Notenbank ganz unorthodox Schweiz von Krise voll erfasst
12.03.2009, 18:07 UhrIm Kampf gegen die schwerste Rezession seit Jahrzehnten hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) den Leitzins auf nahe Null gesenkt. Zudem schwenkt die Notenbank überraschend auf eine alternative Geldpolitik um: Sie will Franken-Anleihen privater Schuldner erwerben und am Devisenmarkt gegen die eigene Währung intervenieren. Das soll den Kurs des Franken gegenüber dem Euro schwächen und die Wirtschaft der exportabhängigen Schweiz vor einer tiefen Krise und Deflation bewahren.
Die SNB strebt eine allmähliche Rückführung ihren Zielsatzes Dreimonats-Libor auf 0,25 Prozent von bisher 0,5 Prozent an. Dann wird sie ihren Leitzins seit dem vergangenen Oktober um 2,5 Prozentpunkte gesenkt haben. Die Überraschung ist den Schweizer Währungshütern erst einmal gelungen. Sie ließen nach Angaben einiger Händler den Worten auch gleich Taten folgen und intervenierten zum ersten Mal seit 1995 wieder am Devisenmarkt. Der Euro legte mit einem Plus von rund fünf Rappen auf 1,52 Franken den größten Kurssprung gegenüber der Schweiz seit seinem Bestehen hin.
Mehr Eidgenossen ohne Job
Nach Einschätzung der SNB hat die Wirtschaftskrise die Schweiz über die Exporte mit voller Wucht getroffen. Die Arbeitslosigkeit werde in den kommenden Monaten steigen und das Bruttoinlandprodukt dürfte dieses Jahr um 2,5 bis 3,0 Prozent schrumpfen. Das wäre dann die schwerste Rezession seit 1975.
"Die wirtschaftliche Lage hat sich seit Dezember 2008 deutlich verschlechtert, und für die drei nächsten Jahre besteht das Risiko einer negativen Inflation" erklärte die Notenbank in ihrer vierteljährlichen geldpolitischen Lagebeurteilung weiter. In diesem Jahr dürfte das Preisniveau um 0,5 Prozent sinken und in den beiden Jahren danach dürfte es in der Nähe von Null liegen. Mit der unorthodoxen Geldpolitik folgt die Notenbank einem Kurs, den schon die Bank von England und auch die US-Notenbank eingeschlagen haben.
Mit dem Kauf von Franken-Obligationen privater Schuldner will die SNB den Angaben zufolge eine Lockerung der Konditionen auf dem Kreditmarkt herbeiführen. Zu weiteren Einzelheiten hüllte sich die SNB in Schweigen, und am Finanzmarkt begann ein Rätselraten darüber, welche Anleihen die SNB wohl zu welchen Bedingungen übernehmen könnte. Nach Angaben eines SNB-Sprechers ist auch an den Kauf von Pfandbriefen und Anleihen von Banken gedacht.
Der reinen "Verbal-Interventionen" müde
Nach Ansicht von Konjunkturexperten blieb der SNB angesichts der weltweiten Rezession nicht viel anderes übrig als drastische Schritte einzuleiten. Es sei aber genau das, was die Wirtschaft derzeit brauche, sagte der Konjunkturexperte Henrik Gullberg von Deutsche Bank. Die SNB reagiere damit auch auf das, was bei wichtigen Handelspartnern wie Deutschland ablaufe. Dort ist die Industrieproduktion so stark eingebrochen wie seit 1991 nicht mehr.
Das schwächt die Exportnachfrage und wenn der Franken sich noch weiter aufwerten würde, wäre dies ein zusätzliche Exporthemmnis, da es die Schweizer Güter im Ausland verteuern würde. Die SNB sei offenbar der reinen "Verbal-Interventionen" gegen den Franken müde geworden, sagte Saara Tulli von 4Cast Limited.
Zürcher Händler waren sich da im Hinblick auf den Anleihenmarkt nicht so sicher. "Das ist mehr eine verbale Intervention", sagte ein Händler. Die SNB wolle die Marktteilnehmer dazu bringen, in der Hoffnung auf Kurssteigerungen Anleihen zu kaufen und so die Zinsen tief zu halten. Dem Vorwurf, mit großen Anleihe-Käufen die Notenpresse anzuwerfen, wolle sich die Nationalbank ja wohl kaum aussetzen.
Quelle: ntv.de