Mutter GM im Strudel Opel hält noch still
12.12.2008, 13:29 UhrDie Konsequenzen für den Rüsselsheimer Autohersteller Opel nach dem Scheitern des US-Rettungspaketes sind nach Angaben der Bundesregierung noch unklar. Opel habe bisher keinen Bedarf für eine Bundesbürgschaft signalisiert, sagte der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg in Berlin. Sollte es akut Entscheidungsbedarf über eine solche Bürgschaft geben, könne die Regierung sehr rasch handeln. Voraussetzung sei aber, dass kein deutsches Steuergeld an die amerikanische Opel-Mutter General Motors fließe.
Die Europa-Tochter von General Motors, GM Europe, reagierte enttäuscht auf die Ereignisse in Washington. Das Geschäft laufe aber normal weiter, wurde mitgeteilt. Es würden weiter alle Schritte zu einer "aggressiven" Senkung der Kosten unternommen. Da die Situation weiter "kritisch" sei, suche das Management zudem nach Optionen, um das Geschäft zu restrukturieren und zu stabilisieren. Dabei führt GM Europe nach eigenen Angaben Gespräche mit Arbeitnehmervertretern sowie der Europäischen Union.
GM-Pleite reißt Opel mit
Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer erwartet ohne staatliche Milliardenhilfen eine Insolvenz von GM "vor oder kurz nach Weihnachten". Eine GM-Pleite würde auch "spätestens ein halbes Jahr später" zu einer Insolvenz von Opel führen, sagte der Professor der Universität Duisburg-Essen.
Die diskutierte Bürgschaft der Bundesregierung für Opel in Höhe von einer Mrd. Euro wäre unter diesen Vorzeichen sinnlos, warnte Dudenhöffer. "Da Opel eine 100-prozentige GM-Tochter ist, würde das Geld automatisch in die Insolvenzmasse fließen." Man könne sich nicht dagegen absichern, dass das Geld nicht nur für Opel eingesetzt werde.
Auch der Auto-Analyst Frank Biller von der Landesbank Baden- Württemberg hält ein Insolvenzverfahren mit Gläubigerschutz bei GM bis zum Jahresende für wahrscheinlich. Neben den weitreichenden Konsequenzen für die Zulieferer, die ihre Forderungen abschreiben müssten, wäre ein Verfahren nach Chapter 11 ein verheerendes Signal an die Autokäufer, sagt Biller. Das Verfahren führe zwar nicht zwangsläufig zum Aus von GM, bedrohe aber seine Marktposition außerordentlich. "Es entstünde ein sehr negativer Strudel".
Berlin will helfen
Die Bundesregierung beeilte sich,ihr Hilfsangebot für den Rüsselsheimer Autobauer zu bekräftigen. Die Verhandlungen laufen auf Hochtouren. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) weist auf den erweiterten Bürgschaftsrahmen seines Landes hin: "Das macht uns jederzeit handlungsfähig." Die Gespräche zwischen Bund, Ländern und der Adam Opel GmbH über eine Bürgschaft kämen zügig voran, erklärte Koch. "Es gibt alle Möglichkeiten, je nach Entwicklung der Lage rasch das Notwendige zu tun."
Auf die verheerenden Folgen einer GM-Insolvenz für die gesamte deutsche Autoindustrie mit ihren rund 760.000 Beschäftigten wies der Analyst Andreas Scheuerle von der Deka-Bank hin. Die Zahlungsausfälle bei GM könnten etliche Zulieferer zu Fall bringen, die auch für andere Hersteller arbeiteten und vor allem für diese Entwicklungsaufgaben übernommen haben. "Der Industrie droht der Verlust von hochtechnologischem Know-how."
Verkaufsspekulationen
GM hat bislang immer klar gemacht, dass ein Verkauf von Opel nicht zur Debatte stehe. Die engen Verflechtungen in Finanzen und Technologie sprechen nach wie vor gegen eine Trennung. Der Opel- Betriebsratschef Klaus Franz und mit ihm die IG Metall steuern daher offen einen Kurs auf mehr Unabhängigkeit. Einen einseitigen Lohnverzicht ohne nachprüfbare Gegenleistungen wollen sie nicht mehr gewähren. Einsparungen von 750 Millionen Dollar (580 Mio Euro) hatte GM-Europe-Chef Claus-Peter Forster verlangt und sich zunächst eine klare Absage eingehandelt. Solange GM in der Krise nur die Mitarbeiter zur Kasse bittet, ohne etwas zu bieten, werden wir das nicht akzeptieren, kommentierte Franz das Ansinnen. Einem Zeitungsbericht zufolge bietet die Gewerkschaft nun Lohnsenkungen als Gegenleistung für eine Beteiligung am Unternehmen an.
Die Adam Opel GmbH gilt im GM-Verbund als Perle. Biller hält Opel für einen attraktiven Übernahmekandidaten, der kurz- und mittelfristig positive Ergebnisbeiträge liefern könne, wenn es gelinge, mehr Fahrzeuge auf gemeinsamen Plattformen zu bauen. "Ein Verkauf ist wie immer eine Frage des Preises", meint Jürgen Pieper vom Frankfurter Bankhaus Metzler. Für ein bis zwei Mrd. würde GM für Opel wohl schnell einen Käufer finden, der nicht zwangsläufig aus Europa kommen müsse. Ein heißer Kandidat sei die expansiv agierende Renault-Gruppe. Er halte es im Moment aber für die wahrscheinlichste Variante, dass es doch noch zu einem Rettungspaket für GM, Ford und Chrysler kommen werde.
Leoni aufgeschreckt
Der Nürnberger Kabel- und Bordnetzspezialist Leoni sieht durch das Scheitern des Rettungspaketes für die großen US-Automobilhersteller Risiken für seine Lieferungen an Opel. Der Zulieferer mache mit GM, Chrysler und Ford kein Geschäft in den USA, aber "Opel ist einer unserer großen Kunden, mit dem wir bisher vier bis fünf Prozent unseres Umsatzes erwirtschaftet haben", sagte ein Unternehmenssprecher.
"Wir halten es jedoch für sehr unwahrscheinlich, dass Opel im Falle eines Bankrotts der Muttergesellschaft GM von einem Tag auf den anderen den Betrieb einstellen muss oder ebenfalls zahlungsunfähig wird", sagte der Sprecher des MDax-Unternehmens. Leoni zählt in diesem Fall auch auf die zugesicherten Bürgschaften des deutschen Staates.
Dennoch wollen die Franken die Risiken durch die Lieferungen an Opel minimieren, sagte der Sprecher weiter. "Maßnahmen, die zur Risikominimierung grundsätzlich zur Verfügung stehen, sind etwa die Verkürzung von Zahlungszielen, die Lieferung nach Vorauskasse oder das so genannte Factoring."
Die ausstehenden Forderungen an Opel seien wegen der Produktionsstopps bei den Rüsselsheimern in letzter Zeit jedoch deutlich zurückgegangen. Entsprechend sei auch der Umsatz mit der GM-Tochter geschrumpft. Leoni ist unter anderem Zulieferer für den Opel Zafira und Astra.
Quelle: ntv.de