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Steinmeier kritisiert Guttenberg Opel-Retter im Streit

Unmittelbar vor der Entscheidung im Übernahme-Rennen um Opel bricht in der großen Koalition ein offener Streit aus. Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier geht auf Distanz zu Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Der weist die Kritik zurück. Unterdessen versuchen die beiden Bewerber Fiat und Magna ihre Angebote nachzubessern.

Opel in Zeiten des Wahlkampfs.

Opel in Zeiten des Wahlkampfs.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Unmittelbar vor der Entscheidung im Übernahme-Rennen um den angeschlagenen Autobauer Opel ist in der großen Koalition ein offener Streit ausgebrochen. Vizekanzler Frank-Walter Steinmeier ging dabei auf Distanz zu Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, der eine Insolvenz des Autobauers als denkbare Lösung untermauert hatte.

In Berlin kommt zu Beginn der Woche erneut eine Ministerrunde zusammen, um über die Opel-Zukunft zu beraten. Es gibt drei Angebote zur Opel-Übernahme - Wettbewerber sind der italienische Autokonzern Fiat, der österreichisch-kanadische Zulieferer Magna und der US- Investor Ripplewood. Die Entscheidung muss in dieser Woche fallen, da sich bis Monatsende auch die Zukunft des amerikanischen Mutterkonzerns General Motors (GM) klären soll. Magna und Fiat ließen erkennen, sie wollten ihr Angebote nachbessern.

Angst vor dem "I-Wort"

Karl-Theodor zu Guttenberg (l.) und Frank-Walter Steinmeier (Archivbild).

Karl-Theodor zu Guttenberg (l.) und Frank-Walter Steinmeier (Archivbild).

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Steinmeier sagte am Sonntag: "Ich rate allen, endlich mit dem Gerede über eine Insolvenz von Opel aufzuhören." Die Bundesregierung müsse ihre ganze Energie darauf richten, möglichst viele Arbeitsplätze bei dem Autobauer zu retten, "statt ständig mit neuen Schreckgespenstern zu hantieren". Steinmeier begrüßte, dass es einen echten Bieterwettbewerb bei dem Autohersteller gebe. Dies nütze den Beschäftigten und trage dazu bei, dass die Risiken für eine staatliche Hilfe eingegrenzt werden könnten.

Bei Fiat in Turin.

Bei Fiat in Turin.

(Foto: REUTERS)

Landespolitiker stimmten der Kritik des Kanzlerkandidaten am Wirtschaftsminister zu. Hessens Ministerpräsident Roland Koch, in dessen Land der Opel-Standort Rüsselsheim liegt, sagte: "Eine Insolvenz von Opel ist das Ende von Opel." Er sei sich mit Guttenberg aber darin einig, dies vermeiden zu wollen.

Bei Opel in Eisenach.

Bei Opel in Eisenach.

(Foto: REUTERS)

Koch verlangt von den Opel-Interessenten mehr finanzielles Engagement. "Es kann nicht sein, dass alle Risiken vom Staat abgedeckt werden", sagte Koch dem "Handelsblatt": "Wir wollen motivierte Unternehmer als neue Eigentümer haben, die wissen, dass sie über viel Steuerzahlergeld entscheiden, wenn sie die Firma gut oder schlecht führen. Der beste Weg diese Motivation zu zeigen ist, dass man selbst etwas riskiert." Das nachgebesserte Konzept von Fiat habe an der Präferenz für Magna aber nichts geändert.

Der Bochumer Opel-Betriebsratschef Rainer Einenkel schloss sich der Kritik an. Im ZDF sagte er: "Wer jetzt von einer Insolvenz spricht, egal in welcher Form, erzählt dummes Zeug."

"Hartes Interesse von mehreren Seiten"

Auch Opel-Gesamtbetriebsratsvorsitzender Klaus Franz zeigt Unverständnis für Guttenberg. Er sagte der "Bild"-Zeitung: "Es ist unverständlich und völlig kontraproduktiv, wie der Minister jetzt von Insolvenz reden kann. Es gibt schließlich von mehreren Seiten hartes Interesse an Opel."

Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer sagte dem "Hamburger Abendblatt": "Das Beispiel Saab zeigt, wie dramatisch sich eine Insolvenz auswirkt." Die bereits insolvente GM-Tochter Saab habe in den vergangenen vier Monaten einen Einbruch der Produktion um 80 Prozent hinnehmen müssen. "Den deutschen Politikern ist schon sehr viel Zeit bei Opel verloren gegangen", meinte Dudenhöffer. Man könne sich nun keinen Tag Verzögerung mehr erlauben.

Guttenberg wies die Kritik umgehend zurück. "Bei einer geordneten Insolvenz ist ein Unternehmen ja nicht zwingend verloren", sagte Guttenberg. Es gehe dabei gerade nicht um eine Pleite oder eine Liquidation. "Man kann in einer geordneten Insolvenz ein Unternehmen auch weiterführen. Man kann weiterhin Verhandlungen führen, man kann aus einer anderen Verhandlungsposition heraus mit entsprechenden Interessenten arbeiten."

Über die Parteigrenzen hinweg

Guttenberg hatte die Angebote, bei denen Magna oder Fiat die besten Chancen eingeräumt werden, bislang für unzureichend erklärt. Der Minister sagte der "Bild am Sonntag", drei Angebote lägen vor, "das bedeutet aber nicht, dass eines davon automatisch und zwingend zum Tragen kommt. Zuvor müssen wir eine hohe Sicherheit dafür haben, dass die erheblichen Steuermittel, die wir dafür einsetzen müssen, nicht verloren gehen. Diese Sicherheit gewährleistet bislang aus meiner Sicht noch keines der drei Angebote in ausreichender Weise."

Die Konsequenzen waren für den Minister klar: "Bliebe es bei diesen Defiziten, wäre eine geordnete Insolvenz die klar bessere Lösung - auch sie könnte Chancen für die Zukunft Opels eröffnen", sagte Guttenberg der "BamS".

Fiat habe in seinen nachgereichten Änderungen eine Risikobeteiligung "angedeutet", ergänzte Guttenberg am Sonntagnachmittag. Vom Zulieferer Magna erwarte er auch "noch ganz erhebliche Nachbesserungen. Bislang ist das Risiko vieler Milliarden nicht auf Magna verteilt".

"Steuergelder nicht verbraten"

Der CSU-Minister betonte erneut, dass eine Insolvenz von Opel nicht ausgeschlossen sei. "Dass wir sie vermeiden wollen, ist klar. Aber wir müssen auf der anderen Seite auch vermeiden, dass wir Steuergelder in Milliardenhöhe schlichtweg verbraten", sagte Guttenberg. "Bei einer Insolvenz ist ein Unternehmen noch nicht verloren", fügte er hinzu. Es werde nicht liquidiert.

Steinmeier hatte nach Informationen des "Spiegel" am Samstag mit dem Chef des Opel- Mutterkonzerns General Motors (GM), Fritz Henderson, über die vorliegenden Konzepte für eine Übernahme von Opel gesprochen. Es habe ein ausführliches Telefonat gegeben, hieß es.

Laut "Spiegel" will Steinmeier Wirtschaftsminister Guttenberg unter Druck setzen. Dieser müsse das Modell der staatlichen Brückenfinanzierung "endlich festklopfen". "Irgendwann muss der Sack zugemacht werden", hieß es. Jetzt komme es vor allem darauf an, Arbeitsplätze langfristig zu sichern.

Der italienische Ansatz

Fiat-Chef Sergio Marchionne hat für den Fall einer Opel-Übernahme den Beschäftigten mittlerweile weitgehende Garantien zugesichert. Der "Bild am Sonntag" sagte der Fiat-Chef: "Im ungünstigsten Fall wären in Deutschland maximal 2000 Arbeitsplätze durch die Integration von Opel in ein schuldenfreies Gemeinschaftsunternehmen mit Fiat betroffen." Nach seinen Worten bekennt sich Fiat zudem zu "allen in Deutschland geltenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere zum Betriebsverfassungsgesetz und der Mitbestimmung."

Nach Informationen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ("FAZ") will Fiat mögliche Staatsbürgschaften im Fall einer Opel-Übernahme binnen vier Jahren zurückzuzahlen. Das gehe aus dem nachgebesserten Übernahmekonzept des italienischen Autoherstellers hervor, das der Zeitung vorliegt. Dort heiße es: "sechs Milliarden Euro benötigte Staatsbürgschaften, garantierte Rückzahlung binnen vier Jahren." Damit habe Fiat den zunächst verlangten Bürgschaftsrahmen von sieben Milliarden Euro um eine Milliarde Euro reduziert.

Nach dem Fiat-Konzept sollten europaweit bis zu 10.000 Stellen bei Opel/Vauxhall gestrichen werden, davon weniger als 2000 in Deutschland, bestätigte die "FAZ" die bisher bekannten Angaben. Allerdings garantiere Fiat-Chef Sergio Marchionne, auch alle Fertigungsstandorte in Deutschland zu erhalten: "Wir haben keine Pläne, Autowerke in Deutschland zu schließen."

Widersprüchliche Angaben

Personalkürzungen solle es in Rüsselsheim und Bochum geben. Der Standort Kaiserslautern solle nach Darstellungen in dem Konzept dagegen geschlossen werden, die dort ebenfalls angesiedelte Komponentenfertigung allerdings davon verschont bleiben. Auch das Werk Aspern in Österreich und Szentgotthard in Ungarn wären demnach von Stellenstreichungen betroffen. In Italien und Polen seien dagegen keine Veränderungen geplant.

Marchionne versichert nach Angaben der Zeitung, Fiat wolle sein gesamtes Autogeschäft ohne die Edelsportmarken Ferrari und Maserati schuldenfrei in die zu gründende neue Gesellschaft einbringen. Marchionne beziffere deren Buchwert auf sechs Milliarden Euro, die Erträge vor Zinsen, Steuern und Abschreibung (EBITDA) auf zuletzt 2,5 Mrd. Euro. Die Synergien würden bis zum Jahr 2015 auf fünf Milliarden Euro kalkuliert.

Der Vorschlag aus Kanada

Das Magna-Konzept sieht nach dem bisherigen Kenntnisstand den Abbau von 2600 Arbeitsplätzen in Deutschland vor - davon in Bochum 2200 der dort rund 5000 Jobs. Das hätten aber Ministerpräsident Jürgen Rüttgers und der Bochumer Betriebsrat bei einem Treffen mit Magna-Managern am Samstag in Bochum einhellig abgelehnt.

Damit habe das Werk keine Perspektive mehr, zitiert die "Welt am Sonntag" den Bochumer Betriebsratschef Rainer Einenkel.

Nach Informationen der "Zeit" sieht das Magna-Konzept weit reichenden Zugeständnissen an die Gläubigerbanken und den Bund durch den österreichisch-kanadischen Zulieferer vor. Das von Magna und der russischen Sberbank gemeinsam eingereichte Übernahmekonzept enthalte einen festen Rückzahlungsplan für die Verschuldung der neuen Opel-Gesellschaft (NewOpel) und eine Dividendensperre für die künftigen Anteilseigner.

"Ein Mindestanteil von 30 Prozent des Nettogewinns wird zur Rückzahlung der von der öffentlichen Hand garantierten Verschuldung benutzt", soll es in dem Konzept heißen. "Bis zur vollständigen Tilgung dieser Verschuldung wird keine Dividende an die Anteilseigner ausgezahlt", zitiert das Blatt aus dem Papier.

Der Staat würde in diesem Konzept für 4,5 Mrd. Euro bürgen. Die Bürgschaft, so heißt es laut "Zeit", "sollte für die Dauer von fünf Jahren ausgelegt sein und die Tilgung des Kredits nach Ablauf von fünf Jahren ebenso wie die Zinszahlungen absichern."

Quelle: ntv.de, mmo/dpa/rts

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