Ifo-Chef bemüht Geschichte Sinnfreier Vergleich
26.10.2008, 13:59 UhrIm Streit um die Schuld der Manager an der Finanzkrise hat der Münchener Ökonom Hans-Werner Sinn, Präsident des Ifo-Instituts, die Wirtschaftsführer in Schutz genommen und die Kritik an ihnen mit dem Antisemitismus der dreißiger Jahre verglichen. "In jeder Krise wird nach Schuldigen gesucht, nach Sündenböcken", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel". In der Weltwirtschaftskrise von 1929 "hat es in Deutschland die Juden getroffen, heute sind es die Manager". Niemand habe damals an einen "anonymen Systemfehler" glauben wollen, der die Krise ausgelöst habe, befand Sinn.
Zugleich bezeichnete Sinn das 480-Mrd-Euro-Rettungspaket des Staates für die Banken als richtig. Sonst hätte es wie 1929 "dramatische Folgen" gegeben: "Eine Kernschmelze im Finanzsystem, Massenarbeitslosigkeit, die Radikalisierung der Länder der westlichen Welt, am Ende eine Systemkrise der Marktwirtschaft." Die deutsche Geschichte sei hier ganz klar. Der Nationalsozialismus sei aus der Krise zwischen 1929 und 1931 entstanden. Auch heute stünden Rattenfänger parat.
"Empörend und deplatziert"
Der Zentralrat der Juden in Deutschland zeigte sich empört über die Aussagen und forderte vom Präsident des Ifo- Instituts eine Entschuldigung. Der Generalsekretär des Zentralrats, Stephan J. Kramer, forderte Sinn auf, seine Aussagen "so schnell wie möglich ohne Wenn und Aber zurückzunehmen und sich zu entschuldigen". Der Vergleich sei "empörend, absurd und absolut deplatziert, eine Beleidigung der Opfer", sagte Kramer der "Neuen Ruhr/Neuen Rhein Zeitung". "Mir wäre neu, dass Manager geschlagen, ermordet oder ins Konzentrationslager gesperrt würden."
Als "zynisch und total daneben" haben die Grünen den Vergleich des Münchner Ifo-Chefs zwischen Juden und Managern kritisiert. Sinn solle seine Äußerungen sofort zurücknehmen, forderte Grünen-Parlamentsgeschäftsführer Volker Beck. Der Vergleich sei "eine beispiellose Geschmacklosigkeit". Beck hob hervor, die Wirtschaftskompetenz von Sinn möge in der Fachwelt strittig sein. "Seine Geschichtsvergessenheit ist ab heute unumstritten", erklärte er. Der Hinweis auf das Jahr 1929 lasse sofort an die Judenverfolgung ab 1933 und den nach 1939 folgenden Holocaust denken. Dass Sinn diesen "unsäglichen historischen Vergleich" gleichsam als Erkenntnis vorab habe verbreiten lassen, "deutet auf Vorsatz und nicht auf Fahrlässigkeit hin".
Quelle: ntv.de