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Täuschung bei Vattenfall Rauscher tritt zurück

In einem Bericht zu den Pannen im Meiler Krümmel greift Schleswig-Holsteins Atomaufsicht mit beispielloser Schärfe den Betreiber Vattenfall an und wirft ihm offenkundige Täuschung der Öffentlichkeit vor. Demnach "enthalten die Presse-Informationen von Betreiber Vattenfall Darstellungen, die dem Betreiber zu dem Zeitpunkt als falsch bekannt gewesen sein müssen".

Die für Reaktorsicherheit zuständige Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) will den Text am Donnerstag dem Fachausschuss des Landtags vorlegen.

Rauscher geht

Nach der Pannenserie in Krümmel und Brunsbüttel ist der Chef des Energiekonzerns Vattenfall Europe, Klaus Rauscher, zurückgetreten. Zuvor hatte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verärgert über Vattenfall gezeigt und damit die Kritik auf einen Höhepunkt getrieben. Die Informationspolitik des Energiekonzerns sei "nicht akzeptabel", sagte sie.

Der Chef des schwedischen Stromkonzerns Vattenfall und Aufsichtsratsvorsitzende der Vattenfall Europe AG, Lars G. Josefsson, hat das Rücktrittsangebot von Klaus Rauscher, mit "vollem Respekt" akzeptiert. Bis zu einem weiteren Beschluss des Aufsichtsrates sei das Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Cramer gebeten worden, die Aufgabe des Vorstandssprechers wahrzunehmen.

Für die Vattenfall Europe AG sei in den vergangenen Tagen und Wochen eine "kritische Situation entstanden", sagte Josefsson auf einer eigens einberufenen Pressekonferenz. Besonders gravierend sei das unzulängliche Krisenmanagement im Nachgang der Ereignisse in den Kernkraftwerken Brunsbüttel und Krümmel am 28. Juni gewesen. "Wir müssen anerkennen, dass wir in Deutschland zur Stunde von unserer angestrebten Position weit entfernt sind", sagte Josefsson. Die kommenden Monate stünden für Vattenfall in Deutschland im Zeichen eines Neuanfangs.

Rauscher selbst erklärte, es sei nicht zu verkennen, dass "die Vorgänge der vergangenen Wochen dem Ansehen der Vattenfall Europe AG geschadet hätten". Es seien Fehler gemacht worden, für die er als Vorsitzender des Vorstandes die Verantwortung zu tragen habe. Das Unternehmen müsse nun vor allem mit Blick auf seine Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter verloren gegangenes Vertrauen rasch zurückgewinnen. Um einem solchen Neuanfang nicht im Wege zu stehen, biete er an, sein Amt zur Verfügung zu stellen

Erst am Montag hatte sich Vattenfall Europe vom Chef der Atom- Sparte, Bruno Thomauske, getrennt. Auch Konzernsprecher Johannes Altmeppen hatte sein Amt aufgegeben. Vattenfall hatte die Entscheidungen damit erklärt, dass der Konzern verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen wolle.

Merkel ohne Mitleid

Bundeskanzlerin Merkel betonte, ihr Mitleid halte sich "in Grenzen", wenn in der laufenden Debatte die Wirtschaft kritisiert werde. Sie nannte die Informationspolitik von Vattenfall Europe nach den Pannen "nicht akzeptabel". Dennoch halte sie die friedliche Nutzung der Atomenergie weiterhin für vertretbar. Merkel will sich auch weiterhin von Vattenfall-Konzernchef Lars Josefsson in Klimaschutzfragen beraten lassen. Das Engagement von Josefsson für den Klimaschutz sei hilfreich, gut und vernünftig. Der frühere Bundesumweltminister Jürgen Trittin hatte die Bundeskanzlerin in der Vattenfall-Diskussion aufgefordert, "dringend darüber nachzudenken, welche Berater sie sich hält".

Am Mittwoch wurde das Atomkraftwerk Brunsbüttel erneut unplanmäßig heruntergefahren. Krümmel ist seit Ende Juni vom Netz. Der Chef des Vattenfall-Konkurrenten E.ON, Wulf Bernotat, nannte die Vorfälle "sehr ärgerlich" und verlangte eine lückenlose Aufklärung. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) rechnet unterdessen unter Berufung auf ein Gutachten für den Atommeiler in Brunsbüttel mit mehr Sicherheitsmängeln als bekannt. Die Umwelthilfe berichtete, bei einer Analyse des Werks Brunsbüttel vom Juni 2006 hätten sich von den offenen Sicherheitsfragen "165 als besonders prekär erwiesen". Dazu gehören Werkstoff-Probleme, Mängel in Elektro- und Leittechnik und fehlende Bruchsicherheitsnachweise im Rohrsystem. Die Organisation fordert vollständige Sicherheitsnachweise oder eine Zwangsabschaltung des Kraftwerks binnen vier Wochen.

Bernotat sagte dem Magazin "stern", die Vattenfall-Vorfälle würden "generell ein falsches Licht auf die Kernkraft werfen". Sein Unternehmen, das Miteigentümer der beiden schleswig-holsteinischen Atommeiler ist, befinde sich daher in "sehr intensiven und auch sehr ernsten Gesprächen" mit Vattenfall. Nach allem, was er wisse, habe aber zu keiner Zeit ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko bestanden.

Das Unternehmen steht seit den Pannen in Krümmel und Brunsbüttel Ende Juni erheblich unter Druck. Brunsbüttel war wegen eines Kurzschlusses tagelang nicht am Netz. In Krümmel löste ein Feuer an einem Transformator eine Kette von Pannen aus. Obwohl Notsysteme ansprangen, steht Krümmel seitdem still. Der Konzern hatte nur scheibchenweise über die Details informiert und steht deshalb massiv in der Kritik. Am Mittwoch führte das Unternehmen in Brunsbüttel einen Ölwechsel im Trafo durch, der aber auf Empfehlungen der Atomaufsicht aus dem Jahr 2006 zurückgeht.

Umweltminister Sigmar Gabriel blieb angesichts der neuerlichen Änderung an der Spitze von Vattenfall Europe skeptisch. "Es geht nicht nur um den Austausch von Köpfen, sondern es muss einen grundsätzlichen Strategiewechsel bei Vattenfall geben." Die älteren Kernkraftwerke sollten zu Gunsten der neueren früher abgeschaltet werden, wiederholte er seine Forderung. "Wir hoffen, dass Vattenfall als Unternehmen, das hohe Verantwortung für Atomanlagen trägt, zu einer offensiven Informationspolitik kommt", merkte er weiter an. Merkel erklärte zu dem Thema, der Übertragung der Restlaufzeiten, Gabriel werde mit den Betreibern über das den Vorschlag sprechen. "Dann werden wir uns darüber unterhalten, was da rausgekommen ist", hielt sie sich bedeckt. Wichtig sei ihr aber: Die technischen Anforderungen an alte wie neue Kraftwerke seien die gleichen.

Quelle: ntv.de

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