Jahreswirtschaftsbericht OECD sieht Reformbedarf
09.04.2008, 12:52 UhrDie Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) traut Deutschland trotz der Finanzkrise in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent zu. Der optimistische Konjunkturausblick wird mit der Einschätzung begründet, dass die Preissteigerung nicht weiter anziehe.
Eine schwächere Dynamik bei Export und Investitionen werde wahrscheinlich teilweise durch höhere Konsumausgaben der Bürger ausgeglichen, berichtete die OECD am Mittwoch in ihrem Jahresbericht zur deutschen Wirtschaft. Für 2009 wird mit einem Wachstum von 1,6 Prozent gerechnet. 2007 waren es 2,9 Prozent.
Mehr Bildungsreformen
Gleichzeitig fordert die OECD Deutschland zu einem verstärkten Reformentempo zur Sicherung eines langfristigen Aufschwungs auf. "Es besteht noch beträchtlicher Spielraum zur Steigerung der Produktivität", mahnt die OECD in ihrem Wirtschaftsbericht an. Zudem werde es auf lange Sicht entscheidend auf eine Verbesserung der Bildungsergebnisse ankommen.
Auch müsse das Land die Langzeitarbeitslosigkeit stärker abbauen. Die Organisation kritisiert zudem die Mindestlohnpläne der Regierung und die sogenannte Herdprämie für Mütter in der Kinderbetreuung. Die Organisation von 30 Industrieländern plädiert dafür, das Ehegattensplittung zugunsten einer individuellen steuerlichen Veranlagung abzuschaffen. Zugleich solle der geplante Ausbau der Kinderbetreuung vorangetrieben werden.
Zu Hause bleibenden Müttern sollte allerdings - anders als bisher von der großen Koalition geplant - kein Betreuungsgeld gewährt werden. Stattdessen empfiehlt die OECD ein Gutscheinsystem für die Kinderbetreuung. Ferner gelte es, die Qualität der Lehrer zu verbessern und Haupt- sowie Realschulen zusammenzulegen.
Mehr Arbeitsanreize
Auch beim Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit sehen die Autoren des Berichts Handlungsbedarf. Insbesondere die Arbeitsanreize für Bezieher staatlicher Transferleistungen müssten gestärkt werden. In einem Ländervergleich der OECD hat nur die Slowakei einen höheren Anteil von Arbeitslosen, die länger als zwölf Monate nicht in Lohn und Brot sind. Die Organisation kritisierte zudem die geplante Festsetzung von Mindestlöhnen auf Branchenebene. "Wenn ein Mindestlohn als notwendig erachtet wird, sollte er bundesweit auf einem hinreichend niedrigen Niveau festgesetzt werden, das nicht zu Stellenverlusten führt", heißt es in den Politikempfehlungen.
Die Organisation rät dazu, gegen den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen - etwa im Energiebereich - mit Augenmaß vorzugehen. "Es sollte sorgfältig geprüft werden, ob die speziell auf den Energiesektor zugeschnittenen Bestimmungen im Entwurf der Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen die richtige Balance zwischen raschen Preisrückgängen und einer weniger wettbewerblichen Marktstruktur trifft."
Quelle: ntv.de