauptrefinanzierung ab kommender Woche vollständig in unbegrenzter Höhe zum festen Zinssatz von 3,75 Prozent bedienen. "Das ist eine wichtige Entscheidung für die Geschäftsbanken", sagte der Notenbankchef. Diese fänden nun ein berechenbareres Umfeld für ihre Refinanzierung vor.

EZB will "alles tun"

Trichet wandte sich im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Reuters direkt an die von der Krise betroffenen Finanzinstitutionen: "Ich appelliere an alle Marktteilnehmer, die Fassung zu bewahren." Sie könnten sich auf die EZB in dieser schwierigen Lage verlassen. "Wir sind dabei, die Märkte wieder zu mehr Normalität zurückzuführen.

Gleichzeitig versprach Trichet, werde die EZB aber die Teuerung nicht aus dem Blick verlieren. Die Währungshüter würden weiterhin "alles tun", um Preisstabilität auf mittlere Sicht gemäß ihres Auftrages sicher zu stellen. Das Urteil des EZB-Rats vor der Zinsentscheidung sei gewesen, dass die Inflationsrisiken und -erwartungen zuletzt abgenommen hätten.

London springt ein

Großbritannien stützte seine Banken mit umgerechnet 65 Mrd. Euro, Frankreich und Italien erwägen ähnliche Schritte. Dennoch setzten Dax und US-Börsen ihre Talfahrt fort, auch wegen einer neuen IWF-Prognose. Danach wird die größte Bankenschieflage seit der Weltwirtschaftskrise vor 80 Jahren das Wachstum in den USA und Europa 2009 komplett abwürgen.

Neben der EZB und der US-Fed verbilligten auch die Zentralbanken Großbritanniens, der Schweiz, Chinas und Kanadas die Kreditzinsen, um das Wachstum anzukurbeln. Die EZB reduzierte bei ihrer ersten Zinssenkung seit mehr als fünf Jahren den Schlüsselzins für die Euro-Zone auf 3,75 von 4,25 Prozent. In den USA sinkt der wichtigste Zins von 2,0 auf 1,50 Prozent. Die Notenbanken hatten bislang fortlaufend Milliarden in das Finanzsystem gepumpt - das Vertrauen zwischen den Banken, die sich untereinander keine Kredite mehr geben, konnten sie damit aber nicht wiederherstellen.

Regierungen und Wirtschaftsvertreter in aller Welt begrüßten den Schritt zwar, aber der Börse half er wenig: Der Dax fiel erneut um knapp sechs Prozent. Auch in New York setzten die Börsen ihre Talfahrt fort, der Dow-Jones-Index büßte im Handelsverlauf zunächst erneut rund zwei Prozent ein. Viele Börsianer bezweifelten, das die Zinssenkungen die Finanzkrise stoppen und eine Rezession verhindern können.

Lang und beschwerlich

Neben den Notenbanken setzten auch die Regierungen ihre zunehmend verzweifelten Rettungsversuche fort: Die Milliarden-Finanzspritze der britischen Regierung wurde von den Banken begrüßt. Der französische Ministerpräsident Francois Fillon sagte, auch seine Regierung sei zu einem vorübergehenden Einstieg bei den Banken bereit. Die Bundesregierung setzt dagegen weiter auf Einzelfalllösungen für in Schieflage kommende Banken.

Die G7-Finanzminister und Notenbankchefs wollen bei ihrem Treffen am Freitag unter anderem neue Bilanzregeln erwägen, um den Banken weitere Milliarden-Abschreibungen zu ersparen. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück schlug in einem Brief an die G7-Ressortchefs hierzu Schritte zur Stabilisierung des Weltfinanzsystems vor. Die Welt ist laut Steinbrück noch nicht einmal annähernd aus dem Gröbsten heraus: "Es gibt bisher keine Anzeichen, wann diese Krise enden könnte".

Quelle: ntv.de

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