Biomasse für den Wahlsieg? Politik beäugt Ökostrom
05.06.2008, 17:13 UhrNach einer Studie der den Grünen nahestehenden Heinrich-Böll-Stiftung ist die vollständige Deckung des europäischen Strombedarfs durch erneuerbare Energien möglich. Allerdings seien für die optimale Nutzung der vorhandenen Potenziale neue Instrumente und Strategien nötig, heißt es in dem Papier der ehemaligen EU-Kommissarin Michaele Schreyer. Schreyer schlägt die Einrichtung einer Europäischen Gemeinschaft für Erneuerbare Energien (ERENE) vor. ERENE könne die Ressourcen in der EU bündeln und so die Erschließung und Nutzung erneuerbarer Energien optimieren.
Derzeit werde nur von einem Zehntel des vorhandenen Potenzials an Windenergie, Wasserkraft, Solarthermie oder Photovoltaik für die Stromerzeugung Gebrauch gemacht. Dies liege auch am mangelnden gemeinschaftlichen Handeln der EU-Mitglieder, so Schreyer. Das sei aber notwendig, da die Potenziale regional sehr unterschiedlich verteilt seien. Vorrangige Aufgaben der von Schreyer vorgeschlagenen Gemeinschaft solle der Aufbau eines europäischen Stromverbundnetzes, die Schaffung eines europäischen Binnenmarktes für erneuerbare Energien sowie die Förderung von Forschung und Entwicklung sein.
Stiftungsvorstand Ralf Fücks forderte deshalb, dass sich die EU fünfzig Jahre nach ihrer Gründung ein neues ehrgeiziges Ziel setzen müsse: "weltweit zum Vorreiter für eine umweltverträgliche Energieversorgung zu werden". Eine Europäische Gemeinschaft für Erneuerbare Energien könnte nach der Schaffung des gemeinsamen Binnenmarkts und der gemeinsamen Währung zu einem neuen großen Integrationsprojekt für Europa werden", erklärte Fücks.
Geld für schwimmende Windräder
Unabhängig von dem Vorschlag der Heinrich-Böll-Stiftung hat das Bundesumweltministerium eine verstärkte Förderung der Stromerzeugung mittels Windrädern auf See bekannt gegeben. Zur Förderung und Erforschung der Windenergie-Nutzung im Rahmen der so genannten Offshore-Windparks stellt das Ministerium nach eigenen Angaben drei Millionen Euro zur Verfügung. Für die Entwicklung eines schwimmenden Fundaments solcher Offshore-Anlagen sollen 2,8 Mio. Euro eingesetzt werden, berichtete das Ministerium. Mit einer Fördersumme von 160.000 Euro werde daneben ein Transfersystem geschaffen, das den sicheren Transport von Monteuren und Material auf die Plattform auch bei hoher See zulasse. "Wartungen und Reparaturen sind damit nahezu ganzjährig möglich. Das spart bares Geld, denn ein Stillstand verursacht hohe Kosten."
Das schwimmende Fundament werde von einer Firma namens Arcardis Consult GmbH entwickelt, berichtete das Ministerium. Die Konstruktion sei nur mit Stahlseilen auf dem Meeresgrund befestigt und damit für sehr tiefe Gewässer geeignet. Naturschutzgebiete in Küstennähe sowie die Küstenschifffahrt würden so nicht beeinträchtigt.
Das Transportsystem werde von der Teupen Maschinenbau GmbH als Prototyp gebaut. Es sei "im Kern ein hydraulisch betriebener Kran, dessen Haken mit Hilfe von Sensoren so gesteuert wird, dass er auch bei hohem Seegang immer den gleichen Abstand zum Schiff hält".
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte: "Die Windenergie auf See ist ein Eckpfeiler beim Ausbau der erneuerbaren Energien. Deshalb weiten wir hier auch die Forschungsförderung beträchtlich aus. Mit den jetzt bewilligten Projekten machen wir den Ausbau wirtschaftlicher und sicherer und erschließen neue Einsatzgebiete."
Koalitionspolitiker rechnen
Mehr als ein Drittel der Hilfen für Ökostrom werden nach Berechnung aus Regierungskreisen künftig in die Förderung von Biomasse fließen. Nach bisher inoffiziellen Angaben aus Kreisen der großen Koalition wird sich die Unterstützung im Jahr 2010 auf 2,2 Mrd. Euro belaufen. Die gesamten Ökostrom-Hilfen liegen dann bei 6,3 Mrd. Euro. Die Änderungen von Union und SPD am Regierungsentwurf für das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) hätten die Hilfen um knapp eine halbe Milliarde Euro ausgeweitet. Von dieser Summe allein entfielen 320 Mio. Euro auf eine noch höhere Förderung von Biomasse-Anlagen. In Koalitionskreisen hieß es, besonders die CSU habe massiv darauf gedrungen.
Biomasse-Anlagen werden vor allem von Landwirten betrieben. Hier liegt wiederum ein Schwerpunkt in Bayern, wo im Herbst gewählt wird. Bis 2012 könne so die Kilowattstunde Strom aus Biomasse teurer sein als die aus Solarstrom, hieß es in Koalitionskreisen. Eine durchschnittliche Biogas-Anlage würde nun um mehr als 30 Prozent stärker gefördert als bisher.
Strom vom Landwirt
Der Kampf der Union gegen zu hohe Fördersätze für Solarstrom hat den Berechnungen zufolge kaum Erfolg gehabt. Bezogen etwa auf das Jahr 2015 würden die Hilfen nur rund 20 Mio. Euro niedriger ausfallen als es Umweltminister Sigmar Gabriel in seinem Entwurf geplant habe.
Das EEG legt feste Abnahmepreise für Ökostrom fest, die über denen von konventionellem Strom liegen. Die Differenz wird durch eine Umlage auf alle Verbraucher finanziert. Für einen durchschnittliche Haushalt werde die EEG-Kosten pro Monat nun von derzeit rund drei Euro auf knapp fünf Euro bis 2015 steigen.
Weichenstellung am Freitag
Der Bundestag will am Freitag ein ganzes Bündel von Energie-Gesetzen verabschieden, die den Klimaschutz in Deutschland voranbringen sollen. Mit den vier Gesetzen soll unter anderem der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung verdoppelt werden. Auch der Einsatz der erneuerbaren Energiequellen an Heizung und Warmwasser in Wohngebäuden soll gesteigert und die besonders effiziente Kraft-Wärme-Kopplung vorangebracht werden.
Die Gesetze sind Teil des Klimapakets, das die Bundesregierung Ende vergangenen Jahres auf den Weg gebracht hatte. Deutschland will bis 2020 seinen Ausstoß an klimaschädlichem Kohlenstoffdioxid (CO2) um 40 Prozent reduzieren. Jährlich müssten die CO2-Emissionen dazu um rund 270 Mio. Tonnen sinken.
Quelle: ntv.de