Aufarbeitung in München Siemens nennt Zahlen
24.01.2008, 21:47 UhrDie Siemens-Hauptversammlung hat wegen der Schmiergeldaffäre wie erwartet die Entlastung fast des gesamten Vorstands vertagt. In einem beispiellosen Vorgang wurde die Entscheidung auf der Hauptversammlung am Donnerstag in München mit einer Mehrheit von mehr als 90 Prozent des anwesenden Kapitals verschoben. Lediglich der Vorstandsvorsitzende Peter Löscher wurde von der Vertagung ausgenommen. Damit reagierten die Anteilseigner auf neue Erkenntnisse in der Schmiergeldaffäre, die auf eine mögliche Verstrickung von Führungskräften hinweisen.
Im Rahmen der Hauptversammlung hat Finanzchef Joe Kaeser erstmals konkrete Zahlen zum Ausmaß der Äffäre vorgelegt. Demnach erstreckt sich das Problem über weite Teile des Konzerns. In sechs Bereichen seien zweifelhafte Zahlungen in größerem Umfang entdeckt worden, sagte der Finanzchef am Donnerstag.
Bereits bekannt war, dass die frühere Kommunikationssparte Com mit 449 Mio. Euro am stärksten betroffen war. Nun schlüsselte der Konzern erstmals auch die übrigen Zahlungen auf: In der Energieerzeugung tauchten über sieben Jahre 301 Mio. Euro an Beraterzahlungen auf, denen keine klare Gegenleistung gegenüber stand.
In der Verkehrstechnik waren es 88 Mio. Euro, in der Energieverteilung 80 Mio. Euro. Die zweifelhaften Zahlungen in der Medizintechnik bezifferte Kaeser auf 44 Mio. Euro, bei den Industriellen Dienstleistungen auf 24 Mio. Euro. Hinzu kommen noch insgesamt zehn Mio. Euro in den übrigen Bereichen sowie 258 Mio. Euro bei ausländischen Gesellschaften. Insgesamt kommt der Konzern so auf die bereits bekannte Gesamtsumme von 1,3 Mrd. Euro.
Im vierten Geschäftsquartal hatte Siemens die Untersuchungen der Steuerabzugsfähigkeit zweifelhafter Zahlungen bei den übrigen Bereichen und den Regionalgesellschaften "auch für die Geschäftsjahre 2000 bis 2006 weitestgehend abgeschlossen". Von den 258 Mio. Euro, die in den Regionalgesellschaften gefunden wurden, entfallen auf Österreich 50 Mio. Euro, auf China 22 Mio. Euro und auf Iran 19 Mio. Euro. Alle anderen Zahlungen liegen bei 10 Mio. Euro oder darunter. Weitere Angaben zu den Ländern machte Kaeser nicht.
Im Zusammenhang mit den bei COM gefundenen Zahlungen hatte das Landgericht München hatte Anfang Oktober eine Geldbuße von 201 Mio. Euro gegen Siemens verhängt und damit die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im COM-Bereich beendet. Siemens hatte über verdächtige Zahlungen berichtet, die bis Mitte der 90er Jahre zurückreichen sollen. Strafbar ist Bestechung im Ausland allerdings erst seit 1999. Siemens akzeptierte die Geldbuße und traf zudem abschließende steuerrechtliche Regelungen für die deutschen Finanzbehörden.
Quelle: ntv.de