Bahn-Streiks Steht Porsche still?
08.11.2007, 22:50 UhrDie Streiks im Güterverkehr der Bahn zeigen Wirkung: Bis zum Donnerstagabend fielen nach Angaben der Deutschen Bahn rund 300 Güterzüge aus, in der Autoindustrie drohen bereits am Freitag erste Produktionsausfälle. Demnach könnten im Leipziger Porsche-Werk die Bänder stillstehen und bei Volkswagen in Wolfsburg denkt man offenbar über Kurzarbeit nach.
Die Bahn warf der Gewerkschaft Deutscher Lokführer GDL vor, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu bestreiken. Die GDL rief in dem seit Monaten festgefahrenen Tarifkonflikt ihre gut 2.000 streikberechtigten Mitglieder bei der Bahntochter Railion zu einem 42-stündigen Streik bis Samstagmorgen um 06.00 Uhr auf. Bei der Bahn-Tochter Railion arbeiten etwa 5.400 Lokführer. Pro Schicht werden sich laut GDL rund 800 von ihnen am Streik beteiligen.
Die Bahn wird der Lokführergewerkschaft GDL trotz der Streiks im Güterverkehr kein neues Angebot machen. Es werde "absehbar kein neues Angebot geben", sagte Bahn-Transportvorstand Norbert Bensel. Gleichzeitig bemühe sich die Bahn, die Auswirkungen der Streiks so gering wie möglich zu halten. Am Donnerstagmittag hatte die GDL mit den angekündigten Streiks begonnen. Sie sollen 42 Stunden lang bis Sonnabend früh dauern.
Nach Darstellung der GDL sind die Streiks "gut angelaufen". GDL-Sprecherin Gerda Seibert sagte am frühen Donnerstagnachmittag, ersten Rückmeldungen zufolge stünden viele Züge still; für eine umfassende Bilanz sei es aber noch zu früh. Die "Rush-Hour" im Güterverkehr beginne erst am späteren Nachmittag, da viele Züge nachts unterwegs seien. Die Auswirkungen des Streiks bauten sich langsam auf. Wieviele der 5.400 Lokführer bei der Bahntochter Railion sich an dem Ausstand beteiligten, konnten zunächst weder Unternehmen noch Gewerkschaft sagen. Den Angaben zufolge sind zwischen 2.000 und 2.200 Lokführer bei der GDL organisiert und streikberechtigt. Seibert sagte, die Züge sollten möglichst in den Depots bleiben und nicht Gleise oder Bahnhöfe blockieren.
Großbetriebe und Häfen wappnen sich nach Angaben der Bahn mit Notfallplänen. Damit sei man zuversichtlich, die Folgen eines kurzen Ausstands abfedern zu können. Sollten die Arbeitsniederlegungen allerdings länger dauern, dann befürchten sie erhebliche Auswirkungen.
Bahn-Personalvorstand Margret Suckale sprach von einer "ernsthaften Bedrohung" für die Wirtschaft. "Viele unserer Kunden haben schon Kurzarbeit anmelden müssen. Hier wird jetzt der Wirtschaftsstandort Deutschland lahm gelegt." Die Bahn habe einen Notfallplan, damit wirtschaftlich wichtige Verkehre weiterliefen. Für Kraftwerke gebe es eine Minimalversorgung.
Die Bahntochter Railion teilte mit, ein zentrales Streik-Management arbeite daran, die nicht streikenden Lokführer flexibel einzusetzen. Güterzüge solle zusammengelegt und Personal an wichtigen Rangierbahnhöfen zusammengezogen werden. Der Ausstand dauert bis Samstagmorgen, 06.00 Uhr.
Die GDL schließt eine Verschärfung des Streiks nicht aus. "Wenn 42 Stunden Streik im Güterverkehr den Bahnvorstand nicht beeindrucken, dann bleibt uns nichts anderes übrig als nächste Woche zum Güterverkehr noch den Personenverkehr noch hinzuzunehmen", sagte GDL-Vize Claus Weselsky bei n-tv. Nach Angaben von Weselskys Amtskollegen Günther Kinscher ist die Gewerkschaft bereit, bei einem verhandlungsfähigen Angebot den Streik im Güterverkehr sofort abzubrechen.
Seehäfen stark betroffen
Die Hamburger Hafenbehörde bildete eine sogenannte Task Force. "Wir gehen davon aus, dass wir einen Tag gut puffern können", sagte die Sprecherin der Port Authority, Christiane Kurht. Sollte der Streik länger dauern, müsse man sehen. Ein Teil der Fracht würde sicherlich auf Lastwagen ausweichen, allerdings gehe dies nicht mit allen Gütern wie Erz und Kohle. "Ein Zug müsste durch rund 50 Lkw ersetzt werden." Insgesamt werden im Hamburger Hafen rund 200 Züge täglich abgefertigt.
Laut GDL soll der Der Rostocker Seehafen ein Schwerpunkt des Streiks werden. Wie ein Sprecher mitteilte, sind 90 Prozent der Lokführer im Hafen in der GDL organisiert. Nach Angaben des Hafens laufen 20 Prozent des Güterumschlags über die Bahn. Einige Güter werden direkt vom Schiff auf Züge verladen, daher könnten bei einem Streik Schiffe nicht entladen werden. Die Fachvereinigung Güterverkehr Mecklenburg-Vorpommern geht davon aus, dass der Streik zu erheblichen Problemen führen wird, da die Speditionen nicht ausreichend Ersatzkapazitäten bieten könnten.
Der Zentralverband der Deutschen Seehäfen befürchtet insgesamt gravierende Auswirkungen. "Wir haben nicht die Areale, um Güter in den Häfen zwischen zu lagern", sagte Hauptgeschäftsführer Klaus Heitmann. Fast jede dritte in deutschen Seehäfen umgeschlagene Tonne werde auf der Schiene weitertransportiert. "Da wird es sicher zu brenzligen Situationen kommen." Nach Angaben des Verbands Deutscher Reeder kündigten einige größere Reedereien bereits an, Schiffe umlenken zu wollen.
Autoindustrie betroffen, Porsche besorgt
Erstes Opfer der Streiks im Güterverkehr bei der Deutschen Bahn könnte Porsche sein, die Produktion im Leipziger Werk könnte durch die Streiks zum Stillstand kommen. Ein Sprecher des Sportwagenherstellers sagte, man hoffe, dass der morgendliche Zug mit Teilen am Freitag das Werk erreiche. Sollte er ausfallen, dann müsste die Produktion heruntergefahren werden.
Volkswagen informierte seine Mitarbeiter bereits über Kurzarbeit als mögliche Streikfolge und bei Daimler wurde ein Notfallplan aufgelegt. Ein Sprecher verwies darauf, dass in der Produktion die meisten Teile per Lastwagen angeliefert würden. Die Bahn spiele eher beim Abtransport der Fahrzeuge eine Rolle.
Viele Beamte unter Railion-Lokführern
"Die Streikbereitschaft ist sehr hoch", sagte GDL-Sprecher Maik Brandenburger. Er unterstrich, die Lokführer würden ihre Züge nicht einfach auf dem Gleis stehen lassen, sondern sie in den nächsten Bahnhof fahren. Die Bahn erklärte, sie erwarte keine größeren Auswirkungen auf den Personenverkehr.
Bei Railion arbeiten 5.400 Lokführer, von denen nach Unternehmensangaben etwa die Hälfte nicht streikberechtigte Beamte sind. Laut GDL beträgt ihr Organisationsgrad bei dem Bahn-Tochterunternehmen etwa 80 Prozent, damit wären knapp 2.200 Lokführer zum Streik aufgerufen.
Quelle: ntv.de