Olympia-Sponsoring PR-Debakel droht
10.04.2008, 16:10 UhrPrügelnde Polizisten, blutüberströmte Tibet- Demonstranten, verschreckte Vorzeigesportler - auf solche Bilder hätte die heile Olympia-Welt gerne verzichtet. Seitdem aber der globale Fackellauf nach Peking zur Protestbühne gegen Chinas Tibet-Politik geworden ist, droht den Sponsoren und Ausstattern des Sportspektakels nach Meinung von Fachleuten ein PR- Debakel. Sie warnen bereits von einem Werbedesaster, sollte der Widerstand andauern.
Dabei haben die Firmen Milliarden investiert, um mit den fünf Olympia-Ringen werben zu dürfen. "Sie erwarten dabei, dass ihre Produkte vor allem mit positiven Bildern verbunden werden", sagt der Kommunikationsexperte Rupert Ahrens. Allein die zwölf Top-Geldgeber wie Coca Cola, McDonald's oder Visa haben fast 870 Millionen US-Dollar an das Internationale Olympische Komitee (IOC) bezahlt. Eine weitere Milliarde haben die 35 Sponsoren des Pekinger Organisationskomitees BOCOG hingeblättert, darunter Volkswagen und Adidas. Das Rechte-Paket an den Sommerspielen und den Winterspielen 2006 in Turin hatte das IOC für 4,5 Milliarden US-Dollar verkauft. Peking allein bringt dem Komitee 1,74 Milliarden Dollar ein.
In der Zwickmühle
Angesichts der Proteste und Boykott-Forderungen raten Marketing- Experten den Werbern zur Vorsicht. Sie sollten die Demonstrationen ernst nehmen, wie der Präsident der Deutschen Public Relations Gesellschaft, Ulrich Nies, sagt. "Business as usual" reiche nicht mehr aus. Mit aller Offenheit müssten die Firmen jetzt begründen, welche unternehmerischen Ziele sie mit der Werbung rund um die Olympischen Spiele verbinden.
Allerdings stecken die Sponsoren in einer Zwickmühle. In China, mit einem Markt von 1,3 Milliarden potenziellen Konsumenten, wollen sie für sich werben, im Westen droht ihnen dagegen ein Imageschaden - "vor allem wenn aus Peking Olympia-Bilder mit viel Polizei und Sicherheitsvorkehrungen kommen", wie Ahrens sagt. Dies wäre für die Sponsoren "ein Debakel".
Die Firmen könnten auch selbst zum Ziel von Protesten werden. In den USA hat bereits Hollywood-Star Mia Farrow zu Boykott der Produkte von Olympia-Sponsoren aufgerufen. Der Regisseur Steven Spielberg sagte aus moralischem Gründen seine Beteiligung an der Eröffnungsfeier ab. Die Olympia-Kritiker haben gewichtige Gegner. Für die Vermarktung der Spiele hat Peking die amerikanische PR-Firma Hill & Knowlton unter Vertrag, die bereits für mehrere Olympische Spiele die Werbetrommel rührten.
Protest vorhersehbar?
Ein überstürzter Rückzug aus dem Olympia-Sponsoring wäre allerdings nicht überzeugend, wie PR-Mann Nies sagte. Die Proteste seien absehbar gewesen. "Es war klar, dass die Tibeter die Olympischen Spiele nutzen würden, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen". Auch Volker Nickel, Sprecher des Zentralverbands der deutschen Werbewirtschaft (ZAW), rät den Firmen, die Entwicklung abzuwarten. "Man kann davon ausgehen, dass die Menschen, die in Europa oder Asien von der Werbung angesprochen werden, zwischen Chinas Politik und dem Sportereignis unterscheiden können". Der Werbemann schließt aber nicht aus, dass sich bei einer Zuspitzung der Lage einige Firmen von Olympia zurückziehen. "Der Maßstab sollte die Haltung der Sportler sein".
Einige Sponsoren haben die Zeichen erkannt, wollen sich aber aus der politischen Schusslinie heraushalten. "Adidas ist sich der Bedeutung des Schutzes der Menschenrechte bewusst", erklärte der Sportartikelhersteller. Sponsoren könnten aber politische Probleme nicht lösen. "Wir sehen klare Grenzen der Einflussnahme", hieß es aus dem Unternehmen. Für Ahrens, geschäftsführender Gesellschafter der A&B One Kommunikationsagentur, liegt der Ball jetzt in Peking. IOC und chinesische Führung haben nach seiner Ansicht die Proteste und ihre globale Wirkung unterschätzt. "In der Weltöffentlichkeit gelten eben andere Regeln als in der eingeschränkten Weltsicht Pekings".
Quelle: ntv.de