Auf der Spur des Geldes Siemens-Juristen eingeweiht?
12.06.2008, 13:24 UhrDie Siemens-Rechtsabteilung war nach Angaben eines Zeugen im Siemens-Prozess über dubiose Zahlungen des Konzerns informiert. Er habe im Herbst 2003 ein mehrseitiges Fax des Angeklagten Reinhard S. erhalten, das Rechnungen verschiedener Firmen sowie einen Beratervertrag enthalten habe, sagte der Zeuge, der in der Siemens-Rechtsabteilung tätig ist, am Donnerstag vor dem Landgericht München I.
Bei einem anschließenden Gespräch mit S. in Erlangen sei er dann zu dem Schluss gekommen, dass die Zahlungen, die aus dem Jahr 2001 datiert hätten, "möglicherweise problematisch" seien, zumal ihnen keine adäquate Gegenleistung gegenübergestanden habe, erklärte der Rechtsanwalt.
Im Schmiergeld-Skandal bei Siemens geht es um 1,3 Mrd. Euro, die über Tarnfirmen und fingierte Beraterverträge zur Erlangung von Aufträgen ins Ausland geflossen sein sollen. Der angeklagte frühere Manager der Siemens-Festnetzsparte ICN hatte bereits zu Prozessbeginn eingeräumt, ein System schwarzer Kassen aufgebaut und verdeckte Provisionszahlungen abgewickelt zu haben.
Schäfer: "Ich kümmere mich drum"
Der Zeuge erklärte, bei dem Gespräch habe der Angeklagte ihm berichtet, dass Betriebsprüfer des Finanzamtes die Rechnungen entdeckt hätten. S. habe ihn auch gefragt, ob nun damit zu rechnen sei, dass die Prüfer die Unterlagen an die Ermittlungsbehörden weitergeben. Darauf habe er ihm geantwortet, dies hänge davon ab, wie gut sich die Prüfer mit den Behörden verstehen, das Vorgehen sei "von Bundesland zu Bundesland verschieden."
Er selbst habe daraufhin telefonisch den früheren obersten Siemens-Korruptionsbekämpfer Albrecht Schäfer über den Vorfall informiert, sagte der Zeuge. Der habe gesagt: "Schicken Sie mir mal die Unterlagen, ich kümmere mich darum." Aufgabe der Rechtsabteilung sei generell die Rechtsberatung gewesen. Die Untersuchung von Zahlungsströmen dagegen wäre Sache der Revision gewesen, erklärte der Rechtsanwalt. "Es war nicht meine Aufgabe, den Vorgang aufzuklären."
Pierer verweigert Aussage
Der ehemalige Siemens-Chef Heinrich von Pierer wird im Korruptionsprozess nicht als Zeuge aussagen, wie am Donnerstag bekannt wurde. Pierer werde sich für den ersten Prozess vor dem Landgericht München auf sein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, bestätigte die Kanzlei seines Anwalts Winfried Seibert.
Hintergrund ist ein Ordnungswidrigkeitsverfahren gegen von Pierer bei der Staatsanwaltschaft München. Diese überprüft, ob von Pierer seinen Kontrollpflichten als Siemens-Chef und Aufsichtsratsvorsitzender nachgekommen ist. Weil er sich als Zeuge möglicherweise selbst belasten könnte, muss er nicht aussagen. Von Pierers Zeugenaussage vor Gericht war für den 20. Juni erwartet worden.
Der Prozess vor dem Landgericht München ist das erste Verfahren um den milliardenschweren Schmiergeldskandal bei Siemens. Der Angeklagte Reinhard Siekaczek hat bereits gestanden, über ein System schwarzer Kassen 53 Mio. Euro für Schmiergeldzahlungen abgezweigt zu haben. Insgesamt geht die Staatsanwaltschaft gegen knapp 300 Beschuldigte vor. Siemens hatte dubiose Zahlungen über 1,3 Mrd. Euro von 1999 bis 2006 eingeräumt.
Quelle: ntv.de